Text von Thomas ist gruen
Text von Katrin ist schwarz
Dienstag. Schweren Herzens mussten wir unsere Luxusbehausung verlassen. Bei der Abrechnung gab es noch einige Diskussion, aber Katrin hatte den Uberblick behalten, und so konnten wir ein paar Euro sparen, die wir sonst zuviel gezahlt haetten. Der Abschied fiel dann doch nicht so schwer, denn vor uns lag in Tagesentfernung der Etosha Nationalpark. Wenn wir den Reisefuehrer richtig interpretierten, muessten uns die Tiere eigentlich schon fast am Parkeingang auf die Motorhaube springen, daher waren wir alle sehr gespannt.
Siebzig Kilometer weiter in Richtung Osten erreichten wir nach Tagen den ersten groesseren Ort und hatten ploetzlich wieder Asphalt unter den Raedern. Mit paradiesischer Geschwindigkeit und vor allem schuettelfrei rollten wir in den Ort; Tanken und Reiseproviant kaufen war angesagt. Kaum stand der Wagen, waren wir von freundlichen Menschen umgeben, die sofort, nachdem sie unsere Namen in Erfahrung gebracht hatten, begannen, diese in vorgefertigte, kastanienartige Gebilde einzuritzen. Diese ist komplett mit Tiermotiven bedeckt und am besten als Schluesselanhaenger zu verwenden. Die Schnitzer wurde man natuerlich nicht dadurch los, dass man kein Interesse hatte. Der Leidensdruck wurde noch durch Erzaehlungen ueber die eigene Hungrigkeit oder die der drei Kinder erhoeht.
Katrin konnte diesem Druck nicht widerstehen und war schliesslich um vier Schluesselanhaenger reicher. Natuerlich bin ich das ideale Opfer! Aber was soll's, ich habe vier Menschen gluecklich genmacht, ich habe die Arbeit naemlich verteilt. Das war vielleicht ein Gewusel, denn jeder musste einen bestimmten Namen einritzen, was gar nicht so einfach war. Um Falschschreibungen zu vermeiden, schrieb ich die Namen einfach auf unsere staubigen Autofenster, bevor (wie sonst ueblich) alle Familienmitglieder auf die Haut der Schnitzer eingeritzt wurden. Fuer uns andere war Katrins Aktion ganz angenehm, denn so wurde die Aufmerksamkeit wenigstens nur auf ein Opfer konzentriert, und wir konnten relativ unbehelligt tanken und Wasser im naechsten Laden kaufen. Die Strecke bis zum Suedeingang des Etosha Nationalparks verschoenerten wir uns durch einen Abstecher zur Fingerclip. Das ist ein ueber 30 m hoher, alleinstehender Felsen. Von hier aus hat man eine grossartigen Ausblick auf die Umgebung, die sehr stark ans Monument Valley in den USA erinnert. Aus der weiten Ebene erheben sich bis zu 50 m hohe, rote Felsplateaus, die der Erosion noch Widerstand leisten.
Gegen 15 Uhr erreichten wir nach insgesamt 400 km unsere Zeltlodge. Diese hatte zwar schwer gegen den Luxus der letzten Tage anzukaempfen, aber auch ier fuehlte man sich auf Anhieb wohl, wozu im wesentlichen der grosse Swimmingpool beitrug. Eine gewisse Skepsis bestand gegenueber der Dichtheit der Zeltbungalows. Ob hier wohl wirklich keine kleinen haesslichen Tier hereinkommen wuerden? Und wie sah es mit den Moskitonetzen aus? Schliesslich waren wir jetzt in einem (wenn auch nur geringfuegig) malariagefaehrdeten Gebiet angelangt.
Ja, die Moskitonetze waren ordentlich durchloechert, aber wenigstens die Fenster waren halbwegs dicht vernetzt. Nichtsdestotrotz hat mein auf Insektenentdeckung konditioniertes Auge jede Menge Krabbelviecher ausgemacht, welche umgehend gekillt wurden. Entgegen meinen sonst ueblichen Anfaellen half ich eifrig mit (bin tatsaechlich etwas cooler geworden, hoffentlich haelt das an!), nur bei dem Skorpion, der es sich ueber meinem Kopfende im Moskitonetz gemuetlich gemacht hatte, wahrscheinlich, um in der Nacht hinterhaeltig auf mein Gesicht zu stuerzen, muesste der extramutige Thomas ran. Das Tierchen in die Rubrik Skorpion zu packen, ist zwar faktisch richtig, aber bei einer Laenge von nicht einmal einem Zentimerter glich das ganze eher Kindermord.
