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Text von Thomas ist gruen

Text von Katrin ist schwarz

Ort [Mt. Cook - Wanaka] Datum [03.11.06-06.11.06] Reisetag [180 - 183] Temp. [ca.17]
60. Endlich wieder Wald

Nachdem ich am Vortag so schoen mitgewandert war, musste nun mal wieder Toms Einsiedlernummer folgen. Er hatte naemlich einen schoenen (steilen) Wanderweg im Auge, den er schon mal vor Jahren bewaeltigt hat. Meine Fuersorgepflicht liess diesmal allerdings aeusserst zu wuenschen uebrig, und allein kuemmert sich Tom schon gar nicht um so unbedeutende Dinge wie Verpflegung oder so. So kam es denn, dass er mit einem Muesli im Bauch und einer spaerlichen Flasche Wasser ausgeruestet fruehmorgens losmarschierte, als der einzige Schokoladenriegelladen am Ort noch geschlossen hatte.

Hoere ich da Kritik? Jetzt koennte ich ja beleidigt auf die Mackernummer umschalten. Etwa so „Was soll das, nur um ein paar Huegel hochzurennen, muss ich mich ja nicht gleich mit 10 kg Lebensmitteln rumschleppen ...”. Also, ein paar Muesli- oder Schokoriegel haetten sicherlich nicht geschadet, andererseits bin ich mit dem Essen nicht so ein „Ohne stuerzt mein Blutzucker ab - Typ”, komme also ein Stueckchen weit, ohne gleich mit einem Loch im Magen einzubrechen. Zudem war ich diesen Weg schon einmal gelaufen und wusste in etwa, worauf ich mich einlasse. Ja, ja, so laeuft das immer ab. Ich brauche nichts, das muss ich nur rumschleppen... Das naechste Mal werde ich aber wieder eingreifen, jawohl!

Wie einen die Erinnerung verlaesst, merkte ich dann ziemlich bald. So steil war der Weg frueher nicht! Es ging ein paar hundert Hoehenmeter ueber steile Abschnitte rauf und rauf. Diesmal langweile ich Euch nicht mit einer ausfuehrlichen Wegbeschreibung, solche Wanderwege aehneln sich ja letztendlich doch. Also in Kurzform. Ab 1400 m an die Schneegrenze gestossen, kleinen Umweg gegangen, Muller Huette auf 1822 m erreicht, dabei fleissig von Schneekristallen bombardiert worden (verrueckter Wind hinter dem Kamm). Schnell den Rueckweg angetreten, dabei, weil einfacher, ein paar hundert Meter auf dem Hintern den Berg im Schnee heruntergerutscht (ich ice- und stonewasche meine Jeans lieber selber), den Rueckweg dann mit nassem Hintern zuegig, aber nicht knieschonend heruntergaloppiert und um 12:00 wieder bei Katrin gewesen.

Ich hatte mir derweil vorgenommen, was fuers Internet zu tun, bin aber beim Fruehstueck ueber eine neuseelaendische Art Gala-Magazin gestolpert, was mich leider zu sehr in den Bann zog... Ehe ich mich's versah, hatte ich einen klatschnassen Wanderer zurueck. Klatschnass - ist nicht wahr, ich hatte halt die frisch schneegewaschene Jeans noch an und die Schuhe begannen schon wieder abzutrocknen. So schlimm war es wirklich nicht.

Als Wiedergutmachung meiner morgendlichen Faulheit erklaerte ich mich freiwillig zum Fahrer, und wir begaben uns auf die ueber 400 km lange Tour nach Te Anau. Kurz vor 18 Uhr kamen wir dort an, gerade noch rechtzeitig, um in der Ortsinfo die Bed und Breakfast-Lage zu peilen. Wir mieteten uns fuer zwei Tage bei Aloma ein, die uns wie eine Spinne in ihr Kommunikationszwangsnetz zog. Zu diesem Zwecke hatte sie die Gaestezimmer gut klein gehalten, denn die Leute sollten sich zu ihr ins Wohnzimmer setzen. Wir bekamen ausfuehrliche Vorschlaege fuer alle moeglichen Aktivitaeten. Ist ja ganz lieb, aber wir wussten schon, was wir am naechsten Tag machen wollten... Waehrend Tom sich nach dem Abendessen unauffaellig in den Schlaf wegschummelte, unterhielt ich mich dannnoch ganz nett mit Aloma, zum Beispiel ueber ihre Kloerlebnisse auf ihren Reisen. Wenigstens mal ein anderes Thema.

