Foto des Tages
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Text von Thomas ist gruen

Text von Katrin ist schwarz

Ort [Alexandra - Queenstown] Datum [18.10.06-21.10.06] Reisetag [164 - 167] Temp. [ca.15]
56. Die koenigliche Touristenstadt

Am Mittwoch machte ich mich zu frueher Stunde auf zu einem kleinen Fotoausflug. Auf der gestrigen Fahrt hatten wir kurz vor Alexandra ein Hinweisschild fuer das Flat Hills Reserve gesehen. Hier gab es ganz eigenartige Gesteinsformationen, die sich sehr seltsam vom sonst so trockenen Umland abhoben. Da wollte ich nun hin und wurde erst einmal von Bodenfrost empfangen. Herzlichen Glueckwunsch - wir warten eigentlich nur noch auf den ersten Schneefall, dann ist unser Glueck perfekt... Wenigstens schien dann die Morgensonne und mit den ersten waermenden Sonnenstrahlen im Ruecken sieht man das ganze wieder etwas gnaediger. Schnell schoss ich ein paar Bilder der Umgebung und konnte nach einem einstuendigen Morgenspaziergang mit frischen Broetchen vom Supermarkt zurueckkehren, um meine Langschlaeferin zu wecken.

Auf unserer Fahrt nach Queenstown kamen wir an einer alten Goldgraeberstadt vorbei. Diese war allerdings von einem ganz anderen Kaliber als Shantytown bei Greymouth. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte man in der Kawarau Schlucht Gold gefunden, woraufhin viele europaeische Goldsucher herbeistroemten. Die Ausbeute war allerdings nur maessig, und nach ein paar Jahren zogen sie weiter. In einer zweiten Runde kamen Chinesen ins Tal und wurden erst recht nicht reich. Das interessante an diesem Ort waren die extrem spartanischen Huetten, in denen die Arbeiter dort wahrscheinlich jahrelang gehaust haben. Jede so etwa 6 qm und die Einrichtung bestand nur aus einem winzigen Bett, einer Kiste und einem mageren Kamin. Eine Art Bretterbude diente als Saloon, und das war es auch schon mit dem Entertainment. Schoenes Leben fuer eine magere Ausbeute…

Nichtsdestotrotz versuchte auch ich mein Glueck: Im Eintrittspreis enthalten ist „Goldwaschen, soviel du willst”. Ist genauso sinnlos wie Lottospielen (warum wird eigentlich der Jackpot immer in Nordrhein-Westfalen geknackt, da stimmt doch etwas nicht!), aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Man darf freestyle irgendwelchen Lehm ausbuddeln und loswaschen. Es dauert ganz schoen lange, bis so eine Schuessel auf den Goldfund hinunter gewaschen ist, meine Ausbeute war ein winziges Stueckchen Gold, das mir beim Thomas-unter-die-Nasehalten auch noch wegflog. Ich schaetze, das war der mieseste Stundenlohn meines Lebens.

In Queenstown angekommen, musste Tom erst mal die grossen Veraenderungen verdauen. Queenstown ist eine seltsame Stadt, es wohnen dort nur ca. 10.000 Einheimische, aber es gibt ueber 60.000 Hotelbetten und ein paar tausend Saisonarbeiter, besonders viele davon aus Europa. Vor lauter Hotels und Restaurants sieht man kaum etwas von der eigentlichen Stadt. Schoen waren eine Fotoausstellung mit Fotomotiven von 1910 bis 1920 und dem heutigen Anblick daneben.

Ich musste nicht bis 1920 zurueckgehen, um die Veraenderungen wahrzunehmen. Bei meinem Besuch vor 18 Jahren war Queenstown noch ein ziemlich ruhiger und beschaulicher Ort. Ich konnte es nicht fassen, wie sich dieser in der Zwischenzeit ueber die Huegel ausgebreitet hat. Frueher war das alles Wald, und nun reiht sich hier ein Hotel, Motel oder Backpacker an das andere. Trotzdem hat der Ort noch nichts von seiner (Freizeit-) Attraktivitaet verloren. Wer das Ziel hat, in kurzer Zeit moeglichst viel zu erleben, der ist hier defenitiv am richtigen Platz. Ob Bungeejumping, Jetboat fahren, Quad fahren, Mountainbiking, Fallschirmspringen, Wasserski, Surfen, Klettern ..., wer hier nichts fuer seinen Spassfaktor findet, der hat keine Hobbies.

