Text von Thomas ist gruen
Text von Katrin ist schwarz
Den letzten ganzen Tag in Neuseeland wollten wir eigentlich mit einem Ausflug zu einer Art Vogelreservat auf einer Auckland vorgelagerten Insel (Tiritiri Matanga) verbringen. Von der Auskunft, da faehrt eine Faehre hin, haben wir uns dann aber leider verladen lassen. Es faehrt da nur ein Ausflugsboot, einmal pro Tag hin. Um 9 Uhr waere Abfahrt gewesen, was wir ca. um 10 Uhr herausfanden. Katrin war ziemlich traurig, meine Enttaeuschung hielt sich stark in Grenzen. Ich glaube, Tom war ausserordentlich erleichtert!. Stattdessen setzten wir uns in der Bibliothek direkt gegenueber unserem Hotel fest. Ich wuehlte mich durch mehrere Australienreisefuehrer, um eine Idee zu bekommen, was wir denn so die naechsten Tage dort alles anstellen koennen.
Fast zwei Stunden spaeter war ich um die Erkenntnis reicher, dass Australien seit 1984 (da habe ich den Kontinent einmal umrundet) nicht einen Deut kleiner geworden ist. Alles, was in Neuseeland auf relativ engem Raum so schoen beieinander liegt, verteilt sich um eine gigantische „tote” Wuestenei, die vornehm mit dem Ausdruck Outback verschoent wird. Das kann ja heiter werden, man kann sich in Australien zwar auch mit 300 km Fahrabschnitten durchwurschteln, aber selbst mit 5 Wochen Zeit kommt man damit nicht wirklich voran.
Waehrend ich mich der Gigantomanie dieses Landes hingab, schrieb Katrin sich endlich mal wieder von ihrem „Email- Antwort- Gewissen” frei. In der Bibliothek hallten ihre fulminanten Anschlaege wider (die Kollegen aus dem Buero wissen, was ich meine Na na na!) und ich fuerchtete schon, dass wir bald einen kleinen Warnhinweis bekaemen. Aber Glueck gehabt. Gewissen beruhigt, Tastatur funktioniert noch immer und senden konnten wir auch gleich alles. Wenigstens in Auckland war man mal wieder vernuenftig an die Internetwelt angeschlossen.
Immerhin sind die Geschafte in Auckland an einem Freitag laenger als nur bis 18 Uhr geoeffnet. Unser schnell- noch- ein- Souvenir- schiessen Ausflug war dann auch zum Teil erfolgreich, leider fanden wir kein uns wirklich gefallendes T-Shirt. Bei einsetzendem Regen fluechteten wir uns dann in einen Asia Foodcourt, der ohne Zweifel auch gut irgendwo in China haette sein koennen. Das ganze strahlte eine unglaubliche, atemberaubend verrauchte Kantinenatmosphaere aus. Mindestens 12 Kochbuden uebertrumpften sich mit Waenden voller Bilder hauptsaechlich thailaendischer Spezialitaeten. Alles kostete um 10 NZD und genauso schmeckte es auch. Aber das Speisen an einem solchen Ort verkommt sowieso zur Nebensache. Der Vorortszug brachte uns heute gut und guenstig in unser Hotel, da man am Freitag ein Einsehen hat und der Zugbetrieb erst um 22 Uhr endet.
Am Samstag nun ging unser Flug nach Australien. Um zum Flughafen zu kommen, stand uns noch eine kleine Odyssee per Bus bevor, denn wir hatten ja aus unseren ersten Tagen in Auckland unsere Lehren gezogen und unser Auto schon kurz nach unserer Ankunft abgegeben. Dass wir dann alerdings in einem abgelegeneren Stadtteil mit Gratisparkplatz gelandet waren, haben wir nicht geahnt… Trotzdem sparten wir wenigstens zwei Tagesraten fuer den Mietwagen und da kann man schon mal ausfuehrlich mit dem Bus durch die Gegend juckeln. Wenn wir nicht so viel Gepaeck rumzuschleppen haetten… Im Flughafen endlich schoss ich noch mein ultimatives Erinnerungs-T-Shirt, nun war die Reise tatsaechlich komplett.
