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Text von Thomas ist gruen

Text von Katrin ist schwarz

Ort [Captain Cook - Kihei] Datum [30.08.06-02.09.06] Reisetag [115 - 118] Temp. [ca.28]
43. Hoch hinaus

Mittwoch war es endlich soweit. Jetzt hatte ich solange die Fuesse stillgehalten, aber die Vulkane riefen mich. Das Ziel: Mauna Loa, zweithoechste Erhebung von Hawaii. Es gibt verschiedene Trails zu dem Krater, einige davon schafft man nur mit Uebernachtung in zwei einfachen Huetten. Ich hatte mich fuer die „Ein Tag - volle Droehnung„ Variante entschieden. Von unserer zeitweiligen Heimat in Captain Cook bis zum Ausgangspunkt der Wanderung waren drei Stunden Fahrt notwendig. Da Bergsteiger grundsaetzlich frueh aufstehen und ich selbst der morgendlichen Daemmerung immer wieder einiges abgewinnen kann, ging es schon um 4:15 los.

Katrin fand die gesamte Idee nicht so berauschend. Ich alleine auf dem Berg, in dieser Hoehe und was da alles passieren kann. Womit sie recht hat, aber da nicht hochzugehen, haette noch wochenlang in mir gebrodelt. Es wurde nicht unbedingt dadurch besser, dass wir beide im Buchladen einen Wanderfuehrer zu Rate gezogen hatten. Dieser bestand im wesentlichen aus einer Aneinanderreihung von Warnungen, und der Weg wurde vom Schwierigkeitsgrad als extrem bezeichnet. Am liebsten haette ich die Seite rausgerissen, bevor sie Katrin in die Haende bekommen hatte. Die Wegebeschreibung war dann auch extrem ...simpel. Folge den Steintuermchen. Ich war sehr gespannt, wie das ganze abgeht und auf der langen Fahrt ueber die Sattelstrasse und die Zufahrtspiste hinauf zur Wetterstation in einer Hoehe von 3300 m pumpte ich mich schon reichlich mit Fluessigkeit und Essen voll. Es wuerde ein langer Tag werden, soviel stand fest.

Um 7:30 (leider eine Stunde spaeter als gewollt), mit mehreren Litern Wasser und Cola, reichlich Schoko- und Muesliriegel, der Kamera und Toennchen als Wegbegleiter im Rucksack, ging es dann endlich los. Die Temperaturen lagen um die 23 Grad, trotzdem hatte ich mich fuer lange Hose und Jacke entschieden. Weiter oben koennte es empfindlich kalt werden. Zum ersten Ziel, dem Kraterbecken des Mauna Loa, waren es ueberschaubare 6,6 km und auf diesem Stueck ueberwindet man auch das Gros des Anstieges (ca. 700 m). Der Weg fuehrt, wie koennte es anders sein, ueber diverse erstarrte Lavafelder, teilweise ueber die sehr unangenehme Broeckchenlava. Hierauf laeuft es sich wie auf einem Kiesberg, nur dass der Kies einen Durchmesser von ein paar Zentimetern hat und zudem ziemlich scharfkantig ist. Am spannendsten ist die Frage, wie der Koerper auf die ploetzliche Hoehenluft reagiert. Wer hier Probleme bekommt, sollte lieber kehrt machen - man tut sich keinen Gefallen, wenn man auf Grund des Sauerstoffmangels Gleichgewichtsstoerungen oder aehnliches bekommt.

