Text von Thomas ist gruen
Text von Katrin ist schwarz
Die Aktivitaeten des Mittwochs verlagerten sich auf den Abend, den Tag verbrachten wir schwitzend und lesend. Abends stand erneut eine Lavabegehung auf dem Programm. Diesmal liefen wir vom Ende des Highways 130 (das Ende wurde durch einen Lavastrom aus dem Jahr 1992 festgelegt) los. Nach einer Stunde Lavaclimbing (wir waren nun ja schon Experten) wurde es langsam heiss von unten. Ploetzlich sahen wir durch eine der Lavaspalten die Glut durchscheinen. Je dunkler es wurde, desto mehr wurden diese Glutspalten erkennbar. Ploetzlich kam Bewegung in die Sache: Eine dieser gluehenden Spalten begann, ganz gemuetlich loszufliessen! Das hatten wir nicht erwartet!
Ganz vorsichtig bewegten wir uns auf die Flut zu, es ist immer unklar, wo gerade vor kurzem Lava geschmolzen war und man haette eventuell einbrechen koennen, denn wenn sich die Aussenhaut abkuehlt, sieht man die aktiven Teile sehr schwer. Ein paar Franzosen, ausser drei anderen Leuten die einzigen mit uns hier draussen, hatten Stoecke mit und bahnten uns den Weg, bis wir ganz dicht vor der Lava standen. Sie stocherten sogar in der heissen Bruehe rum und drehten schoene Steinskulpturen an ihren Stock. Bald war es stockfinster und man sah ueberall um uns herum, wie die Felsen gluehten. Jede Menge Lavastroeme traten um uns herum aus, und wir standen mittendrin! Es war ein grosses Erlebnis, diesem Naturschauspiel so unmittelbar beiwohnen zu koennen. Noch ganz aufgedreht machten wir uns irgendwann auf den Rueckweg, ganz allein in der Dunkelheit.
Irgendwo am Horizont musste unser Auto stehen, aber ohne das gute Navigationsgeraet haetten wir wohl Schwierigkeiten gehabt, den Weg auf relativ direktem Weg zu finden. Wir waeren nicht die ersten, die sich hier verlaufen haetten. Ein Mann ist dort mal fuenf Tage allein herumgeirrt! Aber bei unserem Equipment war das kein Problem. Ja, ja! Jungenspielzeug und aehnliches musste ich mir zu dem GPS schon anhoeren! Zugegeben, meistens ist es wirklich Spielzeug - aber nun ist es gelaeutert. Da werde ich wohl ein paar Tage Ruhe vor weiteren Kommentaren haben. Nun war unser Hawaiierlebnis rundum perfekt.
Donnerstag. Aufbruch zur hoechsten Erhebung von Hawaii, dem Mauna Kea, mit 4.205 m. Zuerst ging es nach Hilo, wo wir auf die schnelle im Internet in der Bibliothek eine weitere Woche unser Auto mieteten. Vorher waren wir am Flughafen, wo wir uns erkundigten, was die direkte Verlaengerung des bestehenden Vertrages gekostet haette. Das waere wieder wegen irgendwelcher zusaetzlicher Steuern um einiges teurer geworden. Das verstehe wer will, aber ueber den Umweg ueber Deutschland klappt das immer wie am Schnuerchen. Ausserdem muss man sich dann nicht mit den vollkommen unuebersichtlichen Versicherungsmoeglichkeiten auseinandersetzen, die einem sowieso keiner hier richtig erklaeren kann.
Von Hilo sind es dann ca. 50 km ueber die sogeannte Sattelstrasse zwischen dem Mauna Loa und dem Mauna Kea. Innerhalb dieser Strecke geht es von Hilo auf Meeresniveau permanent bis auf ca. 2.000 m. Die Hochebene ist im Prinzip nichts anderes als eine riesige aufgeschuettete Lavaflaeche, entsprechend karg ist die Landschaft. Der Abzweig zum Gipfel fuehrt auf ca. 3000 m Hoehe zu einem Besucherzentrum. Hier wird man in die Geheimnisse der Astronomie eingeweiht, denn von hier ist man nur noch 8 Meilen und 1.000 Hoehenmeter von der groessten Ansammlung an High Tech Observatorien entfernt. Ich glaube nicht, dass es irgendwo sonst auf der Welt eine solche Dichte von Hochleistungsteleskopen gibt.
