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Text von Thomas ist gruen

Text von Katrin ist schwarz

Ort [Jasper - Hagensborg] Datum [19.07.06-22.07.06] Reisetag [73 - 76] Temp. [ca.32]
30. Auf zum Pazifik

Wir kehrten dem Highlight unseres Kanada Trips den Ruecken, aber natuerlich nicht, bevor wir noch eine Kanutour auf dem Maligne Lake gemacht hatten. Leider gab es kein Kanu und wir mussten auf das noch teurere Kajak (30 CDN pro Stunde) ausweichen. Irgendwie stellte sich der erhoffte Gefuehlsschub nicht wieder so ein, wie wir ihn vor 7 Jahren erlebt haben. Damals waren wir berauscht von den unglaublichen Farben dieses 20 km langen Bergsees auf 1700 m. Diesmal hatten wir immerhin keinen so dollen Gegenwind und wir genossen die angenehmen Temperaturen. Baden faellt bei nur 10 Grad Wassertemperatur trotzdem flach. Waehrend diesmal Tom mehr in der Vergangenheit lebte, ging es mir auf diesem See supergut. Als wir eine Weile in der Uferzone herumduempelten, berauschte ich mich an der Atmosphaere und war sehr happy.

Wir verliessen den Jasper Natinoal Park Richtung Westen. Auf dieser Route geht es vorbei am Mt. Robson, mit 3954 m der hoechste Berg der kanadischen Rockies. Meistens sieht man diesen Berg nicht in voller Pracht, denn er ist fast immer von Wolken umgeben. Wir streiften mal wieder durch eine Besucherinfo und stolperten ueber ein Schild, dass fuer Reservierungen der Faehren in ganz British Columbia warb. Wir dachten, fragen kostet ja nichts und 20 min spaeter hatten wir tatsaechlich eine Reservierung mit der Faehre von Bella Coola nach Port Hardy und damit entlang der halben Innlandpassage, die normalerweise in Prince Rupert beginnt.

Also hiess es alle Plaene (soviele hatten wir eigentlich nicht) umzuschmeissen und dann auch noch dieser ploetzliche Stress: Wir hatten einen Termin einzuhalten! Am 24 jul um 08:00 sollte es losgehen, und bis Bella Coola waren es noch ca. 1000 km. Wir ueberlegten eine Weile hin und her und entschlossen uns dann fuer die „irgendwas wird schon kommen Variante”. Der Generalplan lautete: Wir versuchen, noch ein schoens Plaetzchen fuer zwei oder drei Tage zu finden und die restliche Strecke reissen wir ab.

Wir uebernachteten in Valemount in einem Motel, dessen u.a. deutsche Fahne und bayrische Anmutung uns anlockte. Der Besitzer hiess Ralph Bauer, war aber nicht der schoene Schauspieler, sondern ein Opi, welcher vor ueber 40 Johr' ausgewandert war und noch astrein bayrisch sprach. Er war im uebrigen auch bestens ueber Deutschland informiert, so wusste er uns ueber die Hitzewelle in Deutschland zu berichten.

Am naechsten Tag fuhren wir ein ordentliches Stueck gen Osten und landeten am Lac La Hache auf einem Campingplatz , welcher sich wichtig Fir Crest Resort (Resort ist immer gaaanz wichtig!) nannte, der Besitzer: ein Bayer! Ja Herrgottszeiten, was war denn hier los? So ganz hat sich uns nicht erschlossen, warum man als Deutscher ausgerechnet hier an dieser Stelle in Kanada landen sollte, wir haben da viele wesentlich interessantere Wohnorte gesehen. Der See sah etwa aus wie in Mecklenburg, OK, in einer halben Stunde ist man von dort im Winter beim Skihang, aber dafuer gab es rundrum in hunderten von Kilometern so gut wie nichts, was uns dort halten koennte. Aber die Bayern sind vielleicht mehr Naturburschis als wir und sehen die Welt mit anderen Augen.

