Text von Thomas ist gruen
Text von Katrin ist schwarz
Am Freitag gaben wir den kurz gefassten Plan, uns fuer einen Tag mit einem Leihwagen mobiler zu machen, auf. Die Preise sind gerade sehr fuerstlich und wir liessen es. Unsere Stimmung war eh schon gedrueckt, denn unser schoener Plan, uns mit dem Auto quer durch den Kontinent von Perth nach Sidney zu schaukeln, loeste sich in Luft auf. Einwegmieten von Perth nach Sidney sind eher unueblich und werden normalerweise nur von wenigen Verleihern angeboten. Waehrend der Weihnachtszeit, die gleichzeitig Hauptferienzeit ist, duerfen gar keine Autos mehr aus dem Staat herausbewegt werden. Zu allem Ueberfluss ist hier auch noch dieses daemliche Criquet Turnier im Gange, und fast alle Fahrzeuge sind ausgebucht.
So haben wir uns also fuer Notplan B entschieden und fliegen am 25. Dezember nach Adelaide, um die restlichen 1100 km nach Sidney zu fahren. Die kommende Woche wollten wir mit einem der hoffentlich noch zu ergatternden Leihwagen durch West Australien kurven. Bisher jedoch noch mit unklarer Zielrichtung - so eine bisschen Outbackfeeling waere ja schoen, aber uns dafuer in Richtung Norden ueber ein paar tausend Kilometer hinzuschleppen, ist vielleicht auch uebertrieben.
Wir sind zum ersten Mal auf unserer Reise in die Touristenfalle geraten. Die Hochsaison in Australien beginnt, uns einige Striche durch die Rechnung zu machen, und die Reiseplanung wird gerade von der Verfuegbarkeit von Fortbewegungsmitteln und deren Finanzierbarkeit diktiert. Das ist eine ziemliche Spassbremse, zumal wir uns unter diesen Voraussetzungen den ganzen Schlenker nach Westaustralien im wahrsten Sinne des Wortes gespart haetten. So blasen wir nur in kurzer Zeit fast 1000 Euro extra aus dem Fenster.
Ja, das ist schon Mist. Erst wollte ich ja gar nicht ueber die staubtrockende, endlose West-Ost-Verbindung gondeln, aber als ich mich dann mit der Idee vertraut gemacht hatte, kam mir dieses Abenteuer sehr spannend vor. Nun muessen wir das streichen. Aber ich finde es trotzdem gut, dass wir hierher nach Westaustralien geflogen sind. Erstens ist es hier sehr schoen, zweitens ist es mit Anjas Familie sehr lustig und drittens: Scheiss auf die Kohle, schliesslich ist Weihnachten!
Auch solche Tage bestehen nicht nur aus Unglueck, und so machten wir uns auf in Richtung Strand. Bei einem Bad im Ozean verliert man den Truebsinn schnell aus dem Kopf - ist ja auch so ganz schoen und alles 10 mal besser, als den ganzen Tag im Buero zu hocken. Nach dem Badespass fuhren wir mit dem Gratisbus ins Zentrum von Fremantle, das originellerweise von einem grossen, geschichtstraechtigen Gefaengniskomplex beherrscht wird, den man besichtigen kann. Es war sehr interessant zu hoeren, wie sich der Gefaengnisalltag seit dem Bau des Gebaeudes um 1855 entwickelt hat. Am seltsamsten war es, dass die Gefangenen noch bis 1991 in diesem alten Gebaeude „gehalten” wurden. Der Fuehrer allerdings war nicht ganz normal, ein Chauvischwein und Zyniker ohne Ende! Wir waren uns sicher, dass er frueher hier Gefaengnisschliesser war, und zwar einer von der uebelsten Sorte!
Auf dem Rueckweg stolperten wir durch Zufall ueber die Markthallen in Fremantle, die eine bunte Mischung aus Gemuese-, Floh- und Kunsthandwerksmarkt sind. Der Markt ist nur an drei Tagen in der Woche geoeffnet und ein grosser Publikumsmagnet. Ueberhaupt strahlt Fremantle ein sehr gemuetliches und angenehmes Klima aus, die zahlreichen Pubs und Strassencafes sind praktisch immer gut besucht und ueben besonders auf junge Besucher eine grosse Anziehungskraft aus. Kein Wunder bei 40.000 Englaendern in der Gegend, das ist doch eine Goldgrube! Das ganze spielt sich vor einer Kulisse aus kolonialen Haeusern ab, die sich in einem sehr gut renovierten Zustand befinden. Fremantle war lange Zeit eine Art Fischfanghauptstadt und vor allem Sueditaliener haben sich hier erfolgreich angesiedelt. So kann man in der Stadt eine Unmenge an italienischen Restaurants und Gelaterias finden, beides in wirklich echt italienischer Qualitaet. Also Bella Italia auf australisch - eine gelungene Kombination.
