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Text von Thomas ist gruen

Text von Katrin ist schwarz

Ort [Kailua - Auckland] Datum [11.09.06-13.09.06] Reisetag [127 - 129] Temp. [ca.18]
46. Alles steht auf dem Kopf

Sonntag oder Montag? Heute sollte also der Tag werden, an dem alle unsere Vorstellungen vom Leben auf der Suedhalbkugel einem wirklichen Test unterzogen werden. Unser Flug dauerte 8,5 Std. und wer immer noch glaubt, dass Neuseeland gleich um die Ecke liegt, bekommt spaetestens auf diesem 7.000 km Flug von Hawaii den Gegenbeweis geliefert. Vor allem fliegt man ueber nichts als Wasser. Wir ueberquerten ziemlich genau den Kreuzungspunkt des Aequators mit der Datumsgrenze. Das konnte nicht ohne Konsequenzen bleiben…

Zuerst machte das Flugzeug eine elegante und kaum merkliche 180 Grad Rolle - ab jetzt ging es im Rueckenflug weiter. Auf diese Weise wurde man fruehzeitg auf die bevorstehende „Mit dem Kopf nach unten haengend” Phase auf der Suedhalbkugel vorbereitet. Nicht auszudenken, wenn einem erst in Auckland ploetzlich das Blut in den Kopf schiessen wuerde. Fast sofort nach diesem gravierenden Schritt wurde uns ein ganzer Tag geklaut. War das ein ploetzliches Hungergefuehl in der Magengrube - solange nichts gegessen! Und ihr haettet mal die Leute sehen sollen, wie sie ploetzlich alle zur Toilette mussten! Wir wussten jetzt endlich, warum in den hinteren Reihen vier zusaetzliche Dixiklos installiert waren. Interessant ist nun die folgende Frage: Man fliegt ein einziges mal in seinem Leben von Osten nach Westen ueber die Datumsgrenze. Verliert man hierdurch einen Tag seiner Lebenszeit? Ausserdem waren wir im Flugzeug eine Weile mit der Frage beschaeftigt: Wie spaet ist es jetzt eigentlich in Deutschland? Wie auch immer, in Auckland angekommen war es per Definition Montag nachmittag und zu unserem Erstaunen zwar kuehl, aber nicht unangenehm kalt.

Die Stewardessen sind natuerlich auch arm dran, mal auf dem Kopf - mal auf den Beinen, und das immer im Wechsel. Dass sie ganz verwirrt waren, merkten wir auch beim Verteilen der Zeitung. Wir stiegen Sonntag frueh in den Flieger und erspaehten die Sonntagszeitung. Sagt die Stewardess: Sorry, das ist leider nur die Zeitung von gestern! Haeh? Die Zeitung von heute war also die Zeitung von gestern, das heisst die Zeitung von morgen waere die Zeitung von heute. Bedeutet das, dass die Neuseelaender immer alles einen Tag frueher als der Rest der Welt erfahren?

Die Einreise war unkompliziert, zwar erzeugten wir mal wieder einen gewissen Neid mit unserer Angabe: Dauer des Aufenthalts 3 Monate, Zweck der Reise Tourismus, und wir mussten unsere Weiterflugtickets zeigen, aber nach 2 Minuten waren wir dann willkommen. Neuseeland stellt bei der Einreise nicht diese unsinnigen US - Fragen, ob man jemals Mitglied einer kommunistischen Partei war oder jemals Drogen konsumiert hat (ega was wirklich war - immer mit nein antworten!), sondern konzentriert sich auf den Schutz vor eingeschleppten Nahrungsmitteln und Tieren. So wurde unser Zelt als potenzielles „verkeimtes” Risikoobjekt identifiziert. Wir mussten es zum Biolabor abgeben, und nach ein paar Minuten bekamen wir es mit dem Kommentar „nice and clean” wieder zurueck. Zum Glueck hatten die nicht unsere Wanderschuhe ausgewaehlt, da waeren wir bestimmt als Biowaffentraeger entlarvt worden...

