Text von Thomas ist gruen
Text von Katrin ist schwarz
Mit gutem Gewissen, da nun die ersten Fotos im Netz waren (auch wenn sie nicht bis zu den aktuellen Events reichen, gibt es ja bei der Menge erst mal was zu gucken, es hat ja nicht jeder soviel Zeit wie wir), erlaubten wir uns die erneute Einreise in die Rockies.
Wir wollten nun gen Norden nach Jasper, dem kleineren der beiden Touri-Hauptorte. Von Golden nahmen wir erst mal einen Anhalter mit, ein Buerschlein aus Ungarn, der auch quer durch Kanada unterwegs war, allerdings etwas maulfaul, so dass es kaum auffiel, als er uns nach 80 km wieder verliess. Ehrlich gesagt mueffelte er ein wenig. So war der Verlust doch recht ertraeglich.
Ich hatte mich sehr auf die Strecke gen Jasper gefreut, denn sie fuehrte uns entlang des Icefield Parkways und ich erinnerte mich an die spektakulaeren Ausblicke bei unserer Reise vor 7 Jahren. Doch wo waren diese nun hin? Etwas ganz dummes war passiert: wir fuhren gen Norden und damit in die falsche Himmelsrichtung! Dadurch entgingen uns die Ansichten der schneebedeckten Gipfel, denn der Schnee zeigt nur nach Norden, wir kamen aber aus dem Sueden und an diesen Haengen ist der Schnee um diese Jahreszeit praktisch abgetaut! Wir hingen also die ganze Zeit am Rueckspiegel und kamen uns vor, als schauten wir Eisgipfelfernsehen. Also: an alle, an alle! Falls Ihr jemals in den Genuss dieser Strecke kommen solltet, fahrt immer von Jasper nach Banff und nicht umgekehrt!
Ich fand die falsche Richtung beileibe nicht so falsch, und wieder empfand ich die Fahrt auf dem Icefield Parkway (ca. 160 km zwischen Lake Louise und Jasper) als absolutes Highlight. Es ist schwer, Gluecksgefuehle in Worte zu fassen. Trotz der vielen anderen Touristen ist man hier alleine mit sich, steht fassungslos vor der Urkraft dieser Schoenheit, atmet die klare Luft. Vom Parkplatz am Fusse des Icefield machte ich mich fuer eine Stunde zu Fuss auf den Weg an der Seite des Gletschers. Nach ein paar Minuten war kein Mensch mehr zu hoeren und ich war alleine mit mir und den Eindruecken. Das sind fuer mich die Augenblicke, in denen die Batterien wirklich geladen werden, die Augenblicke, von denen ich glaube, dass man sie noch einmal vorbeiziehen sieht, wenn man mal in die Kiste springt und man sich sagen kann, es war ein gutes Leben. Ich haette mir doll gewuenscht, ihr koenntet alle fuer einen Augenblick hier sein und wusste gleichzeitig, dass aus der Hektik des Alltages heraus das Erleben dieses Moments wohl ein ganz anderes gewesen waere.
Genug der Seelenbeschau, kurz gesagt: Beim richtigen Wetter (das wir hatten) ist es einfach geil hier. Der Besucherparkplatz liegt am Fusse des Gletschers in ca. 2000 m Hoehe. Von hier aus kann man zum eigentlichen Gletscher laufen, das sind dann noch ca. 10 min und entlang des Weges sind Schilder aufgestellt, in welchem Jahr der Gletscher bis zu diesem Punkt reichte. Zum Schluss kann man auf einem kleinen abgesteckten Areal bis auf das Eis hinauf. Ueberall wird sehr eindringlich vor dem Betreten des Gletschers gewarnt, in den letzten vier Jahren gab es wohl drei Tote durch Stuerze in Gletscherspalten. Wer will, kann auch eine Tour mit speziellen Bussen auf den Gletscher machen. Der Spass kostet um die 24 CDN und der Bus faehrt dann tatsaechlich auf den unteren Teil des Gletschers. Das ganze Eisfeld selber zieht sich ueber einige hundert qkm hin, das reicht dann dicke, um ein paar Fluesse zu speisen.