Nach zwei Abenden mit leckerem Essen, dass von der Vegetarierin Lavena zubereitet worden war, gab es endlich ein Barbeque. Die Runde wurde erweitert durch Mark, einen Australier, und Dingo, einen ehemaligen Ruhrpottler (immerhin schon mit australischem Spitznamen), der erst ein knappes Jahr in Australien wohnt. Von ihm erfuhren wir, dass 45 Jahre die Altersgrenze fuer Immigranten nach Australien ist, was aber bei benoetigten Arbeitskraeften, insbesondere Handwerkern, nicht so eng gesehen wird. Wir schwatzten uns durch den Abend mit englisch und den diversesten Formen der deutschen Sprache, am besten gefiel es mir jedoch, wenn Guy in seinem einzigartigen Akzent badisches Deutsch sprach.
Mit morgendlicher Hitze empfing uns der Samstag. Im Laufe des Tages bekamen wir gute 34 Grad, da half auch die beruehmte frische Seebriese, fuer die Fremantle unter anderem bekannt ist, nichts mehr. Wir verliessen unser Hotel (Und tschuess, oller Schmuddelladen!), denn heute wollten wir einen Wochenendausflug mit der ganzen Familie machen. Weil Anja und Guy aber noch arbeiten mussten, hingen wir ein wenig in ihrem Haus ab. Wir lernten den Luxus der Aircondition und der offenen Bauweise der australischen Haeuser zu schaetzen, denn es liess sich trotz der Hitze gut aushalten. Waehrend Katrin sich mit einer DVD die Zeit vertrieb, wagte ich mich an die Totaldemontage unserer Kamera. Im Sucher ist seit ein paar Wochen ein Kruemel, keine Ahnung, wie der da hinkommt und eigentlich bei einer neuen Kamera ein Garantiefall. Die Garantie auszuspielen, waere aber wohl keine gute Idee. Dann wuerde die Kamera naemlich fuer Wochen eingeschickt werden…
So wagte ich mich an das Experiment und viel mehr war es dann auch nicht. Zwanzig Uhrmacherschraeubchen spaeter kapitulierte ich vor den kleinen grazilen Haendchen der Japaner (wahrscheinlich wird das ganze von Taiwanesen oder Chinesen montiert). Am lustigsten sind die 7 Kabelverbinder, bei deren Anblick einem der Mut in die Hose rutscht. So begann ich nach einer Stunde mit dem Zusammenbau des Wunderwerkes. Immerhin habe ich jetzt eine ungefaehre Vorstellung, wie das Ding von innen aussieht. Ueberraschenderweise blieb auch am Ende keine der Schrauben uebrig, obwohl ich mindestens 5 vertauscht habe und Wunder ueber Wunder: die Kamera funktioniert noch immer.
Nach diesem Exkurs in die mit Elektronik gespickte Wunderwelt der Feinmechanik machten wir uns in Richtung Freibad auf. Henrik musste erst eine Weile ueberzeugt werden, war dann im Wasser aber Feuer und Flamme und spielte uns mit grosser Inbrunst das Kaengeruh vor. Zwischendurch wagten sich Katrin und ich an die Pflicht, wir pfluegten mit maessiger Begeisterung und auch maessigem Erfolg durch den 50 m Pool. Wir hatten wohl eine etwas lange Pause seit unserem letzten Einsatz gemacht, und die moerderische Hitze war auch nicht sehr hilfreich. Trotzdem, die Alibirunden haben wir geschafft, besser als nichts.
Und dann begann der erste Teil des Ausflugsabenteuers: Familie mit zwei Kleinkindern auf den Ausflug vorbereiten. Das Familienauto war schnell bis unters Dach gefuellt. Was hier nicht reinpasste, kam auf den Dachgepaecktraeger, so z. B. der Kinderwagen und das Kinderfahrrad. Katrin und ich fuhren zusammen mit Guy im Firmen VW Transporter, und waehrend ich die 100 km nach Dwellingup als Steuermann verbrachte, wurde um mich herum der Abend mit dem ersten guten deutschen Bier begruesst. Zur Steigerung der Spannung auf unser Wochenenddomizil fuhren wir auf eine riesige Rauchwolke zu. Genau bei Dwellingup war naemlich am Morgen ein Buschfeuer ausgebrochen und die Spannung, wie nah dieses Feuer an das Wochenendhaus herangekommen ist, stieg mit jedem Kilometer und der immer groesser werdenden Rauchwolke.
