Foto des Tages
Zurueck zu allen Tagebucheintraegen
Naechster Tagebucheintrag
Vorheriger Tagebucheintrag

Text von Thomas ist gruen

Text von Katrin ist schwarz

Ort [Christchurch - Christchurch] Datum [22.10.06-25.10.06] Reisetag [168 - 171] Temp. [ca.15]
57. NZ next Idol wird geboren

Na, Toms Ueberschrift ist wohl ein bisschen uebertrieben... Schliesslich ist es schon ein paar Jahre her, dass ich geboren wurde. Das mit dem Idol (das ist die neuseelaendische Version von unserem Superstar-Spektakel) koennte aber bald hinkommen. Nee, natuerlich nicht... Erstens bin ich zu alt und zweitens umzingelt von wahrhaftigen Gesangstalenten. Am Sonntag gab eines davon, Lisa Tui Bainbridge, einen Workshop. Da das ja nun mein neues Hobby geworden ist, war ich dabei. Diesmal ging es um afrikanische Musik, um Gesang und Trommeln. Ich war wie ein Kind hin- und hergerissen zwischen Singen und Trommeln, entschied mich zunaechst fuers Singen und tat am Ende beides (aber separat, konnte das echt nicht koordinieren). Fuer den Trommelteil war Gerald aus Simbabwe zustaendig, ein cooler Typ mit dem ueblichen afrikanischen Rhythmus im Blut. Trommler sind ja so eine Spezies fuer sich, viele leicht bis schwer durchgeistigt. Das liess mich zunaechst ein wenig fremdeln, aber es waren auch ganz normale Leute dabei, beim Trommeln allerdings gerieten alle komplett in Ekstase (ich ein wenig schuechterner wegen akuter Unkenntnis Katrin und schuechtern? Kann man sich nicht wirklich vorstellen, oder?, aber es ergreift einen schon). Wir fuehrten sogar einen afrikanischen Kriegstanz auf, sehr lustig. Beim Singen war ich dann wieder zu Hause, ich bin jetzt ausgeruestet mit drei afrikanischen Liedern in verschiedenen Sprachen. Afrika, wir sind vorbereitet!

Waehrend ich meine Energie von innen nach aussen transferierte, tat Tom dies auf andere Weise, indem er schwimmen ging. Meine 2.000 m von Queenstown mussten schliesslich egalisiert werden. Ausserdem widmete ich mich mal wieder etwas tiefer unserem Reisetagebuch, das inzwischen ganz schoen umfangreich geweorden ist. Das wird langsam sowohl beim Hochladen als auch beim Oeffnen der Seite zu traege und zeitaufwendig. Mal sehen, in ein paar Tagen wird das dann anders funktionieren. Bis dahin heisst es mal wieder: Gruebel, Gruebel ...

Am Montag war Labour Day, ein Feiertag in Neuseeland. Das merkten wir, als wir unseren Tagesausflug in den Orana Wildlife Tierpark durchfuehrten; es war maechtig voll. Das lustige an diesem Tierpark ist, dass man nach einem bestimmten Zeitplan an einer Menge Fuetterungen teilnehmen kann. Wir starteten bei den Kiwis, dann ging es zu den Farmtieren (Laemmer, Schweine und Kaelbchen). Spannend war die Loewenfuetterung: eine Art Kaefigwagen faehrt mit einer bestimmten Anzahl Leute in ein grosses Gehege, wo die Loewen aus diesem Kaefig heraus gefuettert werden. Sie springen am Kaefig hoch und sogar auf ihn hinauf, es muss komisch sein, sich darin zu befinden. Mein schoenstes aber war die Giraffenfuetterung: man steht auf einem Podest und die langen Tiere kommen mit ihren Riesenkoepfen auf einen zu. Dann streifen sie mit ihren gewaltigen Zungen die Blaetter von den Zweigen, die man ihnen hinhaelt. Das war irre! Wir haben auch die ersten Kaenguruhs gesehen, wenn auch hintern Gittern. Da hatten wir also eine kleine Vorbereitung auf unsere naechsten Reiseziele, hoffentlich wird es da endlich waermer! Abends kochte ich mal wieder deutsches Essen, immer wieder eine Herausforderung mit meinen wenigen Zutaten. Aber lecker war's!

