Foto des Tages
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Text von Thomas ist gruen

Text von Katrin ist schwarz

Ort [Wellington - Nelson] Datum [28.09.06-01.10.06] Reisetag [144 - 147] Temp. [ca.16]
51. Gross- und Kleinstadtleben

Auch am Donnerstag streiften wir durch Wellington. Mit der Cable Car kann man fuer 1,80 NZD pro Person mitten aus einer der Einkaufstrassen hinaus auf einen der die Innenstadt begrenzenden Berge hinauffahren. Von oben hat man einen schoenen Blick ueber die Bucht und den Hafen. Hinunter sind wir zu Fuss gegangen, vorbei am Botanischen Garten (Pflanzen-Tom hatte wie immer keine Lust zu einem Besuch). „Sie” hatte selber keine Lust. Hauptsache, ich werde als Pflanzentoelpel dargestellt. Inzwischen kann ich schon locker eine Birke von einer Fichte unterscheiden! Es geht teilweise ziemlich steil hinunter. Noch bedauernswerter waren die Leute, die uns entgegenkamen, die schnauften ganz schoen beim Aufstieg. Der Weg fuehrte an historisch wertvollen Friedhoefen vorbei, fruehe christliche Graeber reichen hier so bis 1850 zurueck, davor gab es ja nur Maorigraeber.

Das Parlament von Neuseeland ist ein ganz seltsames Gebilde, bestehend aus einem schoenen alten Gebaeude und einem um so haesslicheren Anbau. Ich fand, er sieht aus wie eine misslungene, depressive Hochzeitstorte. Mich erinnerte der Bau eher an Darstellungen des Turmbaus zu Babel. Wir haetten gern an einer der Regierungssitzungen teilgenommen, da geht es ja in diesen britisch-inspirierten Parlamenten zum Teil schoen heftig zu, aber leider waren gerade Schul- und damit auch Parlamentsferien.

So beschlossen wir, uns noch einmal der deutschen Politik zuzuwenden und gingen erneut in die Bibliothek, um den Rest vom Spiegel durchzulesen. Als Nichtwerktaetige kann man den Spiegel endlich mal schaffen, der ist wirklich unnormal dick. Als Abendbrot gab es diesmal malaysisch, wir assen Laksa, das einzige Gericht, was ich von dieser Kueche kenne. Irgendwie waren wir aber noch nicht so hundertprozentig vollgestopft und hatten beide grossen Appetit auf Kuchen. Wir inspizierten diverse Cafes, aber um diese Uhrzeit waren die schon alle ausgeraubt. Wir landeten dann erneut im Te Papa Museum und dort zunaechst im Cafe, wo wir uns die groessten Schokoladenkuchenstuecke geben liessen, die da waren. Anschliessend war uns dann endlich schlecht.

Waehrend Tom seine neue obsessive Leidenschaft, die Fotografie, pflegte, schaute ich mir Ausstellungen ueber die Immigration an (ich sag mal so: die goldenen Zeiten scheinen vorbei zu sein...) sowie ueber das Schafswesen, also wesentliche Aspekte des heutigen Neuseelands. Diesmal habe ich wenigstens nichts ganz so schreckliches gesehen wie bei unserem ersten Besuch, als wir im Kinderanimationsbereich gelandet waren und eine Angestellte einer Dreijaehrigen alle neuseelaendischen Spinnenarten in Acryl gegossen vorfuehrte. Das Kind war cool und interessiert, ich dagegen einer Ohnmacht nahe; es gibt hier riesige Spinnen!!! Die Dame meinte, die waeren aber nicht giftig, das waeren wiederum zwei andere Sorten, welche mir dann hingelegt wurden. Die groesste und ekligste Sorte (kurz vor Vogelspinne, aber in Kackbraun) lebt in Gruppen so um die 200 Stueck (!), sie halten sich gerne auch in Haeusern auf. Ich: „Naja, wahrscheinlich so auf den umliegenden, eher unbewohnten Inseln.” Die boese Frau: „Nein, nein, die gibt es ueberall, auch in und um Auckland, sehr verbreitet. Sind sie nicht schoen?” Tom war etwas verzweifelt, weil er mir bisher erfolgreich suggeriert hatte, dass es hier praktisch nichts schreckliches geben wuerde und ihm damit bisher schrille Panikschreie erspart blieben. Ich freue mich jedenfalls auf unser erstes Zelten, das muss ich wohl im Vollschutzanzug absolvieren. Es lebe die Kaelte, die uns bisher davor bewahrt.