Das Feuer hatte dann doch Erbarmen mit dem Ort Dwellingup, und wir konnten beruhigt in das ehemalige Waldarbeiterhaus einziehen. Das Haus entspricht ziemlich genau der Vorstellung, die unsereiner von einem Haus in der australischen Wildnis hat. Komplett auf Pfosten stehend, damit der Wind unter dem Haus entlang ziehen kann und so fuer eine gewisse Abkuehlung sorgt, vorne und hinten eine grosse Veranda. Innen mehrere Schlafzimmer um ein grosses, kombiniertes Kuechen Wohnzimmer Zentrum. Der wunderschoene Holzfussboden war beileibe nicht vollkommen dicht, und wir waren gespannt, wieviel Getier seinen Weg durch die Fugen ins Innere finden wuerde.
Es dauerte eine Weile, bis sich alle im Haus eingerichtet hatten, wobei die meiste Zeit mit der intensiven Suche nach potenziellem Ungeziefer verbracht wurde. Die Suche war zum Glueck ueberwiegend erfolglos, und so gaben wir uns der brutalen Hitze hin, wobei der Abend endlich ein wenig Abkuehlung brachte. Ich war fuers Abendessen verantwortlich und schlug mich wacker, immerhin wurde trotz der Hitze alles aufgegessen. Lavena war sehr von unseren fotografischen Erguessen angetan und schaffte es tatsaechlich, sich alle(!) Fotos auf unserem Notebook anzuschauen. Der Rest der Familie kaempfte die Kinder ins Bett, bei dem Baby ist das kein grosses Problem, wohingegen Henrik (3,5) voll an der Kinderuhr drehte. Er war schliesslich so uebermuedet, dass er gar nicht mehr schlafen wollte, aber gegen 23 Uhr gab er auf.
Max, der Familienhund, fand es in unserem Zimmer besonders gemuetlich. So hatten wir ueber Nacht einen Wachhund vor unserem Bett, der zwar nicht gegen all die kleinen und groesseren Insekten half, aber trotzdem eine beruhigende Ausstrahlung hatte.
Der dritte Advent begann mit angenehm kuehlen 22 Grad. (Naja, um halb sechs frueh...) Ich schnappte mir Max, und der Hund freute sich doll, dass er jemanden zum Gassigehen gefunden hatte. So stromerten wir gemeinsam durch den kleinen Ort. Max ist prima erzogen, er reisst einem weder den Arm aus, noch geraet er vollkommen aus dem Haeuschen, wenn im Garten mal ein anderer Hund anschlaegt. Wir wurden vorruebergehende Freunde, es ist ja auch eine schoene Geschichte, reichlich Streicheleinheiten zu bekommen, ein Luxus der bei zwei kleinen Kindern im Haus schnell in den Hintergrund gedraengt wird.
Katrin schmiss das Fruehstueck fuer die Grossfamilie. Mein Morgenbericht von einer ziemlich grossen Flugameise, die mir beim Lesen im Bett in den Bauch gebissen hatte, wurde von Guy mit folgenden Worten kommentiert: „OK, eine Ameise hat dich gebissen. Eine Ameise. Weisst Du, so etwas erzaehlt man hier in Australien einfach nicht. Ich meine, wenn in der Geschichte eine Schlange oder wenigstens eine grosse Spinne vorkaeme. Aber sorry, eine Ameise ist NICHTS!” An euch daheim, die ihr mich verstehen koennt: es war eine grosse Ameise!! Gemeinsam warteten wir auf die Hitze des Tages, die sich promt einstellte und erst bei 33 Grad ihr Tagesziel erreicht hatte. Um dem Backofen zu entfliehen, machten wir uns zusammen mit Guy zu einem Fluss in der Naehe auf, in dem man prima baden konnte. Wir stuerzten uns ins Wasser, vergewisserten uns zuvor aber, dass es hier keine Suesswasserkrokodile gibt. Solche Sicherheitsfragen sind in ganz Australien durchaus angebracht, obwohl man seltener von Krokodilbissen als von Haiattacken im Fernsehen hoert.
So erfrischt daemmerten wir durch den Nachmittag, dabei bestens von den Kindern in Trab gehalten, die auch mit der Hitze kaempften. Gegen Abend machten wir uns ins Dorf auf. Zunaechst besuchten wir einen Wein- und Obstanbaubetrieb, der eine Bar betreibt. Collin, die Direktorin der kleinen Schule von Dwellingup, war zu uns gestossen, und wir hatten mal wieder das Thema unserer Reise auf dem Tisch. Doch schnell kamen wir von den ueblichen Geschichten weg und hatten eine lustige Unterhaltung, weil uns Collin einen Einblick in das Kleinstadtleben und die Denkstrukturen der Farmer gab. Fragwuerdige Erziehungsmethoden, Exzesse heranwachsender Jugendlicher und der Hang zu eher nationalistischem Gedankengut: das kommt einem bekannt vor und scheint eines der Universalphaenomene auf dieser Welt zu sein.