Auf Wiedersehen Neuseeland? Das Fragezeichen ist eigentlich ketzerisch, und das Land hat es zweifelohne in keiner Form verdient. Das Fragezeichen ruehrt eher aus dem Umstand, dass ich nun zum zweiten mal hier war, mein Leben sich in der zweiten (teilweise besseren) Haelfte befindet und es auf der Welt noch so viele interessante Orte gibt, an denen ich noch nie war. Wem moechte ich Neuseeland ans Herzen legen? Eigentlich jedem, der ein Faebel fuer eine geballte Ladung Natur uebrig hat. Jedem, der sich an der Absonderlichkeit erfreuen kann, um die halbe Welt zu fliegen, nur um festzustellen, dass es dort fast genauso sein kann wie in Europa oder im speziellen in England, nur viel schoener. Jedem, der sich mehr als ein absolutes Minimum von drei Wochen Zeit nehmen kann, denn wenn man die Flugzeit und das unvermeidliche heftige Jetlag abzieht, ist man schon die erste Woche los.
Mit diesen Voraussetzungen bewaffnet ginge es los, und zwar ziemlich zuegig auf die Suedinsel, da sich hier aus meiner Sicht der spannendere Teil dieses Landes verbirgt. Die Nordinsel glaenzt hauptsaechlich durch die vulkanische Gegend um Rotorua und (wenn das Wetter mitmacht) die schoenen Straende rund um Auckland. Auf keinen Fall unterschaetzen sollte man die Entfernungen beim Herumfahren mit dem Auto oder Wohnmobil. Die suedlichen Alpen spalten die Suedinsel in einer solch dramatischen Art, dass ein „Umweg” von ein paar 100 km keine Seltenheit ist. Wir haben es jedenfalls zu unserer eigenen Verwunderung geschafft, insgesamt 10.000 km hier herumzugurken.
Unglaublich ist die grosse Kleinheit dieses Landes. Man stelle sich vor, alle Einwohner des Grossraums Berlins verteilen sich auf dieses Land und beschaftigen sich mit dem Aufstellen endloser Zaeune, dem Zuechten von Schafen und die richtig coolen leben in Auckland und machen etwas „richtiges”, d. h. produzieren Software, verwalten andere, sind im Bankgeschaeft … Aehnlich wie die ach so bedeutenden Stadtprobleme Berlins sind auch die politischen Verwirrungen dieses Landes eigentlich fuer den Lauf der Welt nichtig. Ob in Europa etwas passiert oder nicht, ist hier ziemlich unbedeutend. Da verhaelt sich Neuseeland medientechnisch in etwa wie die USA, nur dass die Neuseelaender nicht glauben, dass sie die wichtigsten auf der Welt sind. Wohlgemerkt ist hier noch ein Unterschied zwischen Europa und England zu machen, das ja bekanntlich nicht zu Europa gehoert. Aus England gibt es wenigstens hin und wieder Nachrichten, meist sportlicher Natur.
Womit wir mal wieder beim zweitschoensten Reisethema waeren: dem Fernsehprogramm. Zugegeben, es ist mitunter besser als das amerikanische. Das Fruehstuecksfernsehen ist so spannend wie bei uns. Die Werbeblockdichte ist nahezu unertraeglich und sogenannte „Nachrichtensender” sind in Wirklichkeit eine Vergewaltigung dieses Begriffs. Gern genommen werden zwei bis drei Themen des Tages, die im Dauerfeuer durchgeleiert werden. Eins davon mit Sicherheit aus dem Bereich Sport - am liebsten hierbei dann: Kiwis schlagen die Aussies, das zweite dann aus dem Bereich NZ sucht den Superstar und das dritte und mit Abstand wichtigste: Wo soll das neue Rugby Stadion stehen? Ein neues an der Waterfront oder besser der Aus- und Umbau des vorhandenen? Diese weltbewegende Frage begleitete uns die letzten 4 Wochen. Wie gesagt, Probleme der Berliner Stadtpolitik transferiert in die groesse einer Nation.
Eines der schoensten Ereignisse war die Zeit bei „unserer” Gastfamilie in Christchurch. Was fuer eine wunderbare Erfahrung, ploetzlich einen Ort und Menschen zu finden, die einem fern der Heimat ein zu Hause bieten, und mit denen man in kurzer Zeit eine tiefe innere Verbundenheit aufbauen kann. So haben wir also neben aller landschaftlichen Schoenheit eine wirklich bleibende Erinnerung, und wir freuen uns schon sehr auf ein Wiedersehen in einer hoffentlich nahen Zukunft.
Tja, und dann dieser fast schon beaengstigend blaue Himmel. Neusseland bekommt eine der zahlreichen Quittungen, die dieser Welt noch bevorstehen, bereits hautnah zu spueren. Das Ozonloch trudelt eben mitunter mal bis ueber die Inseln. Und mit Loch sind hier nicht verminderte Ozonwerte gemeint, sondern eben das nahe an Null Ozongehalt Niveau. Zum Glueck reduzieren sich diese Phasen bisher nur auf ein paar Wochen im Jahr, und die Wissenschaftler sind sich ziemlich sicher, das bereits 2050 eine deutliche Verbesserung der Situation zu spueren sein wird. D. h. also, wenigstens wird es bis dahin nicht schlimmer. Hurra! Der blaue Himmel auf jeden Fall hat eine unglaubliche Faszination und sollte einen nicht von einem Besuch des Landes abhalten. Es gibt hier erschwingliche Sunblocker der Staerke 50+, damit kann man sich dann gut ueber in den Tag retten.
