Text von Thomas ist gruen
Text von Katrin ist schwarz
Nach dem regenbedingt mehrtaegigen Aufenthalt im Abel Tasman Nationalpark ging es am Freitag weiter in Richtung Sueden. Wir waren etwas unentschlossen bezueglich des Zieles und liessen uns einfach so in der Mitte der Insel treiben, was jederzeit einen Schlenker zur Ost- oder Westkueste erlauben wuerde. Auf dem Weg lag mal wieder ein typisch neuseelaendisches Freizeitvergnuegen: Die laengste Haengebruecke Neuseelands fuehrte ueber den Buller Gorge River. Man kann hin- und zuruecklaufen oder sich auf dem Rueckweg an ein Seil haengen und rueberrauschen. Ja, also dann mutig voran…
Nachdem der Hang unter der Bruecke aufhoerte und der Abstand zum Boden um diverse Meter zunahm, sank mir allerdings erst mal das Herz in die Hose und ich steckte fest. Es ging weder vorwaerts noch rueckwaerts. Eine Familie wartete am Anfang der Bruecke, dass ich weiterging, Tom wartete am anderen Ende und einer der Angestellten schrie ploetzlich auf deutsch: immer nach vorne schauen, nicht nach unten, dann geht es schon. Also, was blieb mir anderes uebrig? Ich kniff die Arschbacken zusammen und ging entsprechend verkrampft ueber das wackelige Ding. So verkrampft sah das gar nicht aus, besonders nicht an den Arschbacken. Zu meiner Entlastung sei gesagt, dass der Vater der nach mir kommenden Familie auch erst mal akut wieder umkehrte und nur nach Ueberredung durch seine Kinder am anderen Ende landete. Jedenfalls bin ich ruebergegangen! Die Rueckreise am Seil erschien mir dann aber doch zu gewagt (und teuer), so dass ich mein Liebesverhaeltnis zur Haengebruecke ausbaute und auch zurueck wackelte.
Auf der Fahrt gen Sueden entschieden wir uns dann entgueltig fuer einen Abstecher zur Westkueste. Das war eine weise Entscheidung, denn die folgenden 60 km Kuestenlinie bis Punakaiki waren spektakulaer und mit das Beste, was ich je an Kuestenstrassen gesehen habe. Das Tasmanische Meer knallt mit Wucht an die Steilkueste, ueberall ragen Felsen aus dem Wasser und die Landseite ist von einer ueppigen Vegetation (mit einer gewissen Hawaiianmutung) ueberwuchert. Schade, schade, dass es so kalt ist, uns Bodyboardern kribbelte es gewaltig. Wir hielten uns ewig am rauhen Strand auf, nur kurz unterbrochen von einer Hotelsuche. Mit uns waren allerdings hunderte Sandfliegen, eine ueble Mischpoke von Blutsaugern, fast noch schlimmer als Muecken. Die Bisse jucken wie bekloppt und entzuenden sich uebel, wenn man dem Juckreiz nachgibt. Ungefaehr 50 Stiche pro Person bescherten uns dann eine schoene unruhige Nacht…
Abends assen wir im einzigen Pub des Ortes, wo sich gerade die Gemeinde vollstaendig versammelt hatte, um irgendein wichtiges Rugby Spiel anzuschauen. Wir guckten mal wieder wie das Schwein ins Uhrwerk und erinnerten uns wehmuetig an den Spass, den wir bei der Fussball WM hatten. Ein Typ versuchte, mir die Regeln zu erklaeren (alles ganz einfach!), aber kapiert habe ich das nicht.
Mir ging nur durch den Kopf „Aha, jetzt sind also wir die Ignoranten.” In Kanada hatten wir uns noch darueber aufgeregt, dass keiner am WM Spass teilhaben wollte ... Dieses Spiel schien fuer die Neuseelaender um uns herum enorm wichtig zu sein, und uns interessierte das ganze so ueberhaupt nicht. Was ist schon wichtig daran, dass Auckland gegen Wellington gewinnt oder verliert? Wir freuten uns 10 Minuten mit, um dann gelangweilt das Lokal zu verlassen.
Am naechsten Morgen ging es zu den Pankake Rocks, eine Felsformation, die in Kegelform ins Wasser ragt und an vielen Stellen durchloechert ist, so dass das Wasser bei Flut ordentlich durchzischt. Wir amuesierten uns, dass wir bereits zum 4. Mal zwei deutsche Maedels wiedertrafen, die bereits mit uns gemeinsam im Wassertaxi auf dem Weg zum Abel Tasman Track sassen. Bisher hatten wir immer nur ein kurzes Hallo ausgetauscht, aber nachdem das Schicksal uns so unnachgiebig zueinanderfuehren wollte, gab ich nach und wir erzaehlten uns ausfuehrlich unsere Woher-Wohins.