Trotz der Hitze machten wir uns nach einem kleinen Imbiss zum Etosha Nationalpark auf. Hier werden die Tore mit dem Sonnenuntergang geschlossen, und nachts herrscht absolutes Fahrverbot im Park. Wir hatten noch gute zwei Stunden zur Verfuegung und waren nach nur 10 km Strecke am Parkeingang. Die Dame am Eingang winkte uns durch das Tor, und weil es bereits schon so spaet war mussten wir nicht einmal den Eintritt (80 NAD pro Person) bezahlen. Wir Frauen waren uns einig, dass unser Gratiseintritt nicht daran lag, dass es schon so spaet war, sondern dass die Einlassfrau auf Tom total scharf war! Bei der Ausfahrt wollte sie dann auch von ihm gluecklich gemacht werden, woraufhin ich bereits das Messer in meiner Tasche aufklappte, allerdings begnuegte sie sich mit einem Trinkgeld, was der leicht verwirrte Tom doppelt so hoch wie erwartet ausfallen liess, woraufhin er mit einem extrabreiten (ich wuerde ja sagen auch leicht geilen) Laecheln entlassen wurde.
Der Etosha Park ist ein gewaltiges Gebiet mit einer Ausdehnung von mehreren hundert Kilometern. Wo soll man nur anfangen mit der Autopirsch? Hier kommt jedoch einer der grossen Vorzuege des Nationalparks ins Spiel - man ist vollkommen frei, sich mit seinem eigenen Fahrzeug zu bewegen, man braucht keine kostspieligen Safaris zu buchen. Nur auf den Pisten muss man bleiben. Auf denen kommt man aber im Abstand von maximal 20 bis 30 km immer an eines der zahlreichen Wasserloecher, an denen sich die Tiere tummeln sollen. Eine Garantie dafuer gibt einem zwar keiner, die Wahrscheinlichkeit ist jedoch sehr hoch. Die Wasserstellen sind waehrend der langen Trockenzeit der Dreh- und Angelpunkt des Tierlebens, und der Durst und die Gewoehnung laesst bei den Tieren die natuerliche Furcht vor den Touristenautos schwinden.
Wir waren gespannt. Welche der Tiere wie Springboecke, Giraffen, Zebras, Oryxantilopen, Loewen, Geparden und Nashoerner und natuerlich Elefanten wuerden wir in den naechsten Tagen wohl zu Gesicht bekommen? Gleich hinter dem Parkeingang begruessten uns die ersten Giraffen und Springboecke. Die Tiere standen teilweise in grossen Gruppen neben der Piste oder zogen zielstrebig ueber diese hinweg. Als alte Trapper erkannten wir an den gigantischen Misthaufen auf der Piste und den zugehoerigen Fussspuren, dass sich zumindest vor kurzem auch ein paar Elefanten hier herumgetrieben haben. Wie das wohl sein wuerde, wenn man ploetzlich vor so einem Dickhaeuter auf der Piste stoppen muesste? Im Hinweisblatt fuer Parkbesucher steht jedenfalls, dass man besser den Motor laufen laesst und nicht in Fluchtpanik den Motor abwuergen sollte. Ich sinnierte ueber unsere hakelige Gangschaltung …
Fuer alle, die nun nach dieser langatmigen Vorrede erwarten, dass wir in Panik vor einem Tier fluechten mussten, hier die enttaeuschende Wahrheit: Nichts dergleichen geschah, aber wir waren ein paarmal sehr bemueht, die Fensterscheiben bis auf einen kleinen Schlitz hochzukurbeln. An den Wasserloechern, die wir auf die Schnelle anfuhren, herrschte ein reges Kommen und Gehen. Dabei bilden Giraffen, Oryx, Zebras und Springboecke eine Art Zweckgemeinschaft. Soll heissen, diese Tier schaffen es, zusammen und gleichzeitig am Wasserloch zu saufen, ohne dass es permanent zu Revierkaempfen kommt. Ueber die Beobachtung verging die Zeit viel zu schnell, und bald mussten wir uns wieder Richtung Parkausgang in Bewegung setzen. Im Sonnenuntergang sahen wir (eigentlich war es die ab da von uns „Trapper Sandy” getaufte Sandra mit ihren Adleraugen) noch einen einsamen Elefanten zu einem Wasserloch streben. 5 min vor Toresschluss schafften wir es aus dem Park heraus. Das hatte ja schon einmal sehr vielversprechend begonnen.
Nach Sonnenuntergang begann es, sich recht schnell abzukuehlen. Wir waren froh nach der Hitze des Tages, und als das Buffet mit einer kleinen Tanz- und Gesangseinlage eroeffnet wurde, war das Glueck perfekt. Gerne haetten wir noch ein paar Baeume ausgerissen, und wir zueckten sogar die Spielkarten, doch dieser Versuch missglueckte und wurde der aufkommenden Muedigkeit geopfert.
Die kurzen Abende waren vor allem dem fruehen Aufstehen geschuldet. Auch am Mittwoch mussten wir frueh raus, denn die Tiere sind nun mal am aktivsten bei Sonnenauf- und -untergang, denn in der Mittagshitze sind sie genauso faul wie wir. Gegen 6.30 Uhr enterten wir also den Park und fuhren die Wasserloecher ab. All unsere Freunde vom Vortag hatten sich wieder reichhaltig versammelt, aber das Interesse des Menschen ist ja eine tueckische Einrichtung. Schon fanden wir Springboecke und Zebras leicht langweilig, und sie durften von Trapper-Sandy nicht mehr explizit genannt werden. Wir warteten auf „etwas neues”.