Am Samstag stand die Fahrt zum Milford Sound an. Das ist wohl einer der spektakulaersten Fjorde auf der Welt. Von Te Anau bis zum Sound sind es 120 km. Ich dachte erst, ganz schoen weit fuer so einen Fjord, aber schon die Fahrt im Auto war unbeschreiblich. Es gibt diverse Aussichtspunkte, zum Beispiel einen See, in dem sich die schneebedckten Berge fotogen spiegeln. Leider trifft man sich an diesen Punkten mit dutzenden Reisebussen, die ihre (gerne japanische) Kundschaft ausschuetten. Seltsamerweise ist nicht Te Anau mit seinen 120 km Weg der Hauptausgangspunkt fuer den Milford Sound, sondern das ueber 300 km entfernte Queenstown. Dort werden die Massen also in Herrgottsfruehe in die Busse verfrachtet, zum Fjord geschippert und irgendwann spaetabends kommen sie wieder in ihren Quartieren an. Schoenes Geschaukel in der serpentinenreichen Gegend…

Ja, das ist urgewaltige Landschaft, die durch das an ca. 200 Tagen im Jahr herrschende Regenwetter nicht unbedingt an Lieblichkeit gewinnt. Wir hatten jedoch, trotzdem im Wetterbericht vor heftigen Regenfaellen gewarnt wurde, Glueck und sahen zwar keinen strahlenden Sonnenschein, wurden aber auch nicht durch tiefhaengende Regenwolken von der spektakulaeren Bergkulisse ausgeschlossen. Hier gibt es schroffe Wechsel zwischen Seitentaelern, die mit subtropischer Vegetation einen undurchdringlichen Dschungel bilden und durch Gletscher ausgeschmirgelte, schwarzen Steilhaengen, die ein paar hundert Meter fast senkrecht in den Himmel ragen. Dahinter dann schneebedeckte Berge, die fuer den immerwaehrenden Nachschub an Wasser sorgen, das sich in zahllosen grossen und kleinen Wasserfaellen diese Waende herunterstuerzt. Von diesem Abschnitt ist mir gerade beim Lesen schwindelig geworden. Ein Feuerwerk des Adjektivismus! Ich kann allerdings Toms Bemuehen nachvollziehen, diese gigantische Landschaft angemessen zu beschreiben.

Auch an solch seltsamen Orten leben noch Menschen. Wir machten einen Abstecher zum Gunners Camp, von dem aus man in ein paar Stunden einen Seiteneinstieg in den Routeburn Track gehen kann (Wisst ihr noch, war eine der komischen Wandergeschichten vor ein paar Wochen, damals hatte ich das Camp von oben im Flusstal gesehen.). Das Camp wurde urspruenglich fuer die Strassenbauer errichtet und dient heute als ziemlich exotische Unterkunft fuer Wanderer. Die Besitzerin war sehr stolz darauf, dass die Huetten sich noch in dem Zustand von 1930 befinden (nur die Betten sind neuer) und wer hier kochen will, der tut dies auf alten Kohleoefen. Draussen lief ein Generator, weil gerade Waschtag war, eine normale Stromversorgung gab es also nicht. Aber sonst gab es hier alles, was das Herz begehrt. Ein kleiner Laden reicht aus zur Versorgung hungriger Wanderer und fuer die Autotouristen gab es allerhand Nippes zu kaufen. Wir wurden von der Dame hinter dem Tresen auch gleich zugetextet und auch ohne Nachfrage ueber alle Sehenswuerdigkeiten im naeheren und weiteren Umkreis informiert. Waere es nach ihr gegangen, haetten wir uns die Weiterfahrt zum Milford Sound eigentlich auch schenken koennen.