Ich glaube, ich spinne! Waehrend ich das hier schreibe, hat es draussen gerade angefangen zu schneien! Hier zieht gerade eine unnormale Kaltfront uebers Land und ich schwanke jeden Tag, ob ich mir dickere Sachen kaufen soll oder doch noch an den Sieg des Fruehlings glaube…
Ja, bei den Pankake Rocks war es auch nicht viel besser: waehrend wir noch im Sonnenschein losschwatzten, begann sich das Wetter ploetzlich akut zu verschlechtern und am Ende regnete es wie bloed. Ein Grund, unsere neue Freundschaft aprupt zu beenden und zum Auto zu rennen. Wir fuhren in Richtung Greymouth. Unterwegs wurde ich sehr durstig, aber weit und breit kam kein Ort oder gar Geschaeft in Sicht. Dann tauchte ein Hotel auf, in dessen Kneipe ich etwas kaufen wollte. Die Bestaende waren etwas mau und so schenkte mir die Wirtin eine halbe Flasche Cola, ich kam mir etwas wie ein Penner vor. Ca. 500 m weiter gab es dann einen Supermarkt und mir wurde klar, warum die im Hotel so verwirrt geguckt hatten.
In der Naehe von Greymouth kann man Shantytown besuchen, das ist eine Goldgraeberstadt, in der das Leben gegen Ende des 19. Jahrhunderts nachgestellt wurde. So etwas liebe ich ja (Tom musste etwas ueberredet werden). Das hat sie aber charmant verpackt. Ich bockte ein wenig herum - nicht schon wieder so eine historische Stadt. Ich wollte eigentlich im Regen im Auto sitzen bleiben und lesen, aber erstens war mir der Haussegen wichtiger und nach ein paar Minuten wurde mir zweitens auch langweilig. (Eine weise Entscheidung, der Haussegen haette wirklich eine gewisse Schieflage erreicht und das ist bei unserer Zweipersonenkonstellation so eine Sache...)
Alle moeglichen Originalgeraete waren ausgestellt, praktisch eine komplette Stadt mit allem, was dazugehoert: Schule, Gefaengnis, diverse Laeden, Kneipe usw. Das beeindruckendste war allerdings das Krankenhaus, das Originalgebaeude mit seinen schrecklichen oelgestrichenen Waenden und ziemlichen Horrorapparaturen war zum Fuerchten. Puh, Glueck gehabt, dass wir nicht in jener Zeit gelebt haben! Seltsamerweise roch es in dem Krankenhaus auch noch so, wie man sich eben einen Krankenhausgeruch vorstellt.
Etwas abseits war auch eine Chinatown aufgebaut. Die Beschreibungen des Lebens der chinesischen Goldgraeber zeigten, dass die ueberfleissigen Chinesen schon damals sehr suspekt waren. Und auch hier gab es schon die aeusserst geschaeftstuechtigen Laden- und Restaurantbetreiber, die sich mit der vergleichsweise leichten Arbeit eine goldene Nase verdienten. Nachdem ich auch noch selbst etwas Gold gewaschen hatte (laecherlich geringer Ertrag!), fuhren wir noch ein Stueckchen Bahn, angetrieben von einer uralten Dampflok.
Auf der Suche nach einer Uebernachtung checkten wir auch ein paar Backpacker Hotels, aber durchgefroren und nass vom Besuch der Shantytown im Dauerregen stand uns der Sinn nach etwas Gemuetlichkeit und vor allem nach einer Heizung. Das ist natuerlich ein unverschaemter Wunsch in Neuseeland, warum sollte man hier auch heizen? Scheinbar faellt alles ueber Null Grad hier in die Kategorie Hitze. Die Heizung war also eine der Hauptkriterien fuer die Hotelsuche, woraufhin mir die Dame in der Besucherinfo froehlich erzaehlte, dass gerade neulich eine Kundin zu ihr gesagt haette, sie suche eine Unterkunft, bei der sie sich nicht am Morgen das Eis von den Nippeln abbrechen muesse... Die Infodame kreischte ob ihres Witzes heftig los und ich schaute etwas verstoert, fand ich das doch in diesem Land, wo man ueberall Schilder findet, dass ordinaere Sprache verboten (!) ist, etwas obszoen. Wir wurden jedenfalls ins Hotel der Anti-Eis-an-der-Brustwarze-Kundin vermittelt und ich kann bestaetigen, dass die Heizung funktionierte, wenn Sie wissen, was ich meine…
Nach der erneuten Regeneinlage des Vortages zeigte sich der Sonntag wieder etwas sonniger. An der Westkueste regnet es oft und ausgiebig, da sich die Wolken aus der Tasman See hier an der Bergkette stauen und abregnen. Uns war es eh egal, denn wir wollten heute nach Christchurch auf die Ostseite der Suedinsel. Das ist keine sonderlich weite Strecke (ca. 240 km), man muss jedoch ueber den Arthur Pass die neuseelaendischen Alpen queren. Der Pass auf 920 m ist von Westen her schnell erreicht und puenktlich verzogen sich auch die Wolken.