Im Resort hoerten wir auch einiges deutsches Gerede und es gab eine Menge deutscher Produkte zu kaufen, z.B. sehr viele Storck Produkte (kein Ferrero!) und Mischbrot. Damit wir wissen, wie es den Leuten zu Hause ergeht, schickte uns der liebe Gott eine Hitzewelle, der wir durch eifriges Baden im lauwarmen See Widerstand leisteten.

In einer abenteuerlichen Konstruktion grillten wir uns abends Steaks im Lagerfeuer und assen dieses mit Massen an Knoblauch auf Brot und ich schlief mal nicht wie sonst dick eingemummt, sondern sehr kurzbehost in der lauwarmen Nacht.

Der naechste Tag wurde noch heisser, wir fluechteten erst mal nach drinnen, sprich Bibliothek und danach zum Friseur, welcher uns beiden ein frisches Blond + laengst faellige Haarschnitte verpasste. Danach gingen wir baden, baden, baden und abends pflegten wir das Deutschtum erneut, indem wir in ein schweizer (OK, halbes Deutschtum!) Restaurant gingen und Schnitzel mit Bratkartoffeln bzw. Geschnetzeltes mit Spaetzle assen. Perfektes Essen bei der Hitze, aber man muss die Chancen nutzen, wenn sie da sind!

Meine volle Wampe, eine lauwarme Nacht und mein aeusserst hartes Isomattenbett trieben mich nach einer maessigen Nacht bereits um 6 Uhr raus und es war das erste Mal, dass ich Thomas wecken musste. Gegen 8 Uhr fruehstueckten wir bereits 100 km weiter, es war gar nicht so schlecht, dass wir so frueh losgekommen sind, denn so konnten wir vor der grossen Hitze noch gut vorankommen. Es ging ueber sehr einsame Landstrassen, kaum jemand kam uns entgegen. Die Gegend ist so duenn besiedelt, dass es ca. 100 km vor der Kueste lange ueberhaupt keine Strasse ueber das Gebirge gab, bis sich dann die Leute selbst eine gebaut haben. Diese Strasse ist dafuer auch sehr abenteuerlich: eine Schotterstrasse, die eng am Berg entlang ueber einen Pass auf 1.500 m fuehrt und sich dann in steilen (bis 15 % Gefaelle) Serpentinen ins Tal windet. Ich war die Fahrerin und fuhr uns im Schneckentempo und sehr aufgeregt ueber diese spektakulaere Strecke.

Unterwegs begegneten uns an zwei Stellen ein Baer Wir nennen Sichtungen inzwischen einfach Bruno I ..., hatten es hier also mit Bruno IV und V zu tun, wovon einer genauso neugierig war wie wir und sich in ca. 25 m erst mal auf die Hinterpfoten stellte, um uns genauer zu betrachten. (Damit haben wir schon 5 x Baeren gesehen! Tom meint, ich solle das nun nicht ueberbewerten, schliesslich sind wir ja auch schon eine Weile unterwegs. Na und? Manche Leute sehen nie einen Baeren, die verstecken sich naemlich ganz gut!)

Wir erreichten das Bella Coola Tal, welches eine Verlaengerung einer Art Fjord ist, ein ganz enges Tal (ca. 400 m breit) und auf beiden Seiten Berge mit schneebedeckten Gipfeln zwischen 2.000 und 3.000 m. Mir waere das hier auf die Dauer definitiv zu eng!

Wir fanden ein sehr schoenes Bed und Breakfast im Sinclair House in Hagensborg, in das wir fuer die naechsten zwei Tage bis zu unserer Faehrenabreise am Montag einzogen. Die Besitzerin heisst Kathy und hat uns erst mal eine Menge aus ihrem Leben erzaehlt. Ihre Eltern sind gestorben, als sie noch ein Kind war und sie ist bei ihrer Tante aufgewachsen, welche mit einem Minister verheiratet war. Ihre Cousine hat dann den spaeteren Premierminister Pierre Trudot geheiratet! Als Kathys zwei Kinder noch sehr klein waren, ist ihr Mann beim Holzfaellen gestorben und sie hat nie wieder geheiratet (Anfang August kommt aber ihr deutschstaemmiger Internetfreund Herr Schulz das erste Mal zu Besuch und sie ist schon sehr aufgeregt).