Erstmal muss ja ueberhaupt die Sonne scheinen! Wir waren ueberrascht, wie uns das Wetter hier fest im Griff hielt. Es war permanent und im Durchschnitt zu kuehl und allenthalben wurde uns versichert, dass das kein normaler Winter oder Fruehling war. Der Vorteil am Neusselandwetter ist jedoch in jedem Fall, dass es nie fuer lange Zeit gleich ist. Heute bewoelkt, morgen Sonnenschein, heute Bodenfrost, morgen 25 Grad - da lernt man, geduldig zu werden, und letztendlich hatten wir eigentlich immer Glueck und die Highlights schaelten sich doch aus den Wolken.
Ist Neuseeland ein Reisemuss? In jedem Fall und fuer mich ohne wenn und aber: Ja! Und sei es wegen der freundlichen Menschen, die einen auch ohne Not und voller Stolz alles ueber ihre Heimat erzaehlen, die einem immer ihren Vornamen entgegenschmettern, der meist eh unverstaendlich und nur in geschriebener Form wiederzuerkennen ist und bei uns innerhalb von 30 Sekunden im Vergessen dahinschwindet. Spannend auch, ueberhaupt mal jemanden zu treffen, der in der zweiten oder dritten Generation ein Kiwi ist, also ein „echter” Neuseelaender. Der Rest ist hier meist erst seit 20 Jahren und freut sich noch immer darueber, wie schoen er es hier getroffen hat.
Auch ich will noch mein Neuseeland Resuemee ziehen. Ich hatte ziemliche Anlaufschwierigkeiten, mich fuer dieses Land zu begeistern, denn ich hatte eine viel exotischere Vorstellung davon gehabt.. Und dann fand ich mich praktisch in einer Art Europa wieder. Ganz bestimmt kann Neuseeland erstmal nichts dafuer, dass wir ein paar Monate zu frueh dort waren und es dadurch viel zu kuehl war, was der Exotik automatisch ordentlich Abzug bescherte. Ausserdem ist es sowieso schwierig, mit Laendern wie Kanada und Hawaii zu konkurrieren, denn diese zwei Laender sind absolut genial. Hinzu kommt, dass wir bestimmte Attraktionen wie z.B. schoene Wasserfaelle bereits reichlich gesehen haben und dadurch inzwischen halt auch etwas schwerer zu begeistern sind.
Aber Neuseeland hat seine eigenen Reize, und wenn man dort etwas zeitlich kompakter unterwegs ist, wird man bestimmt umgehauen. Die brodelnden Geisiere, die rauhen Kuesten, die schoenen Suedlichen Alpen mit den Gletschern zum Anfassen und mein absolutes landschaftliches Highlight, der Milford Sound. Die ersten Wochen sind wir viel durch schafsbewirtschaftete Gebiete, sprich Wiesen mit Zaeunen drumherum, gefahren, so dass ich sehr jegliche Form von Wald vermisste. Als wir dann aber in einige der unberuehrten Waelder gelangten, waren diese um so faszinierender, solche Ur-Waelder im wahrsten Sinne des Wortes, die einem das Gefuehl vermitteln, dass gleich ein Dinosaurier um die Ecke kommen koennte, habe ich noch nie gesehen.
Das Allerschoenste aber waren fuer mich die geballte Pracht von Seetieren aller Art, die man ohne Probleme an vielen Ecken ganz dicht vor die Nase bekommt: Delphine, Robben, Pinguine und Albatrosse, nichts davon eingesperrt und herrlich in ihrer natuerlichen Umgebung zu bewundern. Ich hatte tatsaechlich oft das Gefuehl, mich an einem Auslaeufer der Antarktis zu befinden.
Und nicht zu vergessen die herrlichen Menschen. Sie sind sehr offen und interessiert, und man kommt leicht in Kontakt. Dass wir sogar Freunde fuers Leben gefunden haben, war ein zusaetzliches und wertvolles geschenk. Und nicht zuletzt: mein musikalischer Exkurs wird mir unvergesslich bleiben und bestimmt seine Auswirkungen in meinem „Leben” danach haben. Also: wuerde ich Neuseeland als Traumreiseland empfehlen? Ganz eindeutig: ja!