Wir trennten uns dann doch von diesem Ort. Die Strasse windet sich weiter durch die immer enger werdenden Taeler, die senkrechten Waende links und rechts ruecken immer naeher und man fragt sich, wo das noch hinfuehren soll. Dann steht man vor einer weiteren senkrechten Wand und nur die mutige Fahrt in ein kleines schwarzes Loch in dieser Wand laesst die Hoffnung aufkeimen, dass man hier nicht fuer immer gefangen bleibt. Der Tunnel ist sehr naturnah, soll heissen einfach in den Fels gehauen, zudem auch noch recht eng, und so kann er immer nur abwechselnd in eine Richtung befahren werden. Wenn man Pech hat, darf man also hier 15 min vor einem schwarzen Loch ins Irgendwo warten. Fuer Unterhaltung ist aber gesorgt, denn selbst hier treiben sich wieder Kea Papageie herum, die wie immer auf Touristen lauern, die vielleicht etwas zu fressen rausruecken. Im Tunnel geht es schoen steil nach unten, und der Strassenbelag hat auch schon bessere Zeiten erlebt. Zum Glueck ist es nicht wirklich sehr weit und so kann man sich nur kurz fragen, aus welcher Ecke jetzt die Orks wohl hervorspringen werden. Weiter geht es dann noch eine Passstrasse hinunter, denn zum Milford Sound muessen wir ja wieder aufs Meeresniveau. Die spaerliche Vegetation weicht ganz schnell einem dichten Regenwald, und die Farne werden wieder baumhoch.

Wir mieteten uns auf ein Boot ein und fuhren den Fjord hinaus. Es ist wirklich schwierig, diese Landschaft angemessen zu beschreiben. Die Felsen ragen zum Teil mehrere hundert Meter senkrecht in den Himmel! Das Boot ist richtig winzig dagegen. Obwohl unser Kaeptn meinte, die See waere heute besonders ruhig, wurden wir ordentlich durchgeschaukelt, als es dann ein Stueck aufs Meer hinaus ging. Wir hielten uns an der Reeling fest und genossen unsere Achterbahnfahrt. Bei einem Unterwasserobservatorium stieg ich aus (Tom interessierte sich nicht so dafuer). Da in dieser Region das Frischwasser und das Meerwasser in einer speziellen Kombination aufeinandertreffen (durch den vielen Regen) und dadurch ein unnormal kaltes Wasser erzeugen, kann man bereits in 8 Meter Tiefe Fische und Unterwasserpflanzen antreffen, die sonst ca. 40 m unter dem Meeresspiegel wohnen. Ein Teil der Forschungseinrichtung ist fuer die Oeffentlichkeit zugaenglich gemacht worden (kein Wunder bei dem Eintrittspreis...(28 NZD)) und man kann die seltenen schwarze Koralle (welche komischerweise weiss ist) und allerlei lustige Gebilde wie Seegurken oder Anemonen bestaunen. Auf der Rueckfahrt schloss ich schnell vorruebergehend Freundschaft mit Joanne aus Irland, die nach Neuseeland noch nach Hawaii und Kanada wollte, was uns natuerlich reichlich Gespraechsstoff lieferte.

Abends hatten wir eine sturmfreie Bude. Dachten wir jedenfalls, aber dann war da ploetzlich Connor aus England, ein weiterer Gast und als alleinreisender Motoradfahrer entsprechend gespraechsbeduerftig... Wir fluechteten uns diesmal in einen Fernsehkrimi, so dass wir nur alle 15 (!) Minuten in der Werbepause quatschen mussten. Irgendwann bin sogar ich mit dem vielen Gequatsche ueberfordert, und das will was heissen.

Am Sonntag brachen wir wieder auf in Richtung Norden. In Te Anau besuchten wir ein Vogelschutzreservat, wo wir selten zu erspaehende Exemplare betrachten konnten. Ein paar Stunden spaeter knallte uns dann allerdings ein Vogel auf die Windschutzscheibe... Die 300 km nach Wanaka vergingen schnell, wenn uns langweilig wurde, wetteten wir, wieviele Reisebusse oder Camper uns entgegenkommen wuerden. In Wanaka waren wir in einem B + B angemeldet, das mit unserer Aloma befreundet ist. Und weiter gings mit dem Quatschen: rauf ins Wohnzimmer auf einen Tee und ein Haufen Fragen war zu beantworten. Uns gefiel aber der Ehemann der uns eher unsympathischen Frau, welcher bei allen Themen immer auf sein Lieblingsgebiet, die Jagd, umschwenkte. So etwa: Frau: „Wir hatten schon Gaeste aus den verschiedensten Gebieten, vor kurzem aus Italien zum Beispiel.” Mann: „Italien, die machen gute Gewehre.” Frau: „Aus Frankreich waren auch schon welche da.” Mann: „Frankreich, gute Gewehre.” Ich: „Im Mai werde ich 40.” Mann: „Das werde ich nicht vergessen, da beginnt die Entenjagdsaison.” Usw. usw., echt geil.