In Jasper gingen wir nach unseren positiven Erlebnissen in Banff guten Mutes an die Hotelsuche, aber nun schlug der Nepp doch noch zu. Man bot uns Zimmer zwischen 160 und 250 CDN an, es wurde von Hotel zu Hotel teurer. Wir entschieden uns ergo zum Zelten, auch wenn das Wetter etwas mau war. Auf dem Weg zum Campingplatz hielten wir mal schnell noch an einer Privatvermietung an und hatten unser Zimmer fuer die naechsten 3 Naechte! Zwar im Keller (das ist hier ganz normal), dafuer aber OK und preiswert, fuer nur 75 CDN. Die Vermieter waren nett und easy und kaum zu sehen. Einen Schluessel bekamen wir nicht, die lassen dort die ganze Nacht die Haustuer auf!
Im Gegensatz zu Banff und Golden war Jasper noch ziemlich so, wie wir es in Erinnerung hatten. Wir gingen am ersten Abend auch gleich zu einem Revival-Dinner zum Koreaner und assen Koreanisches Barbeque. Unser Fernostessen laesst einfach nicht nach... Vielleicht bleiben wir ja doch noch etwas laenger in Asien haengen, dann sind wenigstens unsere Eingeweide schon trainiert.
Am naechsten Morgen beim Fruehstueckkaufen im Supermarkt laesterten wir ziemlich uebel ueber die Kassierin, welche uns dann im breitesten Schwaebisch bediente, und wir fragten uns ganz bedeppert, ob sie uns vorher wohl gehoert hatte. Die Deutschen-Dichte hat inzwischen auch stark zugenommen, und ausser uns fahren noch einige andere mit deutschen Autofahnen herum.
Tom hatte einen guten Fahrradverleih erkundet, und wir starteten eine Tour zum Maligne Canyon. Die schoene Umgebung konnte mich nicht vollstaendig ueber gewisse konditionelle Schwierigkeiten hinwegtroesten und nach dem zwanzigsten (fuer mich heftigen) Anstieg konnte ich nicht mehr und wollte nach Jasper zurueck. Tom setzte die Tour fort und ich atmete noch etwas ab und aergerte mich ueber meine Schlappheit. Nee, das war irgendwie doof! Ich beschloss, ihm doch hinterher zu fahren und ihn zu ueberraschen. Ja, tolle Idee, mir wurde schnell klar, dass ich mich nun mutterseelenallein im Wald im Baerengebiet befand. Singen ging nicht so recht, schliesslich hatte ich schon genug mit meiner Pressatmung zu tun. Also stiess ich alle 10 Sekunden einen mordsmaessigen Heidi-Jodler aus und gab Gas (ich uebte sozusagen schon mal die Flucht). Wie froh war ich, als ich ploetzlich Tom entdeckte! Er war in der Tour de France etwas zurueckgefallen, da er noch den Wald waessern musste. ... Ausserdem war der Fotograf schon wieder auf der Pirsch. Jedenfalls war ich nicht schlecht ueberrascht, als Elli-Pirelli mit lautem Gejodel um die Ecke schoss.
Als wir den Canyon erreichten, war ich reichlich K.O. und wir beschlossen, nur mal so ein Stueckchen zu gucken. Aber an jeder Ecke, bis zu der wir gingen, sah es so interessant aus, dass wir noch zur naechsten gingen und am Ende waren wir die ganzen 2,7 km durchgewandert Die klassische Scheibchentaktik.. Es ist aber auch immer wieder faszinierend zu sehen, wie sich so ein Fluss durch den Felsen bohrt. Gott sei Dank war am Ende ein Cafe, denn ich war inzwischen schon so dehydriert, dass ich schon aus dem Fluss getrunken hatte, aber nur ganz wenig, denn wer weiss, nachher haette ich mich noch in ein Reh verwandelt!
Zurueck fanden wir eine geniale Abkuerzung ueber die Pferderoute und dann noch mal rauf auf's Rad, aua!! Mein armer Hintern... Das Abendessen nahm ich schon nur noch halb wahr und als ich mich um 8 Uhr abends mal kurz aufs Bett legte, entschlief ich augenblicklich bis zum naechsten Morgen.