Auf einem der Aussichtspunkte besuchte uns ploetzlich ein Kea-Papagei. Das ist ein neuseelaendischer Bergpapagei, eine aeusserst neugierige und furchtlose Gattung. Wir schlichen uns ganz vorsichtig naeher heran, bis wir mitbekamen, dass wir fast haetten drauftreten koennen, so wenig Schiss hatte das Vieh. Unser Auto fand er auch ganz toll, diese Papageien fressen naemlich leidenschaftlich gerne das Gummi von den Scheibenwischern und werden deshalb auch entsprechend gehasst. Ich war aber vorbereitet und hatte als Ersatz einen Braeburnapfel (wofuer ich von Tom Mecker bekam, dass ich seinen Apfel an den Vogel verfuetterte).
Die naechsten 100 km sind mit dem Ausdruck spektakulaer gerade so ausreichend beschrieben. Die Strasse zieht sich durch mehrere Kilometer breite, vollkommen ebene Flusstaeler. Drumherum erheben sich wie an der Perlenkette aufgereiht lauter schneebedeckte Gipfel von 2000 bis 3000 m Hoehe. Durch die grosse Hoehe und den Regenmangel wirkt vieles wie eine grosse Wueste. Die fehlenden Pflanzen unterstreichen aber nur die Urgewalt und die seltsame Schoenheit dieser Gegend. Die Haenge zeigen die verschiedensten Farben, Gesteinsschichten ragen fast senkrecht in den Himmel (man befindet sich in einem Faltungsgebirge, das durch das Aufeinanderprallen der asiatischen und pazifischen Platte entstand). In meinen Augen braucht sich das ganze nicht hinter den kanadischen Rockies verstecken. Links und rechts der Strasse fuehrten mitunter bessere Feldwege zu irgendwelchen Skigebieten. Wer hier ausgebaute Wintersporthochburgen erwartet, wird enttaeuscht. Das ist jedoch nicht allzu verwunderlich - die nur ca. 1 Mio. Einwohner der Suedinsel produzieren bestimmt nicht genug Skifanatismus, um aufwendige Wintersportorte am Leben zu erhalten.
Der Arthurs Pass Nationalpark ist ein Eldorado fuer Wanderfreude, Mountainbiker und Hoehlenmenschen. Letzteres entdeckten wir nur durch Zufall. An einem der Hinweisschilder stand etwas von Cave (Hoehle). Na, das koennten wir uns doch mal anschauen. Es entpuppte sich als ein grosser Abenteuerspielplatz, fuer das uns aber leider die richtige Ausruestung fehlte. Ein Bach hat sich durch das Karstgestein eine Abkuerzung gesucht und fliesst unterirdisch ein paar hundert Meter in einem begehbaren Tunnel. Das eher lapidare Hinweisschild am Eingang wies nur darauf hin, dass man sich am besten gegen die Stroemung durcharbeiten sollte, man ausreichend Batterien fuer Taschenlampen mitfuehren und sich physisch fit fuehlen soll und darauf gefasst sein muss, das man in einigen Abschnitten bis zu den Hueften im Wasser steht. Wir waren mal wieder vom neuseelaendischen Fuersorgegegensatz fasziniert. Anderswo wird einem per Schild geraten, fuer die eigene Sicherheit doch lieber das Treppengelaender zu benutzen und hier sollte man nun durch einen teilweise ueberfluteten Hoehlentunnel krabbeln! Das verstehe mal einer.
Wir sahen uns den Ein- und Ausgang an, steckten unsere Finger in das kalte Wasser und waren hin- und hergerissen zwischen den Gedanken -Schade, dass wir keine Ausruestung haben!- und -Was fuer ein Glueck, dass wir keine Ausruestung haben, sonst wuerden wir uns da vielleicht sogar hineinwagen.- Bei der Temperatur des Flusses allerdings, brrrr.... So blieb es bei einer kleinen Wanderung in der beeindruckenden Umgebung.
