Text von Thomas ist gruen
Text von Katrin ist schwarz
Sonntag, erster Advent. Fuer einen Kunstkranz oder gar eine Kerze hat es nicht gereicht. Das ganze waere ja auch schlecht zu transportieren gewesen. Passend zum Adventsthema entschieden wir uns fuer einen Strandtag und den Bau einer grossen Sandburg. Die Sandburg war den eher bescheidenen Wellen geschuldet, die fuer das Boogieboarden nicht ausreichten. Bei der intensiven Sonne haben wir nach drei Stunden die Kurve gekratzt. Selbst mit den heftigsten Sunblockern sollte man hier vorsichtig sein.
Bei unserer abendlichen Runde durch den kleinen Urlaubsort Bargara stiessen wir ploetzlich auf einen Strassen-Weihnachtsgottesdienst aus Anlass des ersten Advents. Man hatte sich an der Strandpromenade versammelt. Mit grosser Hingabe und einer ganzen Menge Zuschauer wurde eine kleine Messe gehalten, ein wenig gemeinsam gesungen und Teile der Weihnachtsgeschichte vorgespielt. Wir fanden, dass man hier in Australien mit der sommerlichen Hitze als Umgebung fuer das Weihnachtsfest so verkehrt gar nicht ist, denn schliesslich wurde das Christkind ja auch eher in einem wuestenartigen Klima zur Welt gebracht. Etwas spaeter am Abend gab es ein richtiges Gewitter, das nach Auskunft der Einheimischen leider viel zu wenig Regen brachte, obwohl es fast die ganze Nacht durchregnete. Aber um den Wassermangel in grossen Teilen Australiens auszugleichen, muesste es wohl auch mehrere Wochen regnen. Besonders im Bundesstaat Victoria und South Australia herrscht das 6. Jahr in Folge eine enorme Trockenheit, die vielen Farmern inzwischen das Genick gebrochen hat.
Der Montag stand im Zeichen der Koerperbehinderten, denn ploetzlich hatten wir es beide mit dem Knie. Ich war gestern in eine der Wellen zum Boogieboarden gesprungen und dabei schnappte mein Knie mal wieder aus der zum Glueck seit Monaten stabilen Lage. Das tat wie immer ordentlich weh und schwoll im Laufe des Nachmittags stark an. Katrin hatte sich dann an unbekanntem Ort aus unbekannten Anlass auch ploetzlich Schmerzen im Knie erwirtschaftet. Bestimmt buhlte sie nur um Aufmerksamkeit, zumindest konnte ich mit ihrem Humpeln nicht mithalten. Was fuer eine freche Bemerkung, aber ganz ehrlich: woher meine Knie- schmerzen ploetzlich kamen, weiss ich auch nicht, es war, als ob ich auch bedauert werden wollte...
Um den Tag nicht nur in der Bude zu vergammeln, was eigentlich auch sehr schoen ist, machte ich mich nach Bundaberg auf und stromerte durch eine grosse Shoppingmall. Hier geben sich schon alle dem Weihnachtsrausch hin, und saemtliche Schaufensterauslagen sind entsprechend geschmueckt. Mir kommt das bei diesen Temperaturen und in dieser sommerlichen Hitze ja vollkommen seltsam vor, und im Inneren fuehle ich mich wie ein Voelkerkundler, der einen unbekannten Stamm bei der Vorbereitung eines ihrer ritualen Stammesfeste beobachtet. Von eigener Weihnachtsstimmung keine Spur. Nach dieser Studie hockte ich mich dann noch zwei Stunden in die eigentlich zu kuehle (! schnell holt man sich Halsschmerzen weg) Bibliothek, um durch ein paar Zeitschriften zu schmoekern.
Dienstag und schon wieder so ein langweiliger Urlaubstag. Nachdem sich die dunklen Wolken verzogen hatten, machten wir uns mit unseren Boogie Boards auf zum Strand. Der stramme Wind blies noch immer ganz gehoerig und entsprechend verrueckt waren die Wellen. Wir versuchten unser Glueck mit den Boards, gaben aber in den Wellen ganz schnell unser Vorhaben auf, denn diese rauschten in einer so hohen Frequenz ans Ufer, dass wir mit dem Absprung nicht hinterherkamen. Zudem war die Stroemung in Ufernaehe so stark, dass man in Windeseile 50 m weiter versetzt wurde. Wir bekamen einen ersten Eindruck davon, warum in Australien Jahr fuer Jahr eine ziemliche Zahl von Schwimmern gerettet werden muss. An unserem Strand war das Baden immerhin noch erlaubt, wahrscheinlich, weil die Stroemung einen nur blitzschnell quer ueber den Strand zog und nicht nach draussen in die offene See. Die Stroemung war wirklich moerderisch, wir kamen gar nicht richtig ins Wasser hinein! Am Ende waren wir so geschafft, als ob man uns zwei Stunden durch die Waschmaschine geleiert haette.