Geweckt wurde ich um 5:30 durch Herrn Tom, der sich zu einer erneuten Fruehwanderung bereit machte. Er musste den naechsten Berg bezwingen, diesmal ging es den Mt. The Whistlers hinauf.
Ja, schon wieder so eine spinnige Tour von mir. Allerdings diesmal schon mit etwas mehr Anspruch. Am Ende hatte ich 1200 Hoehenmeter auf eine Gesamthoehe von 2440 m geschafft (Eigentlich eher umgekehrt, die Hoehenmeter hatten mich geschafft) und 9,5 km hinter mir. Der Lohn war der unvermeidliche wundervolle Blick und die erste Seilbahntalfahrt dieses Tages um 09:00 als einziger Fahrgast. Scheisse war das kalt da oben (ca. 7 Celcius), die Haelfte der Strecke im Bergschatten und dann noch gute Hangwinde. Die naechste Tour wird wieder auf der sonnigen Seite marschiert!
Die Bergbesteigung hat dann auch Tom den Rest gegeben und wir Hochleistungssportler waren etwas zerschlagen. Wir hatten aber ein Tages-light-Programm, das mit unserer koerperlichen Verfassung uebereinstimmte. Wir fuhren zum Mount Edith Cavell, den Tom noch in super Erinnerung von damals hatte (ich wusste mal wieder von nichts). Um so schoener war dann mein Aha-Effekt: eine so irre Landschaft! Der Gletscher reicht bis in einen See hinein und es sieht aus wie ein Mix aus Arktis und Tundra.
Edith Cavell, da gerate ich doch schon wieder ins Schwaermen. Nicht wegen Edith, die wurde naemlich im ersten Weltkrieg von Deutschen hingerichtet. Sie war Krankenschwester bei den Kanadiern und weigerte sich bei einem ploetzlichen Rueckzug vor den Deutschen, ihre Kranken zu verlassen. So sollte ein Berg zu Ehren dieser Frau gefunden werden, und so bekam dieser Berg dann vor ca. 80 Jahren seinen Namen. Der Berg beeindruckt, doch noch mehr sind es die ueberhaengenden Gletscher und der Gletschersee bis zu dessen Ufer man leicht wandern kann. Auf dem See schwimmen Eisschollen. Dauernd knackt und grummelt es irgendwo. Ploetzlich bricht dann wieder ein Stueck von dem Gletschereis ab und stuerzt einem im wahrsten Sinne des Wortes fast vor die Fuesse. Und seltsam genug, nur ein paar Meter weiter und trotz der Hoehe wachsen schon wieder die ersten Pflanzen, kehrt der Wald mit kleinen Fichten auf das Geroell zurueck. Dazwischen Bergblumen in schoenster Bluete.
Anschliessend fuhren wir noch einmal die Icefield-Route entlang, denn wir wollten die schoenen Berge unbedingt noch mal aus der Nichtrueckspiegelperspektive sehen. Da wir Zeit genug haben, sind wir einfach noch mal 100 km und zurueck gefahren. Es hat sich gelohnt und wir waren sehr erfreut. Unterwegs hatten wir das grosse Glueck, eine Baerin mit zwei Jungen ganz dicht bei der Strasse zu sehen. Unter Einsatz meines Lebens habe ich Fotos geschossen.
Auf dem Weg besichtigten wir auch noch die Athabasca Falls, es war ganz spannend, den Ursprung des Athabasca Rivers zu sehen, den wir in der Stadt Athabasca (30 km von Irmas Bienenfarm entfernt) so gewichtig dahinfliessen sahen. Vom Columbia Icefield entspringen 4 der wichtigsten Fluesse Nord-Kanadas, der Fraser und Columbia River, welche in den Pazifik fliessen, der Athabasca River, welcher in die Hudson Bay fliesst und der Saskatchewan River, welcher in den Atlantik fliesst. Eine Kontinentalscheide in drei Richtungen!