In Christchurch, der angeblich britischsten Stadt der suedlichen Hemisphaere (noch britischer als die anderen britischen Staedte?) suchten wir uns eine Unterkunft fuer die naechsten paar Tage. Die Motels erinnerten zum Teil wirklich stark an britische, historische Tudorhaeuser. Leider hatten die Besitzer bei aller Freude ueber diesen Stil vergessen, dass man heutzutage auch gerne mal etwas grossere Fenster haben darf - viele der von uns besichtigten Motels fielen wegen der akuten Dunkelheit durch. Die Geduld bei der Suche zahlte sich aus. Wir haben nun eine Wohnung mit eigener Kueche ergattert (das hielt uns allerdings nicht davon ab, gleich zum Koreaner essen zu gehen). Das neue Zuhause ist zwar nicht hypermodern und glaenzt mit der einen oder anderen britischen Geschmacksverirrung, aber wir sind uns sicher, dass wir es hier ein paar Tage aushalten werden.
Der Montag begann mit einer weiteren Kaeltewelle. Die morgenlichen 5 Grad daempften den ersten Elan, aber der Tag war trotzdem herrlich sonnig. In der ueberklaren Fruehlingssonne wanderten wir durch Christchurch und merkten schnell, dass wir uns nun doch zu warm angezogen hatten. Das Ozonloch laesst die Sonne hier naemlich ordentlich brennen. Unsere Tour durch einige Souvenirlaeden war dann auch mit Erfolg gekroent. Um uns einen Ueberblick zu verschaffen, kletterten wir auf den Turm der Kathedrale von Christchurch, die erst 1904 fertiggestellt wurde. Der Ausblick musste mit 134 Stufen erkaempft werden. Allerdings war der Drehwurm etwas umsonst, doll war die Aussicht nicht. Von der erreichten Hoehe sahen wir immerhin das exakt nach den Himmelsrichtungen ausgerichtete Grundmuster der Strassen.
Vorbei am Avon River, der durch die Stadt meandert, trabten wir zu einer Ansammlung von Kunstlaeden in der Naehe der neuen Art Gallery. Hier haetten wir gerne zugeschlagen, gab es doch schoenes Kunsthandwerk und wunderbare Deko-Ideen. Allein die Preise liessen uns zurueckzucken. Wir begnuegten uns mit 4 Stueckchen Edelkonfekt fuer 5 NZD und einem Cappuccino. War auch ganz schoen, erzeugt aber keinen bleibenden Effekt (abgesehen von den Fettpolstern).
Unser unstillbares Beduerfnis nach einem anstaendigen Kinofilm froehnten wir dann bei dem Film Brick. Der war kuenstlerisch wertvoll und wird von der Presse sehr gelobt. Wir hatten jedoch ein gravierendes Problem beim Kunstgenuss. Im Film ging es um eine Jugendbande, reichlich Drogen und ein totes Maedchen. Allerdings gab uns der amerikanische Jugendslang einige Raetsel auf. Eine ganze Weile schafften wir es, durch gegenseitiges Uebersetzen des gerade Verstandenen dem Handlungsstrang zu folgen, mussten aber am Schluss bei der Frage, wer das Maedchen nun warum umgebracht hatte, klaeglich passen. Unsere verwirrten Sinne betaeubten wir dann mit Sushi. Wir waren ueberrascht, wie ausgestorben das Stadtzentrum bereits um 18:00 wirkte und so beschlossen wir unseren Ausflugstag mit der 20 minuetigen Wanderung zu unserem Motel.
Was wir noch vergessen haben zu berichten: Vor ein paar tagen in Motueca wanderten wir so die Strasse entlang und sahen vor einem Reisebuero ein Plakat, welches eine Konzertreise nach Australien zum Robbie Williams Konzert anpries. Im Internet fanden wir heraus, dass er tatsaechlich genau in der Zeit spielt, wenn wir dort sein werden. Die Karten waren seit Juni ausverkauft, aber wie von Gottes Hand gesteuert wurden ausgerechnet am kommenden Tag noch einmal Tickets angeboten! Und schwupp haben wir am naechsten Morgen welche bekommen. So ein Timing! Wir lesen ausgerechnet dann das Plakat, wenn es gerade neue Tickets gibt! Das sollte wohl so sein, und nun haben wir schon mal unser Weihnachtsgeschenk. Ich freute mich um so mehr, weil wir diverse Lobeshymnen ueber die Konzerte in Europa gelesen haben und ich ganz schoen traurig war, dass wir das nicht miterleben konnten. Aber Robbie hat das eben gewusst und spielt nun extra fuer uns an diesem Ende der Welt. Juhu!