Nicht unterschaetzen sollte man die intensive Sonneneinstrahlung. Ich war mit mehrfach aufgetragenem Sonnenschutzfaktor 50 gestartet und hatte am Abend trotzdem eine rote Birne. Und Kopfbedeckung nicht vergessen (hatte ich natuerlich vergessen). Wofuer das alles? Es ist faszinierend, ueber den Wolken langzugehen, den Mauna Koa mit all den Sternwarten in der Ferne zu sehen, langsam dessen Gipfelniveau zu erreichen. Der Weg fuehrt ueber tiefe Eruptionsspalten und kleine Lavaschlote, die aussehen, als waeren sie gerade frisch mit Rostschutzfarbe gestrichen worden. Und die unglaubliche Stille. Kein Auto in der Ferne, kein Tier, kein Vogel, nicht einmal der Wind erzeugt hier ein Geraeusch. Hier wird einem klar, warum Menschen solche Orte als heilig empfinden, sich in der Naehe eines hoeheren Wesens glauben. Das einzige Geraeusch ist das eigene Herz und das Blut, das durch den Kopf rauscht.

Gluecklicherweise verkraftete ich den Sauerstoffmangel ganz gut. Ich fuehlte mich zeitweilig leicht benebelt, aber mit einem Puls unter 120 und mit ein paar tiefen Atemzuegen ging es doch stetig voran. Der Kraterrand auf ca. 4.000 m Hoehe war so schon nach 2 1/2 Std. erreicht und vom Uebermut, der Schoenheit der Landschaft, zwei Schokoriegeln und vermutlich fehlendem Sauerstoff im Hirn ueberwaeltigt, musste jetzt noch der eigentlich Gipfel am westlichen Kraterrand in Angriff genommen werden. Gegen 12 Uhr, weitere 5 km spaeter, war das Ziel in 4.170 m erreicht. Der ganze Krater mit ein paar Kilometern Durchmesser liegt hier vor einem ausgebreitet, der Himmel ist in ein tiefes Blau getaucht und das (Rest-)Hirn bereits mit dem Rueckweg beschaeftig. 11,5 km zurueck. Das sind dann am Ende insgesamt 23 km. Seid ihr schon jemals 23 km gewandert? Und das noch zum grossen Teil in einer Hoehe von 4000 m? Machen wir es kurz. Ich habe es geschafft und ich bin stolz drauf. Ich verstehe jeden, der sagt „der hat eine Klatsche - was soll das?”. Insgesamt war ich 8 Stunden unterwegs, merkte bereits, dass die Beine die naechsten Tage eher bleischwer sein wuerden und heilfroh, am Ende endlich wieder zu Hause zu sein.

Dort wurde ich freudig von der erleichterten Katrin empfangen. Nach einer Dusche schmiss ich mich nur noch auf das Bett, hatte einen leichten Brummschaedel und bekam bis 38,5 Fieber. Katrin tippt auf Ueberanstrengung, ich eher auf Sonnenstich; richtig ist wahrscheinlich beides. Aber waehrend der Nacht verschwand das Fieber dann auch gleich wieder. Nun denn, irgendwo hier liegt mein derzeitiges koerperliches Limit. Ob ich es wieder tun wuerde? Katrin befuerchtet ja, und ich glaube sie hat recht.

Waehrend Tom sich abplagte, hatte ich einen Haushaltstag ohne Haushalt. Und ohne Auto, was mich in dem abgelegenen Bed+Breakfast ans Haus fesselte. Ich beschaeftigte mich mit Emails und Lesen und versuchte, mir nicht allzu viele Sorgen zu machen. Die Wirtsleute waren leider sehr kontaktscheu Wir haben also das wirkliche Geheimnis von Dr. Kurt Weigelt nicht ergruenden koennen. Wir haben den Eindruck gewonnen, dass er sich der Welt lieber schreibend mitteilt und dabei auch einen sehr anregenden Stil pflegt. Er haette genug zu erzaehlen gehabt, aber er freute sich wohl mehr ueber die einfache Anwesenheit von Menschen in seinem schoenen Haus. Vielleicht stand z. Zt. auch einfach seine eigene Familie mehr im Mittelpunkt, nur das Baby hatte mich inzwischen scheinbar ins Herz geschlossen. Entsprechend froh war ich, als der ueberheizte Tom am Abend endlich zurueckkehrte. Aber da ich gerade den Alchimisten gelesen hatte, wusste ich, dass eine Frau den Mann manchmal ziehen lassen muss, und ich stellte meine Frauenbesorgnisse hinten an. Obwohl ich es keine sehr beruhigende Vorstellung fand, den Tom dort oben mutterseelenallein in dieser unwirtlichen Hoehe entlangziehen zu wissen.