Wir suchten uns ein Zimmer und landeten nach Wochen mal wieder in einem riesigen Hotel (zwischendurch auch mal ganz schoen). Ja, da waren wir also in herrlicher Natur, und was war los? Scheisswetter! Von unserem Zimmer hatten wir einen schoenen Blick auf den riesigen Wakatipu Lake (84 km lang). Der Sturm erzeugte allerdings derartige Wellen, dass man denken konnte, man wohnt am Meer. Wir froestelten uns durch die Stadt, assen endlich wieder thailaendisch und spielten noch ein paar runden Billard in unserer Hotelbar (habe nach langer Duerre wenigstens eine Runde gewonnen, Tom ist ein verdammter Profi!).

Sanfter Regen begruesste uns auch am naechsten Tag, ideales Wanderwetter. Nun war mein Wanderburschi endlich mal wieder in den Bergen und dann das! Das gute an Neuseeland ist jedoch, dass das Wetter extrem wechselhaft ist, so bleibt immer noch Hoffnung bei Sauwetter. Deshalb fuhr Tom zu seinem nach wie vor geplanten Routeburn Track zur Vorbesichtigung. Ich legte einen Buerotag ein. Aber auch dieser Tag sollte noch sein Highlight bekommen und das war high im wahrsten Sinne des Wortes: Wir fuhren per Seilbahn zu einem Restaurant. Wir hatten naemlich irre Lust auf ein hotelmaessiges Bueffet, so pauschi-maessig, wir wollen schliesslich auch ein Urlaubsfeeling entwickeln, und dazu gehoert ja wohl ein Bueffetabendessen! Was macht es dann auch aus, wenn das ganze ueber 30 Euro pro Person kostet, schliesslich ist dafuer eine Seilbahnfahrt inklusive. Ich fand es sehr lustig, dass wir uns das Essen fuer 65 NZD goennten, wo wir normalerweise bei 30 NZD die Schmerzgrenze haben. Wenn schon ueberziehen, dann richtig! Gut, dass wir kein Mittag hatten (kann man ja theoretisch auch schon wieder vom Preis abziehen), so konnten wir uns richtig vollstopfen. Das taten wir dann auch, mehrere Gaenge waren angesagt. Neben dem Essen genossen wir den herrlichen Blick von unserem Fensterplatz aufs Tal und waren sehr zufrieden. Damit ich nicht gar zu frohgelaunt blieb, liess mich Tom beim Billard 4:0 verlieren. Na, warte!

Der Freitag begann fuer den Wanderer mal wieder sehr frueh. Katrin wundert sich immer, aber fuer mich gehoert es mit zum Spass. Zudem dauert die Anfahrt zum Anfang des Weges eine gute Stunde. Nach einem Blick in den sternenklaren Nachthimmel packte ich meine sieben Sachen zusammen, und um 6:00 kam ich am oestlichen Ausgangspunkt des Routeburn Tracks an. Der erste Teil des Weges durch ein dichtes Waldgebiet war fast noch ein wenig dunkel, der Weg ist aber waehrend der ersten drei Stunden in einem sehr gut ausgebauten Zustand, den kann man theoretisch auch im Dunkeln gehen.

Das Tagesziel war vollkommen unklar. Nach dem Motto „Mal sehen, wie weit ich komme” stiefelte ich einfach los. Ich traute auch dem ploetzlichen Wetterfrieden nicht wirklich - ploetzlicher Regen wuerde den Ausflug ganz schnell beenden. Aber den Pass auf 1277 m Hoehe wuerde ich schon gerne schaffen. Der Routeburn Track ist neben dem Milford Track eine der grossen Wanderattraktionen der Suedinsel. Den Weg geht man in zwei bis drei Tagen, unterwegs sind zwei groessere Huetten, in denen man gut uebernachten kann. Die Beruehmt- und Schoenheit hat natuerlich auch seine Kehrseite, jedes Jahr wandern hier 13.000 Leute durch, von Ende Oktober bis April ist eine Anmeldung in den Huetten zwingend erforderlich, sonst bleibt einem nur die Uebernachtung im Freien.