Vom Baden vollkommen abgekaempft machten wir uns auf zum Golfplatz. Leider hat es fuer eine Platzrunde nicht mehr gereicht, dafuer haben wir uns beide der Driving Range und einem Eimer mit 70 Baellen gewidmet. Unser Erfolg hielt sich einigermassen in Grenzen. Ich habe es immerhin geschafft, ein paarmal ueber den Absperrzaun bis auf die Strasse zu ballern. Bis zur Korrektur dieses Fehlers war der Eimer dann auch schon leer. Ich moechte ueber meine Ergebnisse lieber schweigen, nur so viel: ohne Uebung kommt offensichtlich nix.
Der Nikolausmittwoch begann frueh, aber nicht weil der Nikolaus vor der Tuer stand. Er haette eh nicht viel in den Sandalen unterbringen koennen. Heute wollten wir einen ganztaegigen Ausflug zu einer Insel des Great Barrier Reef unternehmen. Das Ausflugsboot brach um 8 Uhr von dem Ort Town of 1770 auf. Bis dahin mussten wir fuer australische Verhaeltnisse laecherliche 140 km fahren, da half nichts, als sich frueh auf die Socken machen. Vielleicht haben wir auch deswegen den Nikolaus verpasst. Wir beschlossen, uns diesen sowieso teuren Ausflug einfach gegenseitig zu schenken.
Auf dem Boot bekamen wir eine ausfuehrliche Einfuehrung in die zu erwartenden Verhaeltnisse auf der 1,5 stuendigen Fahrt zur Lady Musgrave Insel. Man wolle niemand verrueckt machen, die Ueberfahrt sei sicher und das Boot selbst bei dem zu erwartenden Wellengang von 2 m Hoehe ca. 25 Knoten schnell. Die See wuerde auf der Hinfahrt wohl etwas rauh werden, und zur Untermauerung wurde der Gebrauch der Kotztueten demonstriert, von denen jeder Passagier gleich zwei bekam. Das konnte ja heiter werden.
Und es wurde heiter. Kaum hatten wir die Hafenbucht verlassen, dachte ich, ich bin im falschen Film. Das Boot sprang und schaukelte nach allen Seiten, woraufhin ich einen mittlerern Panikanfall bekam, denn ich sah das Boot jeden Moment umkippen. Niemand durfte waehrend der Fahrt aufstehen, das waere auch nicht gegangen, denn bei dem Geschaukel konnte man nicht ohne Festklammern stehen. Ich dachte nur: Scheisse, das soll ich jetzt fast zwei Stunden aushalten? Und was ist, wenn wir mitten auf hoher See kentern, wo es hier doch so viele Haie gibt? Ich hatte Schweissausbrueche und habe ein paar Minuten ueberlegt, ob ich losheulen soll. Immer wieder habe ich Tom gefragt: „Ist das Boot auch sicher?” Er hat mich immer wieder beruhigt, ich konnte es nicht oft genug hoeren. Irgendwann aber hoerte er auf zu reden und ich sagte: „Sprich mit mir, damit ich mich beruhige!” Daraufhin meinte er nur: „Ich kann nicht mehr sprechen, mir geht es Scheisse.” Na toll! Ich wusste, ich brauchte eine Gespraechstherapie, um nicht freizudrehen. Das Ende vom Lied war, dass ich jede Stewardess, die versehentlich Blickkontakt mit mir aufgenommen hatte, anstarrte, bis sie zu Hilfe eilte, um mir dann mantra-maessig zu versichern, dass alles OK sei.
Inzwischen wurde um mich herum an allen Seiten angefangen zu kotzen. Die Demonstration der Kotztuete (mit Schliessmechanismus) hatte also seinen Sinn! Das war voll eklig, ich kann doch kotzende Leute nicht sehen! Und die vielen Tueten, die an mir vorbeigetragen wurden, leicht transparent und mit Inhalten in allen Farben des Regenbogens… Wenigstens die Duefte blieben mir erspart dank der -gepriesen sei sie- Klimaanlage! Ja, und dann geschah ein Wunder: Nach ca. 30 Minuten, in denen ich bei den schlimmsten Spruengen immer die Augen zukniff (und bei den lautesten Kotzern auch noch meine Ohren zuhielt) hatte mein Gehirn ploetzlich akzeptiert, dass ich heute wohl doch nicht sterben wuerde! Und siehe da: relativ entspannt konnte ich die naechsten 1,5 Stunden aussitzen. Ich habe sogar die psychologische Behandlung einiger Passagiere um mich herum uebernommen.
