Foto des Tages
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Text von Thomas ist gruen

Text von Katrin ist schwarz

Ort [Christchurch - Christchurch] Datum [26.10.06-29.10.06] Reisetag [172 - 175] Temp. [ca.18]
58. Unsere kleine Familie

Habe ich eigentlich schon erzaehlt, dass ich zu Zeit viel singe??? (kleiner Scherz am Rande) Die Musikphase war noch nicht vorbei. Am Donnerstag nahm ich gleich zwei Gesangsstunden, um das ganze mal ein bisschen anzukurbeln. Besonders interessant waren unsere Improvisationen. Erst kam ich mir komisch vor, Melodien zu erfinden, aber irgendwann kamen diese wie von selbst aus mir heraus. Wir haben auch viel an der Haltung und dem Gesichtsausdruck gearbeitet, was mich zukuenftig hoffentlich vor den seltsamen Fotos bewahren wird, auf denen ich beim Singen immer so eine Miene wie kurz vorm Schlachten ziehe. Zwei Stunden sind schnell um, wenn man etwas tut, was man liebt. Tom, der inzwischen in der Bibliothek gewesen war, sammelte mich wieder ein und weiter gings zu meinem zweiten Hobby, dem Schwimmen. Meine Vorbereitung auf das Sundschwimmen laeuft auf vollen Touren…

Das schoene an Katrins Gesangsetueden sind die Uebungsabschnitte. Wenn wir im Auto sitzen, wird die CD mit den neuesten Stimmproben eingeworfen, und dann ist es vorbei mit dem besinnlichen Tagesabschnitt. Aber im grossen ganzen ist das schon ganz in Ordnung, und da ich z. Zt. in die „Ich bin ausgeglichen” - Fraktion gehoere, freue ich mich vor allem, dass Katrin so viel Spass bei ihrem neuen Hobby findet.

Zum Abend wollte ich etwas typisch deutsches kochen. Da die Maedchen natuerlich viele leckere Sachen noch eklig finden, gab es letztendlich Huehnerfrikassee. Ich hatte so meine Probleme, in der fremden Kueche die benoetigten Gewuerze zu finden, aber mein Essen wurde sehr gelobt. Abends brachte ich den Maedechen das Kartenspiel Phase 10 bei. Wir spielten solange, bis wir Mecker bekamen, weil wir die Schlafenszeiten extrem ueberschritten hatten. Entsprechend knautschig kam die neunjaehrige Josie am naechsten Morgen zum Fruehstueck.

Toms Rettungseinsatz beim Batteriewechseln an Helens Auto hatte ihm ein maechtiges Saeureloch in seiner Jeans verursacht, aber da sie sowieso unerhoert ausgeleiert war, obwohl wir sie erst vor kurzem gekauft hatten, machte es ihm nichts aus, einen neue zu erwerben. Im Einkaufscenter dauerte es etwa 10 Minuten, und er hatte eine neue Hose. Eine Shoppingaktion, wie sie die Maenner lieben. Dann zog Tom ins Internetcafe, um unser Tagebuch zu aktualisieren. Ich blieb derweil in der Mall, es sollte ca. 40 Minuten dauern. Nach 1,5 Stunden war er noch immer nicht zurueck. Ich hatte mir vor lauter Verzweiflung auch eine Jeans gekauft, ein bisschen Kleinkram und hatte sogar schon den Sammlern der Blindenwoche Geld gespendet. Waehrend ich mit einer Zeitung rumsass und ueberlegte, ob das Internetcafe heute das ist, was frueher „Ich geh mal Zigaretten holen (und komme nie wieder)” war, tauchte irgendwann ein stinkiger Tom auf, der bei den schlaffen Internetverbindungen hier in Neuseeland bald wahnsinnig wird. Es dauert immer ewig, bis er eine vernuenftige Leitung hat, und die kracht dann auch noch immer zusammen. Mein sonniges Gemuet vertrieb aber alsbald seinen Aerger.

Ich haette nie erwartet, dass man mit dem Internet hier tatsaechlich soweit hinter dem Berg lebt. Ploetzlich scheinen die 18.000 km doch wieder eine Rolle zu spielen. Das ueberrascht mich um so mehr, als Neuseeland gemeinhin als sehr fortschrittlich bei der Anbindung der Privathaushalte an das Internet gilt. Inzwischen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die meisten gar nicht wissen, was eine gute Breitbandanbindung bedeutet. Das ist uebrigens auch gerne mal Thema in den Zeitungen; in entsprechenden Artikeln wird dem Monopolisten Telecom (es muss wohl am Namen liegen) vorgeworfen, dass sie zwar DSL verkaufen, aber nicht in der Lage sind, auch Breitband zu liefern. Das ganze gestaltet sich hier also gerne sehr frustrierend, und wenn eine 5 Minuten Uebertragung ueber eine Stunde verschlingt, werde ich doch ziemlich sauer, mal ganz abgesehen davon, dass die langsame Verbindung dann auch noch ein relativ teures Hobby wird. Na, wenn das mal nicht das eigentliche Ziel der Telecom ist...

Am Nachmittag schufteten wir im Garten, Tom hackte Holz, bis ihm zwei enorme Blasen einen verfruehten Feierabend bescherten. Das war schoen dusselig - Holzhacken ohne Handschuhe und dann ein paar Tropfen Baumharz auf dem Griff der Axt, das konnte ja nicht lange gutgehen. Ja, ja, hat er gut hingekriegt, sich schwer verletzt von der Arbeit wegzuschleichen... Ich entsorgte den Heckenschnitt und zerkleinerte einen Riesenhaufen abgeschnittener Aeste. Abends liessen wir uns von Manfred die abenteuerliche Geschichte seiner Auswanderung nach Neuseeland erzaehlen.