Darum musste ich mich aber zum Glueck nicht kuemmern. Der Anstieg bis zur Routeburn Falls Huette auf 1000 m im fruehen Morgenlicht lieferte wunderbare Aussichten auf das Routeburn Flusstal, das hier durch eine Hochebene meandert. Die weiteren 277 Hoehenmeter zum Sattel hatten es dann etwas mehr in sich. Wie fast immmer hier oben musste ich durch ein paar Wolken hindurch, ueberall lag frischer, duenner Schnee vom grausigen Wetter des Vortages. Kurz vorm Sattel war der Weg ploetzlich von Schneefeldern bedeckt. Was nun? Haette ich den Weg nicht gekannt und waere es nicht noch so frueh am Tag gewesen, haette ich nun wohl den Rueckweg angetreten. So aber dachte ich mir, die paar hundert Meter um die Ecke da hinten muessten doch zu schaffen sein. So stapfte ich also durch die Schneewehen, versank teilweise fast bis zur Huefte, bekam klatschnasse Fuesse (die Wanderschuhe sind nicht wirklich schneetauglich), schaffte es aber in einer halben Stunde bis zur Schutzhuette, wo ich gleich von ein paar Kea-Papageien begruesst wurde, die vermutlich extrem scharf auf meine Kekse waren (nichts gab es!). Man sollte sie auch nicht fuettern, was auch auf einem deutschsprachigen Schild stand. Da weiss man doch gleich, wer sich hier hauptsaechlich auf Wanderung begibt.

Nach dem Sattel ist man auf der Westseite der Bergkette angelangt. Von hier aus sind es nur noch ca. 4 Stunden bis zur Strasse, die zum Milford Sound fuehrt. Wollte man diesen Punkt von Queenstown aus per Auto erreichen, muesste man 170 km fahren. Der Routeburn Track war frueher auch ein echter Verbindungsweg fuer die Eingeborenen. Die Wolkendecke riss nun puenktlich auf, und ich konnte die Ausblicke geniessen. Mit zwar nassen Fuessen, aber voller Tatendrang marschierte ich dann noch fast eine Stunde weiter. Gegen Mittag siegte nach insgesamt 14 km die Vernunft, schliesslich musste ich ja alles auch wieder zuruecklatschen. Das ging dann (weil ueberwiegend bergab) ganz zuegig, und um 16:00 war ich dann wieder beim Auto. Unterwegs sinnierte ich ueber das fortschreitende Alter, das einem doch immer mehr Knueppel zwischen die Beine wirft. Es sind nicht die Kraefte oder Muskeln, die einem seine Grenzen aufzeigen, sondern die schon etwas verschlissenen Gelenke, die sich gerade beim Abwaertslaufen deutlich bemerkbar machen. Wie soll das alles erst in 20 Jahren werden? Oben auf dem Pass hatte ich dann auch etwas ganz seltsames gemacht. Nachdem ich diesen Weg nun zum zweiten Mal in meinem Leben gelaufen bin, verabschiedete ich mich von den Bergen und dem Anblick mit dem Gedanken „Hierher werde ich in diesem Leben nicht mehr kommen!”. Ich tat dies ohne Wehmut, war aber trotzdem etwas verwirrt ueber solch seltsame Gedanken…

