Text von Thomas ist gruen
Text von Katrin ist schwarz
Montag, unser zweiter Tag in Sidney. Wir wollten uns die Stadt anschauen, und ich wollte vor allem ein paar abendliche bzw. Nachtfotos von der Stadt machen. Beladen mit Stativ und Kamera zogen wir los. Am Hafengelaende, rund um Star City, einem riesigen Spielcasino, ging es auf Entdeckungstour. Der ganze Bereich hier im Suedwesten des Stadtzentrums ist ein komplett neu aus dem Boden gestampfter, riesiger Vergnuegunsgkomplex mit Kneipen, Showbuehne, Souvenirlaeden, Wildlife Park, Museum und Messezentrum. Alleine mit dem Durchwandern dieses Gebietes ist man schon fast eine Stunde beschaeftigt.
Katrin zog es wie magisch in den Wildlife Explorer Park, sie wollte unbedingt dieses seltsame Schnabeltier zu Gesicht bekommen, das hier auf den Plakaten abgebildet wird. Ich war auf einen weiteren Park mit australischem Viehzeug nicht so scharf, fand es auch seltsam, warum ich nun gerade inmitten einer Grossstadt auf Tiersafari gehen sollte und entschied mich deshalb lieber fuer das Marinemuseum. Zwei Stunden spaeter war ich um einiges schlauer, das Museum bot thematisch einiges an Abwechslung.
So wurde ueber die Zeit der fruehen Entdecker berichtet, von denen nur ein paar Englaender waren. Es trieben sich hier auch viele Hollaender, Spanier und Portugiesen herum, die jedoch alle erfolgreich an Australien vorbeischipperten. Das kann man sich fast nicht vorstellen, aber der riesige Kontinent lag einfach nicht in der Naehe der ueblichen und bekannten Schifffahrtsrouten. Und so blieb es mal wieder dem guten Herrn Cook ueberlassen, einen wesentlichen Teil dieser Welt zu entdecken und auf die Schnelle fuer England einzusacken. Direkt im Hafen vor dem Museum liegt ein Nachbau seines Schiffes Endavour und fuer den unwesentlichen Obulus von 15 AUD kann man das Schiff auch besichtigen. Das war mir zu teuer, zu mal unser Reisebudget zur Zeit gerade vorne und hinten explodiert. Immerhin war der Eintritt ins Museum gratis.
Nachdem ich mich erfolgreich vor dem „Jungsmuseum” gedrueckt hatte, zog ich staunend durch den Wildlife Park. „Park” war ein irrefeuhrender Name, denn es handelte sich eher um ein zweigeschossiges Haus, wobei das obere Geschoss praktisch ein Kaefig war. Mich faszinierte aber besonders die untere Etage, bei der in aller Ausfuehrlichkeit das australische Insektenwesen vorgefuehrt wurde. Spinnen aller Art, Riesenkakerlaken, Kaefer und all so ein Zeug, schoen sicher hinter Glas, boten guten Naehrboden fuer gruselige Phantasien. Gelegentlich kamen Mitarbeiter vorbei, die Insekten in der Groesse eines Pferdes vorbeischleppten. Ganz tapfer streichelte ich die lieben Tierchen und hoffte, dass ich am Ausgang die Tapferkeitsmedaille verliehen bekaeme. Mir gefielen besonders die Beschreibungen, wo die Krabbelviecher alle so leben. Ich sage nur eins: Sie sind mitten unter uns! Bei den ausgestellten Vierbeinern gab es nichts neues ausser ein „Wombat”. Dieses Vieh ist schwer zu vergleichen, es hatte die Figur eines grossen Haengebauchschweins, das kurz vorm Platzen steht, allerdings mit braunem Fell und einer Art Baerengesicht. Es lag auf dem Ruecken, alle Viere in die Luft gestreckt, und schnarchte. Spaetestens daran erkannte man, dass es ein Verwandter des verpennten Koalas ist. Was ich allerdings nicht zu Gesicht bekam, ist das Schnabeltier, denn das hatte sich im benachbarten Aquarium einquartiert, und extra 30 Dollar dafuer war mir zu teuer. Ich habe noch nie so etwas seltsames zu Gesicht bekommen, musste mich aber mit Fotos begnuegen.
Ich schleppte mich durch die brutale Mittagshitze zurueck zum Treff mit Tom, nur um die 500 m gleich wieder zurueck zu marschieren… Wir schlenderten durch Darling Harbour. Einer der zahlreichen Souvenirshops hat sich auf die Vermarktung der Aboriginalkultur spezialisiert. Hier kann man sich mit etwa 20 verschiedenen Arten von Boomerangs versorgen oder die typischen, erdfarbenen Puenktchenbilder in beliebiger Qualitaet und Preislage kaufen. Einzig der rote Sand aus dem Outback, abgepackt in schicke kleine Tueten fehlte. Da koennen sie noch was lernen von den Berlinern, die ihre schlechte Luft in kleine Dosen verpacken und verscherbeln. Man sieht, ueberall ist noch Potenzial.