Am Freitag fuhren wir mit der Faehre von Wellington auf die Suedinsel. Die Fahrt dauert ueber 3 Stunden und kostet bei der billigsten Gesellschaft inkl. Auto so um die 200 NZD. Die Faehre war leider etwas ranzig, im Autobereich stank es penetrant nach Urin. Das waere ja nicht gar so schlimm gewesen, aber diesen Gestank versuchte man wohl durch intensives Lueften zu verjagen, und dieses Lueften jagte dann den Gestank uebers ganze Schiff, je nach Windrichtung. Abseits dieser olfaktorischen Beeintraechtigungen war es aber eine schoene Ueberfahrt, man passiert viele Inselchen und einen grossen Fjord. Ein aufgeregter Hollaender (so aufgeregt, dass er auf der ganzen Fahrt nicht mal seinen Fahrradhelm abnehmen konnte; lohnt sich ja auch nicht fuer 3 Stunden, und sicher ist sicher!) versuchte die gesamte Zeit vergeblich, Delphine zu entdecken. Haette ich ihm eigentlich gleich sagen koennen, dass es da, wo ich bin, keine Delphine gibt…

Mit der Faehre kommt man in Picton an, unser Ziel war aber Nelson. So fuhren wir noch 150 km durch die Taeler des Marlborough Sounds. Foto-Tom drehte mal wieder etwas durch: stopp - anhalten - Foto... Aber verstaendlich, es gab einen gigantischen Sponnenuntergang mit wechselnden Lichteinfaellen vor einem spektakulaeren Panorama aus Kueste und knapp 1.000 m hohen Bergen.

Leider ist so eine Abendstimmung immer nach 30 Minuten erledigt und man kann ja nicht ueberall gleichzeitg sein. Wir sind an so vielem vorbeigerauscht. Vieles davon ist schon tausendmal fotografiert und von manchem wusste ich, das sehe ich so schnell nicht wieder. Die Devise „dann eben spaeter mal” haut leider fast niemals hin. Wer nimmt sich schon die Zeit und faehrt noch mal 100 km zurueck.

In Nelson machten wir nicht lange herum und buchten uns fuer drei Tage in einem Motor Home ein. Klingt eher wie Absteige, war aber ein schoenes Hotel und auch noch guenstig. Der Ort ueberraschte uns positiv: eine schoene Innenstadt, eine Art Westernflair, haette gut und gerne auch Kanada sein koennen. Wir assen westerngerecht im Pub, es gab Fish und Chips (danach braucht niemand mehr Kuchen).

Am Samstag nun endlich gingen wir zum Friseur. Nicht wesentlich billiger als in Wellington, aber Schoenheit muss schliesslich sein. Ein cooler Typ klatschte uns Blond in die Haare (endlich ist mein schwarzer Assibalken am Scheitel wieder weg) und schnitt mir, nachdem er mir versichert hat, dass er verstanden hat, dass meine Haare gerade wachsen, erst mal mehrere Meter ab. Was solls, einen schoenen Menschen entstellt nichts. Dann zog ich durch saemtliche Schuhlaeden der Stadt, nach einem professionellen Storecheck kaufte ich mir ein paar neue Turnschuhe (besser gesagt Hikingschuhe, wer traegt denn heute noch Turnschuhe!). Die neuen Schuhe waren trotz strengster Platzrationierung notwendig geworden, weil meine alten Turnschuhe durch mehrwoechiges, ununterbrochenes Tragen zu einer Chemiewaffe der Kategorie Triple A geworden sind (weiss auch nicht, was Triple A ist, hochgiftig jedenfalls). Ich will nun eine Schuhentgiftung versuchen und anschliessend die Wechselmethode praktizieren, hoffentlich hilft es... Den Waffencharakter kann ich bestaetigen. Ich achtete in letzter Zeit sehr wohl darauf, wann die Schuhe ausgezogen wurden. Reiner Selbstschutz, aber tut der Liebe keinen wirklichen Abbruch.

Meine neuen blonden Kurzhaare und ich gingen dann aus ins staedtische Kino, wo wir Gloomy Sunday sahen, ein wunderbarer Film, den ich zwar schon zwei mal gesehen habe, aber sehr liebe und ausserdem war er auf deutsch mit englischen Untertiteln. Wie sollen aber die verwoehnten Amis jemals auslaendische Filme lieben lernen, wenn sie immer so kompliziert Untertitel lesen muessen? Genug Rezipienten fuer englische Synchronisationen gibt es ja wohl auf der Welt. Aber das Ganze wird bestimmt von Hollywood boykottiert, damit der Amifilm nicht in Gefahr geraet. Wir sind jedenfalls neidisch auf euch in Deutschland; wir wuerden auch gern das Parfuem sehen.