Neben der Aufgabe zu informieren lag der Schwerpunkt dieses Infozentrums in der Warnung vor einem der gefaehrlichsten Abenteuer auf diesem Planeten - die Weiterfahrt auf den naechsten 8 Meilen hinauf auf ca. 4.100 Hoehenmeter. Hier ein Auszug aus dem Kochbuch zur Erstellung einer wirklichen Legende (was man alles nicht sein sollte, wenn man dort hinauf will): schwanger oder unter 14 Jahren ist ganz schlecht. Schwangere 13-jaehrige koennen sich gleich erschiessen. Wer Asthma oder Kreislaufprobleme hat, steht hier auch kurz vor dem Ende seines Lebens, denn in 4.000 m Hoehe ist der Sauerstoffgehalt auf 40 Prozent des Normalgehalts gesunken. Es geht also um die Hoehenkrankenheit, die sich hauptsaechlich in Kurzatmigkeit, Herzrasen, Kopfschmerzen usw. aeusserst. Ich ueberlegte, ob man es als dummer Mensch eigentlich einfacher haben wuerde, weil weniger Hirn ja auch weniger Sauerstoff braucht ... Auf alle Faelle wird einem geraten, erstmal im Besucherzentrum mindestens eine halbe Stunde zu verbringen, damit sich der Koerper wenigstens andeutungsweise an die Hoehenluft gewoennen kann.
Katrin war vom astronomischen Infofilm nur halb begeistert, da sie der Astronomie so gar nichts abgewinnen kann. Sie nutzte die Zeit also, sich mit der Dame von der Info zu unterhalten, und dann hatten wir sehr schnell heraus, was die weiteren Gefahren waren, die vor uns lagen. Es wird dringend empfohlen die naechsten 8 Meilen nur mit einem Vierradantrieb anzugehen und der Tank sollte mindesten halb gefuellt sein, da die Anstiege zum Teil ueber 20 Prozent betragen und die ersten 4 Meilen reine Schotterstrasse sind. Beide Anforderungen erfuellten wir natuerlich nicht. Vielmehr hatten wir laut Tankanzeige weniger als ein Viertel und eine berechnete Restreichweite von 110 Meilen. Katrin sah (glaube ich) schon Licht am Ende des Tunnels, vielleicht ist es besser, wenn wir hier die Kurve kratzen? Kein Kommentar.
Ich befand mich eher in dem „Wurst vor der Nase” Dilemma. So nah dran und jetzt zurueck? Ich fuehlte mich gut, der Sprit war zugegeben etwas knapp, zumal auch dem Motor hier in dieser Hoehe der Sauerstoff fehlen wuerde (obwohl der Motor ein sehr kleines Gehirn hat...), aber die Piste war doch mindestens einen Versuch wert, und nicht empfohlen heisst ja nicht verboten. So machte ich mit Katrin einen Deal. Wir versuchen erstmal bis zur Meile 4 (von 8) zu kommen, drehen aber spaetestens, wenn die Restdistanzanzeige unter 60 Meilen anzeigt. Zurueck ging es bis Hilo eh nur abwaerts, was sollte also gross passieren? Also los. Relativ schnell erreichten wir Meile 4 (teilweise war es wirklich steil, aber die Schotterstrasse war in einem prima Zustand). Ehrlich, es haette mich auch ueberrascht, wenn die ihr Millionen teures Equipment hier ueber enge, unpassierbare Wege auf den Berg schleppen. Ab Meile vier bis Meile acht faehrt man dann ploetzlich wieder auf einer wunderbaren, asphaltierten Strasse. Meine Theorie ist, dass man einfach versucht, die Leute weiter unten abzufangen, ehe der Bergauftourismus ueberhand nimmt. Auf dem Gipfel angekommen hatten wir dann noch Sprit fuer 85 Meilen, oder zumindestens glaubten wir das.
Wir hatten es endlich ueber die Wolken geschafft, und der Anblick, der sich bot, war ueberwaeltigend. Wie auf einer Pilzfarm schiessen hier die Teleskope der verschiedensten Nationen und technischen Grundprinzipien (optisch, Radio, Einzelteleskop, synchronisierte Verbundsysteme ... mir ist langweilig! Ignorant, jawohl!) aus dem kargen Boden. Es war absolut klar dort oben, wie uebrigens an 80 Prozent aller Tage, der Himmel hatte eine tiefdunkle blaue Farbe und die Temperatur lag nur noch bei ca. 11 Grad.