Der informative und kulturelle Anspruch des Souvernirladens wurde durch eine kostenlose Didjeridoo- (keine Ahnung, wie man das eigentlich richtig schreibt) Vorfuehrung unterstrichen. Die wurde von einem Aboriginie durchgefuehrt, der gern seltsame Geschichten mit kurzen Aussetzern erzaehlte - vermutlich war er immer mal kurzzeitig im Traumland (die Aboriginie-Geschichten nennen sich Dreamstories). Er trug obercoole Outbackschuhe, die er uebrigens in Deutschland fuer 400 DM gekauft hat, als er fuer die Sendung mit der Maus eine Didjeridoo Vorfuehrung machte! Er war eher seltsam, doch das Didjeridoo konnte er beeindruckend spielen. Das ist beleibe nicht einfach und basiert im wesentlichen auf einer sog. Zirkulierenden Atemtechnik, d. h. man muss sowohl beim Ein- als auch beim Ausatmen immer schoen fuer einen konstanten Luftstrom sorgen, der Ton wird ueber die Lippen produziert. Nebenbei muss man auch fuer die eigene Luftversorgung sorgen, was bei einem Profi wie ihm schon fast zu Rauschzustaenden fuehrt. Das letzte koennen wir auf jeden Fall bestaetigen.
Ich fragte ihn, wo denn all die Aboriginies seien, man sieht ja kaum jemanden. Daraufhin antwortete er nur: „Hier nicht.” Ich: „Gibt es vielleicht irgendeine gute Ausstellung ueber die Kultur?” Er: „Wenn du was von den Aboriginies erfahren willst, musst du in den Pub gehen.” Aha…
Am Nachmittag waren wir fusslahm, aber ich wollte ja noch bis ins Stadtzentrum fuer die abendliche Fotosession. Der Wettergott war unseren Fuessen allerdings gnaedig und schickte ein Gewitter und dichte Wolken. So fiel dieses Thema ins Wasser, und ich war etwas enttaeuscht. Waehrend Tom das Gewitter checkte, hatte ich es mir mit einem Eiskaffee und einer Schundzeitschrift im Foyer eines Buerokomplexes gemuetlich gemacht, eine Oase mit fetten Ledersesseln und kaum Leuten. Wenn das die Penner erfahren! Nachdem die Fotos wegen Regens ausfielen, observierten wir das riesige Casino, in dem wilder Betrieb herrschte, aber hier gab es keine schoenen einarmigen Banditen, sondern nur die typischen australischen Pokies, ein bloeder Spielautomat, den ich nicht kapiere. Interessant fand ich Roulettes, bei denen die Mitspieler an Computerbildschirmen ihren Einsatz eingeben und nur noch das Rad gedreht wird.
Der Dienstag startete in einem ueberladenen Flughafenshuttlebus. Es war erstaunlich, wieviel Leute und Gepaeck letztendlich in den Kleintransporter passten, und wir waren froh, dass wir auf seiner Einsammelrunde fast die ersten waren. So konnten wir in aller Ruhe beobachten, wie sich um uns herum Menschen und Gepaeck stapelten. Als letzte stieg eine schlanke Asiatin mit einem zum Glueck kleinen Koffer ein. Beide wurden irgendwie in die eigentlich nicht mehr vorhandenen Luecken gestopft. Immerhin brachte uns der Bus in knapp 30 min. zum Flughafen, und wir mussten kein weiteres Nahverkehrsdrama erleben.
Der Flug Sidney - Perth stemmte uns ueber 2 Zeitzonen, eine Flugstrecke von ca. 3.300 km und das ganze dauert 4,5 Stunden. Ein grosses Land rauschte unter uns vorbei, und wir waren gespannt, wie uns die Rueckfahrt im Auto wohl nach dem zweiten Tag Unendlichkeit schmecken wuerde. In Perth empfing uns der Hitzehammer, ein kleiner Jetlag und ein fuer mich ganz typischer Australiengeruch. Das ist eine Art Melange aus Eukalyptus und Nadelbaumharz, der einem sofort in der Nase haengen bleibt. Wir mussten nach Fremantle, was eigentlich ein grosser Vorort von Perth geworden ist, aber sehr auf seiner Eigenstaendigkeit besteht. Im diesmal nicht ueberladenen Shuttle, der von einem vor 30 Jahren ausgewanderten Deutschen mit immer noch starken Berliner Akzent gesteuert wurde, fuhren wir die gut 30 km.