Wir zogen weiter zu einem Pub im Ort, in dem es auch typisches Aussiefutter gab. Alles fettig, alles mit Pommes und nach der reichlichen Zugabe von Ketchup schreiend. Wir hatten trotzdem unseren Spass (diverse Getraenkerunden inklusive). Vor dem Schlafengehen hatte ich dann die ehrenvolle Aufgabe, ein paar mittelgrossen Kakalaken den Garaus zu machen. Ich weiss ueberhaupt nicht, warum alle Frauen der Welt diese schoene Aufgabe vertrauensvoll in die Haende der begleitenden Maenner legen. Soviel Spass macht das wirklich nicht.
Was fuer eine Frage, das ist doch eine der Haupt- Daseinsberechtigungen fuer den Mann! Lavena als Single war in der schlechtesten Situation, sie war staendig mit Superspray bewaffnet, dass sie wie einen Colt auf saemtliche Tierchen auch in unserem Zimmer richtete, mit dem Effekt, dass in der Nacht alle paar Minuten eine tote Fliege, Ameise oder aehnliches aus der ueber mir befindlichen Lampe auf mein Gesicht fiel. Im Klo habe ich dann noch eine derart monstroese Kakerlake gesehen, die im Zoo in Sidney nur hinter Panzerglas gehalten worden war; hier hat sie sich erfolgreich hinter ein Handtuch verzogen (Gott sei dank nicht meins) und ich bin unauffaellig gefluechtet. Was noch zur Insektensituation zu sagen ist: Ich kann kaum fassen, wie relativ entspannt ich hier bin, selbst Tom ist ganz verwirrt, denn er hatte wahrscheinlich schon fest mit dem Verlust seines Gehoers gerechnet, wenn ich erst in meine ueblichen Kreischereien ausgebrochen waere, aber nein: ich bin die Ruhe selbst! Das verstehe nicht mal ich, aber ich denke nicht drueber nach und freue mich ueber meine (ganz bestimmt vorruebergehende) Coolheit.
Montag und schon wieder so ein Fruehaufsteher Tag. Wir zuckelten um 6 Uhr zusammen mit Guy zurueck nach Perth, denn er musste ja den Bettenladen aufmachen. Wahrend der Fahrt wurden wir bestens von Guy unterhalten, der uns in die Tiefen der englisch - australischen Sprache einfuehrte. Ganz nebenbei bekamen wir ein paar weitere Einblicke in die Weltsicht eines australisch - deutschen Weltbuergers. Und uebrigens: auf der Hinfahrt sahen wir sieben, auf der Rueckfahrt ein Kaenguruh, letzteres stand ganz daemlich auf der Strasse und musste erst 2 Minuten lang angehupt werden, bevor es auch nur ansatzweise den Ernst der Lage erkannte. Das geht nicht lange gut, und irgendwann wird auch dieses Exemplar aufgedunsen am Strassenrand herumliegen...
Keine Nachricht vom Autovermieter, also mieteten wir am Vormittag vor Ort ein Auto, das uns jetzt umgerechnet 60 Eur pro Tag kostete (und nicht 36 wie uebers Internet). Wir freuten uns trotzdem, denn nun konnten wir uns tatsaechlich auf die Socken machen und in den Tagen bis Weihnachten noch etwas von der Gegend sehen. In der erneut bruetenden Hitze rollten wir ca. 170 km nach Bunbury, einem Ort direkt am Meer. Dort fanden wir ohne Probleme ein anstaendiges Hotel und wir freuten uns, dass wir nun offensichtlich der ueberlaufenen touristischen Sackgasse im Grossraum Perth entronnen waren.
Ich hatte einen komischen Muedigkeitsanfall, der schon waehrend der Fahrt begonnen hatte und nun mit 3 Stunden Schlaf am Nachmittag weiterging, aus dem ich noch immer komatoes aufwachte. Wer weiss, was fuer eine Ameise mich da gebissen hatte, bestimmt hat sie die Schlafkrankheit uebertragen. Keine Geschichte, ha! Wir hatten im Ort einen Inder entdeckt, der schmeckte dann allerdings wie schlechte deutsche Kantine. Das gab mir den Rest; ich schaffte es gerade noch, mir mit Tom den Sonnenuntergang am Meer anzuschauen, aber fuer all die geplanten Abendaktivitaeten wie Dart oder Tischtennis war ich zu schwach. Tom schwaechelte aus Solidaritaet mit, aber bei ihm war es nicht die Tstetsefliege, sondern die gemeine Autoklimaanlage, die ihm eine Erkaeltung beschert hatte (Bloede Klimaanlagen, das passiert doch immer!). Schoener Ort, viele Moeglichkeiten, wir gingen pennen.