Dienstag, Katrin macht wirklich ernst mit dem Aufbau ihrer neuen Karriere. Auf dem Weg zu ihrer Gesangslehrerin lernten wir mal einen anderen Teil Christchurchs kennen, denn wir mussten bis nach New Brighton. Der Name ist Programm, aehnlich wie Brighton in England befanden wir uns hier direkt am Ozean, allerdings fehlten die zahlreichen Vergnuegungspalaeste, die so typisch fuer die britischen Badeorte sind. Egal, an Baden war eh nicht zu denken. Wahrend Katrin ihre Stimme bildete, verkroch ich mich in die Bibliothek von Brighton. Ein ziemlich neuer Prachtbau mit einem wahnsinnigen Blick auf das heranrollende Meer.

Ich war derweil bei Lisa in Behandlung und machte Atemuebungen und sang Tonleitern rauf und runter. Meine Gesangslehrerin war begeistert, wie hoch ich klettern konnte (ich heimlich auch). Ich habe einiges gelernt ueber gepresste und offene Toene, allerdings alles auf englisch, und nun kann ich meine Theorien nur schwer wiedergeben, da mir die deutschen Ausdruecke fehlen. Lisa, eine halbe Maori, ist herrlich. Sie kam immer wieder selbst in Wallung und schwenkte dann von einer strengen Tonleiter, die man gerade ueben soll, in eine kurze Improvisation. Dann erwischt sie sich und sagt: „Oh, sorry, ist es mir schon wieder passiert.” Und sie hat eine droehnende Lache, dass die Waende wackeln. Vor allem aber kann sie so herrlich singen, dass man Gaensehaut bekommt. Wir haben ein Lied einstudiert und dann aufgenommen. Mit ein bisschen Hall unterlegt, klingt es richtig gut. Schoenster Musikunterricht!

Den Rest des Tages verbrachten wir mehr oder weniger in der Bibliothek. Wir hatten aus unserem Motel ausgecheckt und waren sozusagen obdachlos, da ist die Bibliothek ein warmer Ort bei dem lausigen Wetter. Und lesen schadet ja nichts. Zwischendurch tippelten wir ins Nachmittagskino und schauten uns „The inconvienent truth” (Die unbequeme Wahrheit) mit dem Herrn Al Gore an. Wir wissen nicht, ob dieser Film in Deutschland laeuft - wenn ja, dann unbedingt hineingehen, er erweitert wirklich den Horizont! Al Gores Vortrag ueber die globale Erwaermung und den Greenhouse Effekt schliesst auf jeden Fall die Luecke, durch die „Ich hab doch von nichts gewusst - Fraktion” so gerne hindurchschluepft. Nicht auszudenken, wenn dieser Mensch, statt diesem geistig behinderten Cowboy, amerikanischer President geworden waere. Wir waeren wohl schon ein paar Jahre weiter, ausser natuerlich die amerikanische „ich verdiene Geld mit verschwendeter Energie - Lobby” haette herausgefunden, dass er sich gerne beim Zigarrerauchen von Praktikantinnen verwoehnen laesst.

Das hat mein Tom aber aeusserst treffend auf den Punkt gebracht. Der Film ist wirklich beunruhigend, man sitzt da und kann es nicht fassen, wie scheissegal der jetzt lebenden Erwachsenengeneration ist, dass sie die Erde nachhaltig versauen. Ich moechte immer gern glauben, dass das schon alles nicht so schlimm ist und sich schon alles irgendwie von selbst regulieren wird, aber wenn man die Statistiken und Messwerte in diesem Film sieht, wird klar, dass es ernst ist. Und die Wetterkatastrophen haben ja schon begonnen. Selbst der herrliche Sommer in Europa ist ein Zeichen. Sicher war er toll, aber wenn wir jedes Jahr zwei Monate mit 40 Grad haben werden, ist es wohl nicht mehr so lustig.