In voller Montur, beladen mit unseren Reisegepaeck, standen wir in der bruetenden Mittagshitze vor Anjas Haus. Anja ist mit ihrem australischen Lebensgefaehrten Guy vor etwa 7 Jahren nach Australien gegangen, und inzwischen leben in dem Haus noch die beiden Kinder Henrik (3,5) und Jana (8 Monate). Zur Unterstuetzung des Haushaltes gibt es noch das Aupair Lavena. Wir wurden herzlich begruesst und von Henrik mit einer gewissen Skepsis beobachtet. Wie sollte es anders sein, im Haushalt herrschte Daueraction, und so war es gar nicht einfach, sich in Ruhe eine paar Neuigkeiten zu erzaehlen, und zu erzaehlen gibt es ja immer viel, wenn man sich nach -zig Jahren wieder begegnet.
Am Nachmittag machten wir uns auf die Suche nach einer Unterkunft in Fremantle, Anja fuhr uns herum. Ziemlich schnell merkten wir, dass wir diesmal die Rechnung ohne den Wirt gemacht hatten. Fremantle und angeblich ganz Perth ist z. Zt. komplett ausgebucht. Zum einen beginnt jetzt gerade die australische Sommerurlaubszeit, der wahre Killer ist jedoch ein Criquet Cup, der in Perth ausgetragen wird. So war die Rede davon, dass etwa 40.000 zusaetzliche Gaeste aus England in der Gegend waeren, die die gesamte Bettenkapazitaet in Beschlag genommen haetten. Ob diese riesige Zahl stimmte oder nicht war eigentlich egal, Fakt war, dass wir weit und breit keine Unterkunft fanden. Die kleine Jana begann nach der dritten Durchquerung der Stadt in ihrem Kindersitz durchzudrehen. Ziemlich resigniert brachen wir die Suche ab und sinnierten schon ueber eine Uebernachtung im Wohnzimmer auf der Couch. Sollten wir hier tatsaechlich unser erstes Reisewaterloo erleben?
Gerettet hat uns schliesslich Guy, der mit seinem australischen Charme und Insiderwissen binnen 10 min. ein Zimmer in einem Pub beschaffte. Das war dann ganz o. k., unter normalen Umstaenden bestimmt nicht unsere erste Praeferenz, dafuer aber preiswert und eben ueberhaupt eine Unterkunft. Allerdings eine ziemliche Kompromissunterkunft, besonders bloed waren die schmuddeligen gemeinsamen Waschraeume. Gott sei Dank waren wir viel bei Anja und Guy und nutzten das Zimmer nur zum Pennen.
Einen Vorteil unserer neue Heimat spielten wir am Mittwochvormittag gleich aus: den Internetanschluss! Mit einer ausgekluegelten Tabelle wurden die Unterkuenfte fuer Namibia gebucht. Das war wie immer eine schwere Entscheidung, schliesslich vertraut man sich auf Gedeih und Verderben den blumigen Aussagen und Bildern auf Internetpraesentation an. Dennoch muss man ja mal Farbe bekennen und Katrin war gluecklich, dass sie dieses Thema endlich zum Abschluss bringen konnte. Jetzt heisst es nur noch, uns ueberraschen lassen. Es ist wirklich irre, so eine Bucherei saugt einen praktisch in das Land hinein, denn man muss sich ja die Route ausdenken, sprich, mit den touristischen Highlights auseinandersetzen, und dann ordentlich recherchieren. Es wird irgendwann stoerend und lenkt sehr von dem Ort ab, an dem man sich gerade befindet. Aber so funktioniert nun mal eine Reise von Land zu Land, da kann man nicht alles schon vor der Abreise fertig haben und muss deshalb die Laender mental vermischen. Nachdem das nun abgeschlossen war, konnte ich endlich wieder voll nach Australien zurueckkehren.
Zur Abkuehlung machten wir uns in Richtung Indischer Ozean auf, der von unserem Hotel nur ein paar hundert Meter entfernt lag. Das Wasser war ueberraschend kuehl und erfrischend und der stramme Wind sorgte fuer ein richtiges Wellenchaos. Am Strand entlang und vorbei am riesigen Yachthafen von Fremantle machten wir uns auf zur kurzen Stadtbesichtigung. Bei der grossen Nachmittagshitze erlahmte der Eifer jedoch ganz schnell (Ich gebe zu, besonders meiner.) und so bestiegen wir bald den Bus, um uns das Bettengeschaeft, das Anja und Guy betreiben, anzuschauen. Guy war in guter Laune, denn gerade hatte er ein Komplettbett mit allem Zubehoer an Mann und Frau gebracht. Beim Klingeln der Kasse ist ja jeder Geschaeftsmann happy.