In der Nacht zum Sonntag wurde uns eine Urlaubsstunde geklaut: in Neuseeland wurde die Sommerzeit eingestellt. Nun fragen wir uns natuerlich, ob wir schon wieder um zwei Stunden betrogen wurden, denn die Zurueckstellung der neuseelaendischen Sommerzeit werden wir ja genauso wenig erleben wie die in Deutschland. Uns wird immer nur geklaut, aber nie etwas zurueckgegeben. Das nenne ich ja Altern im Zeitraffer. Um den Auswirkungen desselben entgegenzuwirken, goennte ich mir erst mal einen ausgiebigen Schoenheitsschlaf, waehrend Tom auf andere Art seine (allerdings beneidenswert ausgepraegte) Schoenheit vertiefte. Er erklomm einen Gipfel, welcher als das geografische Zentrum Neuseelands galt. Da mussten sie sich ja einen guten Grund ausdenken, um die Leute diesen Berg hochzujagen (Das war natuerlich kein Berg. Nicht jeder Maulwurfshuegel kann in dieser Kategorie abgeheftet werden), wozu sonst sollte man sich derart verausgaben…

Als ich dann um halb elf zum Fruehstueck bereit war, reichte mir ein Blick durchs Fenster, um zu erkennen, dass ich nicht viel verpasst hatte. Es regnete ununterbrochen. Nichtsdestotrotz machten wir einen Ausflug in unserem wasserdichten Auto in Richtung unseres naechsten Zieles, dem Abel Tasman Nationalpark. Wir machten schon mal ein Hotel fuer die naechsten Tage klar und erkundeten, wie das alles so mit den Wassertaxis laeuft, die einen beim Wandern an den Ausgangspunkt bringen sollen. Aber dazu mehr, falls es sich der Regengott doch noch ueberlegt und wir zu unserer geplanten Wanderung kommen sollten.

Am Endpunkt des Tracks hat sich inzwischen ein Cafe angesiedelt - das gab es bei meiner ersten Neuseelandreise vor 18 Jahren noch nicht, andersherum bewahrt mich der Fortschritt vor einer permanenten Revivaltour, und das meiste laesst sich so wieder neu entdecken. Auf jeden Fall war das Wetter damals besser, aber das ist im Februar auch keine Kunst (Ende des neuseelaendischen Hochsommers). Im Nieselregen drehten wir eine Runde ueber ein wattartiges Gebiet. Das war ganz interessant, denn es herrschte gerade der Umkehrpunkt zwischen Ebbe und Flut. Das Wasser kroch mit zunehmender Geschwindigkeit durch die Priele und bedeckte schnell Sandbaenke, auf denen wir gerade noch standen.

Wir froenten mal wieder kurz unserem Hobby und bauten einen kleinen Staudamm, um der Flut zu trotzen. Das ist so herrlich sinnlos, und es macht Spass zu beobachten, wie das steigende Wasser schliesslich doch seinen Weg findet. So hat man also fuer ein paar Minuten den Lauf der Welt geaendert. Nehmen wir z. B. die kleinen Krabben, die sich im Sand verbuddeln und auf die Rueckkehr der Flut warten. Was werden die wohl gedacht haben? Die sassen bestimmt schon vor ihren Loechern und kein Wasser kam. Vielleicht hat sie deshalb eine Moewe erwischt? Wenn das aus der Sicht des Krebses nicht ein Eingriff in den Gang der Welt ist …

Am Abend hatten wir Gelegenheit, die letzten 5 Runden bis zum Sieg von Schumacher in einer Sportsbar zu sehen. Die Begeisterung ueber den Sieg hielt sich bei den wenigen anwesenden Neuseelaendern in Grenzen. Schumi ist hier nicht gerade sehr beliebt. Man respektiert zwar seine unendliche Erfolgsgeschichte, aber ansonsten gilt er hier nicht wirklich als Sportsmann, sondern eher als (deutsche) Maschine. Egal, wir freuten uns, auch fuer Schumi. Ist doch was, zum Abgang noch einmal richtig an der Uhr zu drehen. Von ihm animiert stuerzten wir uns gleich vom Siegeswillen beseelt auf den Billardtisch. Um hier niemanden zu kraenken, beschreiben wir die zwei Spiele als eine schoene, sportliche Unterhaltungseinlage. Danke fuer die Diskretion!

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