Nach dem Tee verdufteten wir gen Stadt und haengten noch ein paar Runden Billard ans Abendessen ran (Ich verrate nicht, wer gewonnen hat, nur so viel: ich wars nicht.). Den Abendtee lehnten wir ab, wir waren ja sooo kaputt von unserem langen Tag. Wir waren sehr erstaunt, wie leer es in Wanaka war, hier waren wir also nun wirklich zwischen die Winter- und Sommersaison geraten. Der Pub, in dem wir Billard spielten, wurde nur noch durch die Bedienung bevoelkert.

Am Montag fuhren wir von Wanaka an die Westkueste. Bevor es richtig losging, wollten wir noch -waffeninspiriert von unserem Vermieter- die oertliche Schiessanlage ausprobieren. So etwas habe ich noch nicht gesehen, aber eine geniale Geschaeftsidee, wie ich finde: Man kann verschiedene Schiessmoeglichkeiten ausprobieren vom Bogen- bis zum Tontaubenschiessen. Wir entschieden uns fuer Kleinkaliber und Tontauben. Beim Kleinkaliber kommt man sich vor wie in einem Krimi, wenn die Bullen auf der Schiessanlage ueben, bloss nicht mit Pistole, sondern mit einer etwas groesseren Knarre. Unglaublich, wie weit entfernt einem 20 m vorkommen koennen, meine Augen hatten leichte Adaptionsprobleme. Daher schoss ich von weit daneben bis in die Mitte alles froehlich durcheinander. Tom stellte sich allerdings als Kleinkalibernaturtalent heraus und traf gleich beim ersten Schuss eine 25. Meine Stunde sollte dann beim Tontaubenschiessen schlagen. Ich traf 4x von 10 Schuss (Tom nur 1x, jawohl!). Also fuer die Ernaehrung ist gesorgt, wir brauchen nur jeder die passende Knarre. So ein Rumgeballere macht jedenfalls riesigen Spass, das habe ich mir aber schon gedacht, weil wir es beide gelegentlich moegen, ein paar virtuelle Feinde in einem dieser Computerspielecenter abzuknallen.

Auf dem Weg ueber den Haast Pass, der uns an die Westkueste bringen sollte, machten wir noch zwei Kurzausfluege in den Regenwald. Dabei mussten wir mal wieder ueber eine Haengebruecke, und Katrin schaffte es (fast) in einem Zug ueber die Bruecke. Es gab ein wenig Geschrei, aber mit festem Blick auf meinen Hintern (bloss nicht nach unten schauen) ging es prima voran. Wir waren schon wieder fasziniert von der ploetzlich ueberbordenden Natur, nach all den abgeholzten Wiesen und Huegeln der letzten Wochen eine wunderbare Wendung zur „echten” Natur.

Der Haast Pass war schon zu Zeiten der Maori ein Verbindungsweg zwischen der Ostkueste und der regenreichen Westkueste. Dia Maori nahmen den beschwerlichen Weg auf sich, um die damals sehr begehrte Jade von der Westkueste zu den Hauptsiedlungsgebieten im Westen und auf der Nordinsel zu bringen. Damals dauerte diese Reise Wochen und war ueberhaupt nur in den Sommermonaten moeglich. Wir fuhren diese Strecke jetzt in zwei Stunden ab. Auf dem Weg in Richtung Meer kamen wir an hunderten von Wasserfaellen vorbei und landeten schliesslich im Ort Haast. Der Begriff Ort ist allerdings etwas zu gross gegriffen, immerhin gab es aber drei Motels bzw. Backpacker Hotels und wir fanden eine recht guenstige Unterkunft. Die weitere Kuestenstrecke wollten wir erst am naechsten Tag fahren. Manfred hatte uns ein paar Tips fuer die kurze Strecke bis zum Fox Gletscher gegeben, und wir wollten nicht ploetzlich durch uebermaessiges Hetzen auffallen.

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