Nun ging es zum naechsten Abenteuerschalter - die Autoanmietung. Den Voucher hatten wir wie immer nicht ausgedruckt, aber alles kein Problem. Erst wurde Katrin hinter den Schalter gebeten - Sie koennen hier ja mal ins Internet und ihre Mailbestaetigung pruefen. Die Mail war schon runter vom Server, aber mit dem USB Stick bewaffnet durfte ich dann auch hinter den Schalter und den Voucher ausdrucken. Locker und unkompliziert - die AVIS Schlampe in Honolulu haette sich im Grabe herumgedreht. Das eigentliche Abenteuer begann auf dem Parkplatz beim Einsteigen in den Mietwagen. Nicht nur, dass das Ueberkopfeinsteigen dem ungeuebten einige Muehe bereitet - nein, zu allem Ueberfluss wird das Lenkrad hier rechts montiert - was wiederum, wenn man auf dem Kopf steht, ja eigentlich links ist - haeh? Egal, hier faehrt man auf der falschen Seite (wer sagt eigentlich, dass die rechte Seite die richtige ist? Ein weiterer Beweis fuer die Alles-ist-relativ Theorie) und das Los der ersten Fahrt zu unserem Hotel Downtown fiel auf Katrin.

Hilfe, Linksverkehr! Das einzige Mal links bin ich vor zig Jahren in England gefahren, und das auch nur ganz kurz. Mit wurde schnell klar, dass kein kanadischer Grizzly so gefaehrlich sein kann wie dieser Verkehr. Thomas dirigierte mich die 20 km durch die Strassen, so dass ich mich wie ein Fahranfaenger auf das eigentliche Fahren konzentrieren konnte. Ich kam ganz schoen ins Schwitzen; meine Lieblingsaktion ist das Abbiegen nach rechts… Und der Linksverkehr bleibt uns ab jetzt in allen kommenden Reiselaendern erhalten. Bloeder britischer Kolonialisierungswahn! Machen die halbe Welt verrueckt!

Zwischendurch hatte ich allerdings auch schon ein paar lockere Momente, in denen ich meinen starren Blick mal vom Lenkrad weg auf die Landschaft richten konnte. Nach Hawaii der totale Kulturschock: Kein Laub an den Baeumen! Ja, hier herrscht noch der kalendarische Winter! Wir hatten vergleichsweise den 11. Maerz, was sich dadurch bestaetigte, dass ueberall die Tulpen und Osterglocken bluehten. Da haben wir also auch bald Ostern, oder? Da ist es aber praktisch, dass man auf dem Kopf steht, da kann man die Eier bestimmt besser finden. Die fallen doch aber aus den Nestern.

Fuer unsere ersten Neuseelandtage haben wir uns ein bissel Luxus gegoennt und sind im Langham Hotel in Auckland abgestiegen. Fuer nur 190 NZD (knapp 100 Euro) lebten wir First class - man goennt sich ja sonst nichts. Nun ging es darum, unser Auto loszuwerden. Zum Glueck bekamen wir einen Sondertarif im Parkhaus. Schon am naechsten Tag wurde uns bewusst, dass wir uns das Auto fuer die erste Aucklandwoche locker haetten schenken koennen, zum Stadtzentrum sind es nur 10 min zu Fuss. Na ja, das Geld muss weg. Ich sage immer: Eine der groessten Formen von Luxus ist es, sich teuer ein Auto zu leihen und es dann die ganze Zeit nicht zu benutzen.

Am Dienstag stuerzten wir uns mit Vollgas (und zu Fuss) in das Grossstadtleben von Auckland, das wir nach der hawaiianischen Natur pur sehr genossen. In Auckland leben 1,3 Mio. der insgesamt 3.8 Mio Neuseelaender. Wir freuten uns besonders ueber die grosse Anzahl junger Menschen (durch die Uni in unmittelbarer Hotelnaehe). Erstaunt hat uns auch hier wieder die extrem hohe Anzahl von Asiaten im Strassenbild. Aehnlich wie in Vancouver glaubt man sich an vielen Ecken eher in Hongkong als im ansonsten zutiefst britischen Neuseeland. Spaetestens hier ist mir klar geworden, dass die Asiaten die Welt ueberrennen und Westeuropa (noch) eine der letzten Bastionen gegen diesen Strom zu sein scheint. Noch... Das extreme an dieser massiven Anzahl an Asiaten ist es, dass sie ueber grosse Teile der Innenstadt die Herrschaft uebernommen haben. So breitet sich der chinesische Lifestyle allmaehlich im Stadtzentrum aus, unzaehlige China-, Korea-, Japanrestaurants und Laeden, ueberall chinesische Schriftzeichen, oft werden englische Beschriftungen einfach weggelassen.