Auf dem Parkplatz stand ein Jeep mit einem Ranger, der sich, nachdem wir schon ein paar Minuten dort oben standen, in unsere Richtung bewegte. Dann ergab sich der folgende Dialog. Ranger: Habt ihr am Infozentrum gehalten? Katrin: Ja. Ranger: Habt ihr die Informationen gelesen? Tom: Ja. Ranger: Es stehen da doch grosse Schilder, dass es nicht empfohlen wird, mit solch einem Wagen hier hochzufahren. Tom: Ja, es wird nicht EMPFOHLEN. Ranger mit muedem Blick: Ihr werdet bei der Runterfahrt schon sehen. Tom: Wir werden ueberleben. Ranger tritt von der Buehne, d. h. er faehrt mit seinem Auto ca. 100 m weiter zur naechsten Sternwarte und stellt sich auf den naechsten Parkplatz. Vermutlich hatte er einen schlechten Tag oder schon total viel Mist hier oben erlebt. Ich meine, selbst bei vielleicht berechtigter Kritik, was hilft es, wenn jemand ein Auto nach oben gebracht hat zu sagen, dass das nicht empfohlen wird? Aber vielleicht ist das auch Dialektik?
Leider bekam Katrin die duenne Luft tatsaechlich nicht ganz so gut. Sie fuehlte sich ein wenig dueselig und blieb lieber im Auto sitzen, waehrend ich mich mit der Kamera 10 Minuten auf den Weg machte. Das war wirklich kein Boykott von mir, aber nachdem ich mir bereitwillig die Wanderschuhe angezogen hatte, waere ich beim Wiederhochkommen fast umgekippt. Im Auto wollte ich lesen, um die Zeit zu ueberbruecken, konnte aber gar nichts vom Geschriebenen kapieren, irgendwie grenzdebil. Ich waere gerne viel laenger an diesem absolut faszinierenden Ort geblieben, aber ich wollte Katrin nicht solange hier herumsitzen lassen, und so ging es ziemlich flott wieder zurueck.
Die Tankanzeige hatte jetzt allerdings beschlossen, unsere 85 Meilen auf ca. Null schrumpfen zu lassen. Hmm, vielleicht haette ich vorhin zum Ranger nicht so eine grosse Klappe haben sollen? Vielleicht brauchen wir noch seine Hilfe? (ich beschloss, dann einfach Katrin vorzuschicken, um die Situation zu entkrampfen.) Beim Weg zurueck philosphierten wir lange und ausfeuhrlich ueber den Unsinn dieser Tankanzeige und freuten uns insgeheim ueber jeden Meter, den wir bei laufendem Motor schafften. Die Fahrt runter war keinen Deut schlimmer als die Fahrt hoch, man schaltet die Automatik in den ersten Gang und die Sache ist geritzt. Kleiner Gruss an den Ranger: wir sind schon andere Wege mit solchen Autos gefahren!
Eine seltsame Reaktion auf die Hoehe zeigten auch unsere Nieren. Obwohl wir im Besucherzentrum noch auf dem Klo waren, mussten wir nach 10 Minuten da oben derartig noetig pi..., dass uns bald die Blase geplatzt waere. Scheint ein uebliches Problem zu sein, denn am Gipfelparkplatz standen etliche Dixie-Klos. Da wir Herrn Dixie nicht so moegen, fuhren wir mit Druck zum Besucherzentrum zurueck. Wenn schon ein leerer Tank, dann wenigstens eine volle Blase!
Die restlichen 35 Meilen bis Hilo rollten wir mehr oder minder mit Motorbremse und leicht aufgeregt von 3.000 auf 50 Hoehenmeter hinab. An der Tankstelle beglueckwuenschten wir uns dann und fanden uns sehr cool. Tja, als Ueberlebender laesst es ich dann gern ueber derartige Abenteuer berichten... Waere aber bestimmt auch schoen geworden, mit einem Kanister Sprit durch die Vulkane zu trampen...