Trotz Pillen gegen Seekrankheit war auch ich nach gut einer halben Strecke „faellig”, aber immerhin war ich nicht der Erste und mit einem Mal durch, den zweiten Teil der Strecke verdoeste ich lieber. Ich habe Tom noch nie so kaesig gesehen, sein Gesicht hatte irgendwie eine Leichenfarbe angenommen. Als er so schoen abhing und ich mich noch so fuerchtete, konnte ich mir nicht verklemmen zu fragen: „Und, wie gefaellt dir mein Nikolausgeschenk?”… Um uns herum war wildes Uebergeben angesagt, und als wir endlich ankamen und in ruhigeres Wasser des Atolls einbogen, hatten etwa 2/3 der gut 60 Personen an Bord fuer reichlich Fischfutter gesorgt (die meisten davon mehrfach!). Die Ueberfahrt war nach Aussage des Personals sogar noch relativ ruhig, die „schwerelos” Phasen, wenn das Boot von einem Wellenberg in die Leere eines Wellentals stach, dauerte hoechstens eine halbe Sekunde. Auf alle Faelle wurde versprochen, dass die Rueckfahrt ungleich harmloser wuerde, da man dann mit den Wellen surfen wuerde und nicht gegen sie anrennen muesste. Allen Seekranken wurde gesagt: Vergessen Sie die Ueberfahrt, Ihr Tag beginnt jetzt!
Endlich wurde an einem grossen Ponton angelegt, mit reichlich Sitzgelegenheiten und schoenem Sonnendach. Hier musste ich nach einem kurzen Bad ueber dem Korallenriff erstmal ein Pause machen, um meinen Gleichgewichtssinn wieder halbwegs ins Lot zu bringen. Katrin hatte die Fahrt magentechnisch ganz cool ueberstanden und war am Korallenriff nicht mehr zu halten. Mit Flossen und Schnorchel bewaffnet, drehte sie gleich mal eine ausfuehrliche Runde.
Hurra, ich war am Great Barrier Reef! Allein die blaue Farbe des Wassers war ein Wunder fuer sich. Ich setzte mich zwischendurch einfach an den Rand des Pontons und versuchte, diese Farbe in meinem Gehirn einzuspeichern. Das Schnorchelerlebnis selbst war schoen, aber auch hier war ich mal wieder Hawaii-versaut, denn dort hatten wir viel mehr und buntere Fische gesehen… Aber die Korallen waren eine Pracht, gruen, blau, rot und beige in den verschiedensten Formen! Ich bin auf vier Schnorcheltouren gegangen und konnte nicht fassen, wie schnell die Zeit verging. Beim Mittagessen habe ich mir ordentlich den Wanst vollgeschlagen, denn ich glaube ganz fest, dass ein voller Magen nicht so schnell seekrank wird.
Nachmittags machten wir einen kleinen Abstecher auf die Insel. Der Sand war so knallweiss, dass einem die Augen traenten. Ueberall lagen abgebrochene Korallenstuecke und riesige Muscheln herum, aber das Mitnehmen war natuerlich streng verboten, wie schade! Auf der Insel brueteten hunderte Voegel, ihre Nester hatten sie in relativ niedrige Baeumen gebaut, so dass einen die Babyvoegel ueber den Rand anguckten, sehr suess! Wir passierten einige Camper, fuer nur 4 Dollar kann man auf der Insel uebernachten, was bestimmt ein einmaliges Erlebnis ist, denn nachts kommen sehr viele Schildkroeten zum Eierlegen. Am Strand wurde uns eine Seegurke gezeigt, ich sollte das Glibberding in die Hand nehmen, habe mich aber zu sehr geekelt. Die Fahrt zwischen Ponton und Insel fand in einem Glasbodenboot statt; auf dem kurzen Stueck wurden uns jede Menge Riesenschildkroeten gezeigt.
Unsere Zeit ging am Barrier Reef ging ihrem Ende entgegen. Leicht nervoes nahmen alle wieder ihre Plaetze fuer die Rueckfahrt ein und tatsaechlich: wie versprochen war die Fahrt wesentlich angenehmer. Ich meine, haette wir diese Wahnsinnshinfahrt nicht gehabt, haette die Schaukelei auf der Rueckfahrt bestimmt auch gereicht, sie war naemlich nicht ohne... Aber nach der Katastrophenhinreise konnte das niemanden mehr schocken und alle Tueten blieben leer.
Das Geschaukel hatte uns anscheinend extrem erschoepft, wir fielen schon um halb neun abends ins Bett! Bei Tom hat das Gehirn noch am naechsten Tag weitergeschaukelt. Ach und uebrigens: wir haben erfahren, dass fuer den naechsten Tag die Schiffsfahrt abgesagt wurde, das Wetter sollte wieder so sein wie bei unserer Tour…