Einen guten Ueberblick verschafften wir uns zunaechst vom Fernsehturm. Der Skytower ist mit 328 m das hoechste Gebaeude der suedlichen Hemisphaere. Die Aussichtsetage befindet sich in 220 m Hoehe. Naja, nach dem CN Tower in Toronto etwas fipselig. Aber man konnte schoen erkennen, dass Auckland von sehr viel Wasser umgeben ist, und man sieht einige der 48 erloschenen Vulkane, die als gruene Pickel aus der Zivilisation herausragen. Auch hier gab es wieder Glasfussboeden zum Pseudomutigsein, allerdings machen die richtig Mutigen hier etwas ganz anderes: Sie springen aus 192 m Hoehe vom Turm! Wir konnten einige dieser Verrueckten bewundern, absolut crazy! Allerdings ist es auch nur so eine halbcoole Aktion, denn man wird am gefuehrten Seil herabgelassen und schleudert nicht wie bei Bungee wieder hoch. Naja, ich waere jedenfalls nicht mal halbcool. Der ganze Spass kostet zudem gleich 190 NZD. So viel Geld fuer einmal die Hosen voll - Ich weiss ja nicht.

Vorm Fernsehturm hielt gerade ein Gratisshuttle zu Kelly Tarlton's Antarctic Encounter and Underwaterworld. Was fuer ein Name! Dahinter verbirgt sich ein grosses Aquarium mit Haien und Rochen (mit einem albernen und noch dazu eklig quietschenden Laufband, als ob man da nicht einfach langlaufen koennte), eine Fahrt in einem „Schneemobil” entlang einer Pinguinkolonie (allerdings Indoor und ziemlich schnell vorbei) sowie der Nachbau des Lagers von Robert F. Scotts Suedpolexpedition von 1911. In dieser interessanten Ausstellung wurde mir ploetzlich klar, dass wir uns ziemlich dicht am Suedpol befinden, auch das eine voellig neue Perspektive.

Am Mittwoch frueh brachte uns ein Telefonat mit der Heimat schlechte Nachrichten, mein Lieblingsonkel ist schwer erkrankt. Unsere Befuerchtungen sind leider wahr geworden: wir sind am anderen Ende der Welt, wenn etwas schlimmes mit der Familie passiert. Wenigstens erlaubten uns die auch hier guenstigen Oversea Telefonkarten, in den folgenden Tagen stundenlange Telefonate zu fuehren, was trotz der Entfernung eine gewisse Naehe erzeugen kann. Umarmen kann man sich allerdings nicht. Diese furchtbaren und ploetzlichen Ereignisse ueberschatteten natuerlich unsere naechsten Tage und unsere (Entdecker)Freude erhielt einen Daempfer. So haben wir am Mittwoch auch nichts grosses unternommen, das Highlight des Tages bestand aus einem Luxusbuffet in unserem Hotel, bei dem wir mittags unsere erste Mahlzeit des Tages einnahmen, die so lecker und ueppig war, dass wir auch gleich noch das Abendessen wegliessen.

Immerhin haben wir es geschafft, die letzten Fotos von Hawaii zu beschriften und fuer das Internet vorzubereiten. Nach einer halben Stunde im muchtigen Internetcafe, das es hier fast an jeder Ecke gibt, war der Spass dann auch auf den Server transferiert.

Abends begab ich mich fuer 2,5 Stunden in ein weiteres Internetcafe, um ein neues Domizil zu finden und ein bisschen fuer die Suedafrikatour zu recherchieren. Eine verrueckte Atmosphaere in so einem Internetstuetzpunkt, dicht an dicht sitzen jede Menge Leute, haemmern in den verschiedensten Sprachen auf die Tastaturen ein, es ist unglaublich muffig und stickig. Keiner redet, alle glotzen in irgendwelche Kaesten. Seltsame Entwicklung unserer Kommunikation! Neben mir sass ein Typ so Anfang 20, der mit einem Maedel chattete (habe etwas gelunst) und dabei in einer utopischen Geschwindigkeit die Texte reinhaute, aber als sie begannen, parallel zu telefonieren, da hat er nur noch gegrunzt und gestammelt wie ein Hirni, absolut beknackt! Lag wahrscheinlich daran, dass er gleichzeitig noch weiterlesen musste, um bloss ja nichts im Chatroom zu verpassen - ziemlich degeneriert.

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