Wer glaubt, ich hatte nun die Nase voll? Um 6 machte ich mich nochmals auf zu den Lavafeldern. Diesmal jedoch alleine. Mir war das zu viel, den dritten Tag hintereinander. Obwohl, gereizt haette es mich schon... Ich wollte diesmal ein gutes Stueck weiter. Ziel war der Hang, an dem wir am Vortag aus der Ferne grosse Mengen gluehende Lava gesehen hatten. Die ganze Tour war dann eher ein Flopp. Obwohl ich ueber 4 km gelaufen bin, kam ich vor der Dunkelheit nicht mehr nahe genug heran. Ich war sehr froh, dass ich nichts wesentliches verpasst hatte. Ausserdem begann das Gestein unter mir doch recht warm zu werden. In der einen oder anderen Spalte gluehte es wieder vor sich hin. Das Lavafeld wurde zudem hier richtig ruppig. So sollte ausnahmsweise die Vernunft siegen und die 4 km zurueck mit zwei Taschenlampen in der Hand mussten ja auch noch bewaeltigt werden. Ohne Schramme, aber gut durchgeschwitzt fand ich das Auto wieder (Danke Jungs fuer das GPS!) - ein aufregender Tag ging zu Ende.
Freitag und schon wieder Bettenwechsel. Dieser staendige Reisetrubel... Im Ernst, wir freuten uns darauf, nun auch noch den Westteil von Big Island kennenzulernen. Zwar haetten wir gerne noch die eine oder andere „Lavatour” gemacht, aber auf der anderen Seite hatten wir inzwischen doch auch richtig Sehnsucht nach einem schoenen Strand und entspanntem Badevergnuegen. Hoffentlich wuerde uns das im Westen der Insel gelingen. Petra hatte uns den Tip gegeben, es doch mal beim Beautiful Edge of the World- Bed and Brekfast zu versuchen. Besitzer Dr. Kurt Weigelt. Aha, sowohl der Name des B&B als auch der Name des Besitzers machten uns neugierig, und so buchten wir ungesehen eine weitere Woche auf Big Island.
Bei Petra waren zwischenzeitlich zwei Frauen aus San Francisco untergekommen, die genau eine Woche Zeit hatten, Hawaii zu besuchen. Nach zwei Naechten mussten die beiden schon weiter zur naechsten Unterkunft. Keine Zeit, um noch einmal auf das Lavafeld zu gehen. Keine Zeit? Wir Gluecklichen! Wir erinnern uns dunkel So dunkel finde ich das aber nicht! an diese AndereZeit, die Spirale der Zeitgeschwindigkeit, und ohne Spott (wir wissen selbst, dass uns all dies bald wieder einholen wird) sahen wir die beiden an uns vorbeirauschen und zum naechsten Abenteuer spurten. Schade eigentlich, zwei nette Menschen getroffen und schwupp, schon sind sie wieder weg.
Die Fahrt gen Westen fuehrte uns nochmals am Volcano National Park vorbei. Leider war es wolkig, die Fahrt zu einem Aussichtspunkt in ca. 2000 m Hoehe haetten wir uns auch klemmen koennen. Wir konnten ca. 200 m weit schauen. Immerhin, einen Versuch war es wert, haette ja sein koennen, dass wir es ueber die Wolkendecke schaffen. Da oben ist aber ein Vogelschutzgebiet, und wir sahen ganz schoene Voegel, u.a. eine grosse Eule. Vorbei ging es am Most Southern Point der USA. Dieser Punkt wurde uns bereits einmal in Key West in Florida verkauft. Wahrscheinlich war es diesmal der suedlichstichste! Wir haben uns die 12 Meilen zum most southern point einfach geklemmt - ist ja auch nur eine Kueste, von der aus man auf das weite Meer schauen kann. Ausserdem waren wir heute schon wieder fast 300 km gefahren, das schlaucht auf den kurvenreichen Strassen auch ganz schoen. Aber es kann gern mal ein bisschen schlauchen, wenn ein Weg so genial an der Kueste entlangfuehrt.
Unser neue Wahlheimat fuer eine Woche liegt im Prinzip an Kraterrand eines uralten Vulkans. Das Bed & Breakfast, mit dem verheissungsvollen Namen Beautiful Edge of the World (Schoener Rand (oder Ende) der Welt) traegt diesen zu recht. In ca. 350 m Hoehe und Luftlinie nur ca. 2 km entfernt vom Meer haben wir einen herrlichen Ausblick. Zum Grundstueck gehoert eine Kaffee- und Nussbaumplantage, durch die nachts die Wildschweine hindurchtoben. Wir wurden sehr warmherzig von Dr. Kurt Weigelt empfangen. Er ist kein Deutscher, auch wenn der Name diese Vermutung sehr nahe legt. Was es genau mit ihm auf sich hat - um das in Erfahrung zu bringen, bleibt uns eine ganze Woche.