Waehrend der Tom also bergauf, bergab durch Schnee und Wasser zog, dachte ich mir: was fuer ein schoenes Sonnenwetter! Geradezu ideal zum Drinnenhocken! Ich hatte Buerotag Nr.2, in Kombination mit Waschtag (mal wieder, scheint ein fester Beschaeftigungsrhythmus zu werden, tatsaechlich schreibe ich immer gern ein paar Stunden am Stueck anstatt jeden Tag ein bisschen). Ganz so bewegungsarm wollte ich aber dann doch nicht bleiben, wo doch der Tom so extrem wanderte. Daher ging ich am Nachmittag ins Schwimmbad. Dieses war ein bisschen abgeranzt, praktisch eine bessere Baracke. trotzdem gab ich alles und stellte einen neuen Distanzrekord auf: 2.000 m! Von mir selbst ganz angetan philosophierte ich dann am Abend am Telefon mit meiner Mama ueber meine moegliche zukuenftige Teilnahme am Sundschwimmen (von Ruegen nach Stralsund, laecherliche 2,3 km Luftlinie). Naja, da hatte ich wohl ein paar Endorphine in die falsche Gehirnwindung bekommen…

Der Samstag begann mit etwas schweren Beinen. Ein fruehes Fruehstueck und bereits kurz nach 8:00 waren wir auf der Piste. Schliesslich lag heute auch der lange Weg zurueck nach Christchurch vor uns. Katrin hatte naemlich Termine am Sonntag - der naechste Gesangs- und Trommelworkshop lockte. So rauschten wir durch das Southern Lakeland, vorbei an zum Teil wuestenartigen Steppenlandschaften, die im Westen von zahlreichen schneebedeckten Gipfeln vor dem Regen abgeschirmt werden.

In Wanaka besuchten wir eine bekannte Touristenattraktion - die Puzzling World (in etwa: verwirrende Welt). In den 70er Jahren hat hier jemand begonnen, ein Labyrinth in die Landschaft zu setzen. Mit dem Gewinn aus dem Labyrinth wurde das ganze ueber die Jahre erweitert und jetzt kann man sich hier zusaetzlich in eine paar Raeumen an optischen Taeuschungen ergoetzen. Besonders eindrucksvoll ist ein Raum, in dem hunderte von ca. 50 cm grossen Gesichtsreliefs ausgestellt werden, die einem, wenn man an ihnen vorbei geht, immer mit dem Gesicht folgen. Das ist wirklich sehr beeindruckend. In einem anderen Raum wird die menschliche Wahrnehmung vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht: der Boden und die Decke des Raums ist eine starke Schraege und Dinge wie ein Billardtisch, eine Treppe, ein kleiner Wasserkanal etc. verlaufen etwa horizontal. Die menschliche Wahrnehmung rueckt jetzt als erstes den Raum ins Lot, was allerdings dazu fuehrt, dass scheinbar Kugeln auf dem Billardtisch nach oben rollen oder das Wasser im Kanal den Berg hinauf laeuft. Es ist ueberraschend, wie man sich hier ins Boxhorn jagen laesst. Ich war spezialempfindlich und waere im schraegen Raum mehrmals beinahe hingefallen, weil mir mein Gehirn staendig die falschen Signale gab. Ratio-Tom konnte sich lockeren, aufrechten Ganges ueber meine Schaukeleien amuesieren. Dafuer war ich aber besser im Labyrinth, das liegt bestimmt an meiner hervorragenden Zivilverteidigungsausbildung! Dafuer nahm ich im Labyrinth den Notausgang, waehrend Katrin noch weitere 10 Minuten den Rueckweg suchte. Das ist auch eine Form von Geschicklichkeit.

Nach dieser Episode verbrachten wir den restlichen Tag dann tatsaechlich mit dem Abrattern von insgesamt gut 500 km. Vorbei ging es am Mt. Cook Nationalpark. Leider sah man hier fast gar nichts, die Wolken hingen mal wieder zu tief fuer den hoechsten Berg Neuseelands. Aber hierher wollen wir ja eh nochmal kommen, das sind von Christchurch aus wieder fast 300 km zurueck. Puenktlich zur Teatime rollten wir in unserem bekannten Domizil, dem Admiral Motel in Christchurch, vor. Leider war „unsere” Wohnung besetzt und wir mussten in das Appartment mit direktem Blick auf die Hauptverkehrsstrasse. Das war zwar ganz interessant zum Zugucken, aber der Laerm war heftig. Immerhin wurde uns gleich gesagt, dass wir am naechsten Tag umziehen koennen, und unser Schlafzimmer lag dann doch ganz geschuetzt. Die Nachtruhe war also gerettet.

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