Kathy ist eine leidenschaftliche Koechin und war schon ueberall in der Welt auf Kochkursen, welche sie inzwischen auch bei sich zu Hause durchfuehrt. Seit ihre Kinder aus dem Haus sind, vermietet sie an Gaeste und ist dabei sehr locker, man darf sich im gesamten Haus und Garten aufhalten und ihre Waschmaschine und Kueche benutzen „macht einfach die Schranktueren auf, dann findet ihr schon, was ihr sucht”. Erst fanden wir es etwas ungewoehnlich, aber dann dachten wir auch: was soll eigentlich passieren? Kathy bereitet fuer die Gaeste Fruehstueck zu und setzt sich dann dazu usw. Ich finde das eine clevere Idee, wie man als alleinstehende Frau ein reiches soziales Leben in den eigenen vier Waenden haben kann. Wir finden sie sehr angenehm und haben richtig Lust bekommen, oefter mal ein Privatquartier aufzusuchen, das ist viel schoener als die anonymen Hotels (haengt natuerlich vom Vermieter ab).

So, weil es lange still war, hier mal etwas ganz anderes: Die Kanadier haben das metrische Messsystem zu Beginn der 70er Jahre eingefuehrt und dennoch begegnen einem hier an jeder Ecke die Reste des imperialen (englischen bzw. amerikanischen) Masssystems. Das fuehrte zu einigen Absonderlichkeiten, wie die Ausschnitte aus einem Artikel aus dem Toronto Star vom 21.Mai 06 beweisen. Autor ist Kenneth Kidd, und er verzeihe mir die in Teilen etwas holprige Uebersetzung. Wen es nicht interessiert, der ueberspringe den ganzen folgenden langen Absatz (der Arndt schreibt immer soviel ...)

«Canada's impetrical System. Nach 35 Jahren der Vermischung des metrischen mit dem imperialen Masssystem haben wir unseren eigenen Weg erfunden, Dinge zu messen. Wenn wir die Gaenge eines Supermarktes durchwandern, finden wir Orangensaft in 1,89 L Behaeltern, oder in welchen mit 946 ml Inhalt. Oder es steht dir der Sinn nach einem anderen schicken Produkt, das in 500 ml oder eben 16,9 fl. oz. angeboten wird ... Du kannst dir das kanadische Messsystem als ein mutiertes Kind des metrischen Systems vorstellen. Wir fahren in Kilometern und kaufen den Sprit in Litern, aber uns selbst beschreiben wir noch immer in Pound, Fuss und Inches. ... Unsere [kanadische] historische Rolle hat seit jeher darin bestanden, den Amerikanern unsere Welt zu erklaeren (und gelegentlich auch umgekehrt). Wir sind daran gewoehnt, alles in zwei Sprachen zu uebersetzen. Warum also sollte es beim Messen anders sein? ... Wir haben es geschafft, einen echten kanadischen Weg zu gehen. Wir haben ein bizarres hybrides System, das wir selbst manchmal kaum verstehen. ... Die Einfuehrung des metrischen Systems vor ca. 30 Jahren schulden wir dem damaligen Premierminister Pierre Trudeau. ... Das Messsystem ist wie eine Sprache und die Sprache selbst ist Teil der Kultur. ... Die Geschwindigkeit der Umwandlung war fuer viele Kanadier zu hoch. Sicher, wir haben uns an Celcius gewoehnt, wir kaufen abgepackte Waren im metrischen System ... aber der letzte Strohhalm fuer das althergebrachte imperilae System war die Deadline fuer die Umwandlung der Waagen bis 1985. Mit der neuen Tory Regierung wurde diese Deadline gekippt. Seitdem leben wir nach der Grundregel : Metrisch wenn notwendig, aber nicht notwendigerweise metrisch. Alles in allem vielleicht etwas verwunderlich. Aber sollten wir diese metrisch imperiale Melange nicht als einen Ausdruck kultureller Vielfalt betrachten? Was bedeutet, dass es da draussen manchmal wirklich katastrophal wird - aber das muss doch gehen, in einem modernen Land, gebildet durch Immigranten aus allen Teilen der Welt!»

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