Wir warteten, dass die Zeit vergeht, denn zu Helen und Manfred sollten wir erst um 20:30 kommen. Helen und Manfred? Katrin hatte Helen beim Gosbelworkshop kennengelernt und eine Einladung in die Familie erhalten, inklusive Uebernachten. Na, das war doch spannend! Helen war sehr nett, Manfred kannten wir noch nicht, hofften aber, dass er sich als Deutscher ueber unseren Besuch freuen wuerde. Trotzdem war es auch ein seltsames Gefuehl, mit Sack und Pack bei einer neuseelaendischen Familie vor der Tuer zu stehen, die man nicht kannte. Unser erster Abend verlief aber gleich sehr lustig und angeregt. Wir lernten die beiden Kinder Rata (12) und Joesie (9) kennen, die aber ziemlich bald ins Bett wandern mussten.

Nachdem wir uns also in diese Familie ein wenig hineingemogelt hatten, konnte ich am Mittwoch gleich etwas nuetzliches tun. Das Familienauto hatte naemlich seinen Geist aufgegeben. Helen blieb mit dem Wagen gestern im Tunnel einfach stehen, nachdem sie zuvor schon ein paar Probleme mit dem Auto gehabt hatte. So zogen wir gemeinsam los, ich als der technische Sachverstand (von Autoelektrik keine Ahnung und auch nie Lust gehabt, in diese Abgruende abzutauchen) und immerhin in der Lage ein paar Schrauben zu loesen. Die ganze Vorgeschichte klang sowieso eher nach einer kaputten Autobatterie, die nach langen Jahren endlich und endgueltig ihren Geist aufgegeben hatte.

Schnell war eine Batterie besorgt, nur um festzustellen, dass diese nicht die richtige Groesse hatte. Also noch mal hin und zurueck... So lernt man Christchurch kennen, beim zweiten Mal fand ich den Weg schon ganz allein. Die zweite Batterie passte dann und tat zu meinem und Helens Glueck genau das, was sie sollte. Jetzt hatte ich einen Stein im Brett und ich freute mich gleichzeitig, dass ich nicht tiefer in die Abgruende der Autoelektrik einsteigen musste. Einen Tag spaeter schaute Tom etwas verwirrt auf ein Riesenloch in seiner Jeans. Ich sage nur Batteriesaeure... Zeit fuer eine neue (die mit dem Loch hing sowieso wie ein Sack an meinem vom Wandern ganz abgemagerten Tom.

Auch ich machte mich nuetzlich und entsorgte bergeweise Unkraut. Neben einem mittleren Muskelkater brachte mir das einen gewaltigen Sonnenbrand auf dem Stueck vom Ruecken, das beim Buecken freilag. Diese Sonne ist unglaublich (Al Gore!!!). Ich nahm es als Zeichen, das Ozonloch ernst zu nehmen und bin fest entschlossen, niemals ohne T-Shirt baden zu gehen. Ha ha, baden... Vielleicht eher eisbaden?

Am Abend ging ich mit Helen zum Gospelchor, den Lisa leitet. Es ist wirklich verrueckt, wie intensiv ich mich im Moment mit Musik beschaeftige. Im Chor traf ich ein paar Leute, die ich vom Workshop kannte. Ich finde es schoen, dass ich nun schon fast eine Art Bekanntenkreis habe. Fuer mich ist die aktuelle Entwicklung unserer Reise ein echter Gewinn. Nach sovielen Wochen der Zweisamkeit war ich auch absolut faellig fuer ein paar intensivere Sozialkontakte. Und auch Tom geniesst es, nicht mehr nur ausschliesslich mir ausgesetzt zu sein. Waehrend wir traellerten, verbrachte er einen Maennerabend mit Manfred.

::©Copyright 2006  :: Thomas Arndt & Katrin Münch :: Impressum