Am Donnerstag musste sich der Wanderer erst einmal erholen, und so liessen wir es ruhig angehen. Ein bisschen Internet in der Bibliothek, etwas schmoekern im Buchladen. Ein Besuch des alten Dorfes Honokohau war das touristische Highlight des Tages. Im oertlichen Postamt versuchten wir, unsere immer noch nicht eingetroffene DVD Sendung aus Deutschland, die mit grosser Verspaetung in Kanada eingetroffen war und inzwischen nach Honolulu unterwegs war, ein weiteres Mal umzuleiten. Mal sehen, ob wir dieses gute Stueck noch vor Neuseeland in den Haenden halten werden… Abends assen wir wieder in unserem Stammmexikaner, wo man sich so wunderbar mit Trivial Pursuitkarten die Zeit vertreiben kann. Das Ganze auf Englisch und mit amerikanischen Themen ist ziemlich anspruchsvoll, leider habe ich mal wieder, wenn auch knapp, verloren.

Nach zwei schoenen Wochen auf der spannenden Big Island ging es nun am Freitag auf die vierte Insel nach Maui. Am Flughafen hatten wir die Ehre, fuer eine besonders intensive Durchsuchung unseres Handgepaecks ausgesucht zu werden. Mit unseren vielen technischen Geraeten war das wenigstens mal eine richtige Aufgabe fuer das Sicherheitspersonal und dauerte seine Zeit. Der Flughafen von Kona ist komplett offen, sehr luftig und vor allem sehr laut. Nicht gerade der Traumarbeitsplatz, ich wuerde dort eine Macke bekommen.

In Kihei hatten wir eine Wohnung gemietet und die nagelneue und gut ausgestattete Kueche erfreute mich sehr nach vier Wochen Restaurantessen. Unsere (britische) Vermieterin war in ihrem ersten Leben wohl mal Knastaufseherin und Buchhalterin und zaehlte erst mal endlos die Verhaltensmassregeln auf. Es tat uns fast ein bisschen Leid, ihr wertvolles Eigentum zu benutzen. Endlich, endlich wieder konnten wir an einem weissen Sandstrand ganz dicht am Haus baden. Es wehte ein strammer Wind und die Gischt fegte uns ins Gesicht. Extra fuer uns hatte man in der Naehe einen spektakulaeren Waldbrand inszeniert, den wir zunaechst fuer aktive Lava hielten (wir waren wohl etwas zu lange auf den Vulkanen unterwegs gewesen). Abends gab es selbstgekochtes Essen und zum Nachtisch sahen wir Die Gebrueder Grimm auf DVD, was aber ein sehr seltsamer Film war und wir pennten beide ein.

Am Samstag machten wir erstmal einen Heimvormittag mit Internet, Zeitunglesen und viel Telefonieren, weil wir endlich mal wieder ein vernuenftiges, eigenes Telefon hatten, was ich sogleich extensiv ausnutzte. Natuerlich mussten wir wieder ausfuehrlich baden gehen. Leider versagte unser neues Sonnenschutzspray, so dass ich nach drei Stunden im Wasser schoen dunkelrot eingefaerbt war.

Beim Baden in den wilden Wellen, gab es den „Vorbeiflug” zweier Rochen (oder Mantas - keine Ahnung , wo der eigentliche Unterschied liegt) zu bewundern. Im ersten Augenblick dachten wir, dass der Strand von kleinen Haien heimgesucht wird, aber die Finnen, die aus dem Wasser schauten, waren die an den „Fluegelenden” der Rochen. Zur Vorsicht gingen wir lieber mal aus dem Wasser - man weiss ja nie, was hier in den Topf gut oder boese gehoert.

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