Am Samstag hatten wir endlich mal wieder einen etwas waermeren Tag. Alle stuerzten in den Garten. Nur ich hatte keine rechte Lust und die bloeden Blasen an der Hand behinderten mich eh. So beschloss ich, mir einen schoenen Vormittag in der Stadt zu machen. Ich stoeberte durch ein paar Laeden und war erstaunt, wieviele Fahrradlaeden es hier gibt. Ich haette mir am liebsten gleich eins gekauft. Wenn die Dinger so schoen neu im Laden herumstehen, bricht sogleich die Kauflust durch. Zur Ablenkung ging ich lieber schnell in die Bibliothek und welch Glueck: ich konnte einen ziemlich aktuellen Spiegel ergattern. Da war es ja fuer die naechste Stunde um mich geschehen. Andererseits war ich ueberrascht, wie schnell ich ueber manchen Artikel hinweg las, der mich sonst wohl sehr interessiert haette. Was bringt es auch, wenn mal wieder die grosse Koalition als Fehlzuendung bezeichnet wird und dediziert die Gruende dafuer ueber mehrere Seiten ausgewaelzt werden. Dediziert also, ja ja. Was fuer ein Angeberwort, gibt es das wirklich? Nichtsdestotrotz ist es wirklich seltsam, in welch epischer Breite sich der Spiegel ueber alles moegliche auslaesst. Selbst, wenn es interessant ist, kann das keiner vollstaendig lesen. Da wird wohl jemand per Schreibmaschinenanschlag bezahlt.

Am Sonntag sollte eine Party stattfinden, denn Manfred hatte Geburtstag. Ich hatte mir ueberlegt, dass ich als Geburtstagsgeschenk die Beilagen zum Grillen organisieren wuerde. Das wurde erfreut angenommen und so begann ich am Samstag mit meinen Vorbereitungen. Ich stellte unsere geliebte Kraeuterbutter sowie die Tim-Maelzer-Butter (Zitrone-Chilli) her. Ausserdem gab es Kartoffelsalat, gruenen Salat und franzoesische Baguettes (es war etwas schwierig, diese im Supermarkt zu bestellen. Ich musste „Baguettes” buchstabieren. Rata sagte mir spaeter, die heissen in Neuseeland „French Sticks”. Aha!).

Am Abend gab es eine kleine Spontanparty. Die Maedchen, Helen, Tom und ich veranstalteten eine Session mit Ratas Lieblingsmusik, Hits der 60er Jahre. Es war die uebliche Partymischung mit ausgeflipptem Tanzen und Singen. Helen kann genauso durchknallen wie ich, und die Maedels sind sowieso verrueckte Huehner.Rata liebt es, mit ihrem Mikrofon auf dem hoechstmoeglichen Punkt des Wohnzimmers (meistens die Sofalehne) zu posieren und ihre fuer ihr Alter (12) sehr ungewoehnliche 60er Jahre-Musik zu schmettern (sie hat eine sehr schoene Stimme). Josie gibt Vorstellungen in Ausdruckstanz und Karate. In dem musikalischen Haushalt (Manfred spielt Bassgitarre und ist in zwei (!) Bands aktiv, die Maedchen spielen Klavier und Helen singt im Chor) gibt es viele Rasseln und andere Krachmacher, was natuerlich zum Partyerfolg beitrug (Nichtsinger Tom zum Beispiel ist ein ausgezeichneter Rasselschwinger).

Manfreds Geburtstag am Sonntag begann bayrisch: Es gab Laugenbrezeln von einem deutschen Baecker, dazu Weissbier und furchtbare bayrische Volksmusik. Nach dem Fruehstueck war das Geburtstagskind aber erst mal fuer Ewigkeiten von der Bildflaeche verschwunden. Manfred ist praktisch dauernd am Rumwuseln, denn die Familie ist erst vor einem Jahr in ihr (60 Jahre altes) Haus eingezogen, und es gibt unglaublich und scheinbar endlos viel zu tun. Also machten wir es uns ohne ihn schoen. Die Party begann dann gegen 16 Uhr mit einer Bandprobe im Wohnzimmer, das war natuerlich klasse. Die Gaeste fanden sich nach und nach in der benachbarten Kueche ein. Die Grillparty musste naemlich nach innen verlegt werden, weil es immer wieder regnete (wir moechten an dieser Stelle mal nicht ueber die Temperatur sprechen). Der Freundeskreis von Helen und Manfred ist ein bunter Haufen von Kiwis und eingewanderten Deutschen. Um jedoch nicht zu oft die selbe Geschichte ueber unser Reisejahr zu wiederholen, verzogen wir uns nach einer Weile ins Wohnzimmer und setzten unsere 60er Jahre Party vom Vorabend fort. Spaeter praesentierten die Maedchen und eine Freundin ein sehr witziges, spontan ausgedachtes Buehnenstueck, dem man sehr deutlich anmerkte, dass in der Waldorf Schule viel Theater gespielt wird. Da alle ausser uns am naechsten Tag wieder arbeiten gehen mussten, ging die Party nicht ewig lange. Tom gab noch den spaeten Helden und wusch den Riesenberg Geschirr ab, wofuer ich ihm ein grosses Stueck Kuchen mit Eis servierte.

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