Den Abend verbrachten wir wieder mit gemuetlichem Plauschen ueber Vergangenes, die Deutschen, die Australier und das Leben in allgemeinen. Damit hat man ja auch Gespraechsstoff fuer mehrere Jahre.
Am Donnerstag machten wir einen Familienausflug. Ziel war Perth und zusammen mit Anja, Lavena, den beiden Kindern und einem Kinderwagen enterten wir einen Ausflugsdampfer, der einen in 45 Minuten auf dem Swan River von Fremantle bis nach Perth schaukelt. Wir sind der Seefahrerei trotz uebler Erfahrungen noch nicht abtruennig geworden. Das ganze war auf dem Swan River natuerlich kein Drama und bei strahlendem Sonnenschein und mit viel Unterhaltung durch die Kinder, die ihr Recht auf permanente Aufmerksamkeit einforderten, brausten wir nach Perth. Die Flussufer sind mit reichlich ueberproportionierten Villen und Stadthaeusern gesaeumt und der groesste Palast des zur Schau gestellten Wohlstandes kostete wohl 18 Mio AUD. Dafuer gehoert dann auch eine atomwaffensicherer(!) Bunker mit dazu.
Das Stadtzentrum von Perth ist ziemlich kompakt und von ein paar Bankhochhaeusern dominiert. In den Strassen herrschte grosses Gewusel und von weihnachtlicher Kaufzurueckhaltung ist auch hier nichts zu spueren. Perth ist sowieso als wirtschaftliches Zentrum Westaustraliens nicht gerade von Armut gekennzeichnet, und man sieht der Stadt und den Menschen den wirtschaftlichen Boom der letzten Jahre an. Western Australia lebt zum groessten Teil von den gigantischen Rohstoffvorkommen, die hier in einer unglaublichen Konzentration vorkommen, und der Bergbau gestaltet sich hier sehr einfach. Man nimmt sich ein Bagger, beginnt zu buddeln, schmilzt das Erz ein und irgendwas feines, was man in Asien fuer gutes Geld verschachern kann, kommt auf jeden Fall dabei heraus.
Aus dem Trubel des Stadtzentrums verabschiedeten wir uns schnell, schnappten uns einen Bus und fuhren in den Kings Park, der auf einem Huegel die Stadt ueberragt und einen prima Blick auf den Swan River und die moderne Skyline von Perth bietet. Schnell fluechteten wir aus der strahlenden Sonne, die mit dem hoechsten UV Index vom Himmel brannte, auf einen Spielplatz, auf dem sich Henrik in aller Ruhe austoben konnte. Tante Katrin passte in der Buddelkiste auf und machte das mit solcher Hingabe, dass sie in kuerzester Zeit fuenf weitere Kinder unter ihrer Obhut hatte. Es wurden fleissig leckere Sandspeisen zubereitet und als es weiterging, wurden die Kinder von ihren Eltern mit sehr dankbaren Bemerkungen aus Katrins Runde abgeholt. Da es uns so vorkam, dass in Perth bald die Buergersteige hochgeklappt werden wuerden, fuhren wir zurueck nach Fremantle, allerdings trennte uns ein zu langsamer Fahrkartenautomat von unserer Gastfamilie.
Derartig auf uns allein gestellt verbrachten wir den Abend in Fremantle Downtown. Dort war ziemlich viel Betrieb, schliesslich waren ja 40.000 englische Cricket Fans in der Gegend. Wir ergatterten einen Platz beim Italiener und trennten uns anschliessend, um in zwei verschiedene Kinos zu gehen. Tom goennte sich Casino Royal, den neuen Bond Film, waehrend ich mich bei „Borat” vor Lachen nicht mehr halten konnte.Der schoene Abend wurde dann doch etwas getruebt, da es sich irgendwie abzeichnete, als loesten sich unsere Plaene fuer die Autofahrt von Perth nach Sidney in Luft auf. Perth ist ja gerade vollkommen unter der daemlichen Criquet Fuchtel und die Fans haben hier den kompletten Leihwagenmarkt leergeraeumt, hinzu kommt noch der uebliche Weihnachts- und Sommerferienstress. Zu allem Ueberfluss ist der erste bezahlbare Flug von hier nach Adelaide erst am 25. Dezember moeglich. Waehrend ich mal wieder im Internet wild hin- und hersuchte, verschob Tom dieses Problem mit sanftem Schnarchen auf morgen.