Wir wurden aber nicht haengengelassen, denn von links naeherte sich ein echtes Highlight: Eine Gruppe von Loewinnen mit ihren Jungen! Sie liefen in einer schoenen, geraden Reihe direkt auf unsere Strasse zu! Fuer uns hiess das natuerlich „Fenster hoch”, denn mit einer Loewenmutter wollten wir uns ganz bestimmt nicht anlegen. Ploetzlich verschwanden sie praktisch unter uns: es gab einen kleinen Tunnel unter der Strasse (entweder fuer einen derzeitig ausgetrockneten Fluss oder als stressfreie Strassenueber- bzw. -unterquerung). Jedenfalls waren die Loewen wie verschluckt, nur ab und zu schaute mal einer raus. Das war uns eine Lehre, denn nun wussten wir, dass die offensichtliche Abwesenheit von Loewen durchaus truegen konnte! Fuer Pullerpausen suchten wir uns extrem flache Gebiete mit gutem Ueberblick und vor allem beeilten wir uns.
Wir naeherten uns der Mittagsstunde, und entsprechend heiss wurde es, Zeit fuer eine Pause. An der Raststation mit dem lustigen Namen „Halali” sprangen wir in den Pool und genehmigten uns ein kleines Mahl, wobei wir Gesellschaft von einem neugierigen Chamaeleon hatten. Und auf dem Rueckweg hatten wir dann wieder Glueck: Ein paar Elefanten hatten sich an einem Wasserloch eingefunden und zwei Jungbullen gaben eine kleine Kampfeinlage, die wir als Uebung einordneten. Wunderbar, mehr konnte man nun nicht erwarten! In unserer Lodge war inzwischen ein wenig mehr Betrieb, eine Schweizer Motorradgang hatte den Pool okkupiert. Falls die Typen am Abend noch eine Party gefeiert haben, haben wir Safarigaenger davon nichts mehr mitbekommen…
Am Donnerstag zogen wir direkt in den Etosha Nationalpark um. Dort gibt es das grosse Okaukuejo Resort, das ist das einzige Camp, das mitten im Park liegt. Als Megaattraktion gibt es dort ein beleuchtetes Wasserloch, vor dem man bei Bedarf die ganze Nacht hocken kann. Das „Resort” ist allerdings ein Mix aus FDGB-Ferienheim und Pionierlager, die Bungalows und Barracken strahlten einen gewissen sozialistischen Charme aus. Man ist zur Zeit dabei, die alten Haeuser abzureissen, aber wir hatten das Glueck, eine der alten, nostalgischen Huetten zu ergattern. Nun, wir waren ja nicht wegen der Schlafraeume hierhergefahren, sondern wir wollten Tiere sehen!
Im Rahmen der Aufrechterhaltung unseres allgemeinen Reiseinteresses liessen Tom und ich es langsam angehen, die Maedels machten sich alleine auf eine Rundfahrt. Tom und ich hingen ein wenig am Pool ab und gestatteten dem Wasserloch, welches nur 50 m von unserem Haeuschen entfernt war, gelegentliche Besuche ab. Nach ein paar Stunden kamen Sandra und Bewie hochbeglueckt von ihrer Tour zurueck, sie hatten zwei grosse Elefantenherden gesehen!
Am fruehen Abend war dann auch bei uns „Wasserlochalarm”. Tom hatte ein Nashorn gesichtet und alle sprinteten los. Mein erstes Nashorn ausserhalb von Tierparks, ich war begeistert! Es liess sich auch ordentlich Zeit und zuppelte ganz nah bei uns an ein paar Bueschen herum. Inzwischen ging die Sonne langsam unter und tauchte die Szenerie in ein wunderschoenes Licht. Ploetzlich sichteten wir am Horizont einen Elefanten. Es staubte ordentlich um ihn herum und gegen die Sonne war er mehr eine Silhouette, daher dauerte es auch etwas, bis wir alle erkannten, dass dort eine grosse Herde herbeizog. Das folgende Schauspiel laesst sich nur sehr schwer beschreiben. Ein scheinbar endloser Strom von Elefanten verschiedenster Groesse kam in einer derartigen Erhabenheit daher, in einer Mischung aus Grazie und Staerke zugleich, dass uns der Atem stockte und ich ein paar Glueckstraenen verdrueckte. Mein Maennerherz blieb an dieser Stelle auch nicht unberuehrt. Es war unglaublich, und kein Tierfilm der Welt kam nur im entferntesten an diesen „echten” Anblick heran.
Als die Herde am Wasserloch angekommen war, hatten sich saemtliche anderen Tiere zurueckgezogen, selbst das dicke Nashorn hatte den Koenigen das Nationalparks das Revier ueberlassen. Das Elefantenbad dauerte eine halbe Stunde. Ein Bulle vertrieb einen Rivalen, die Stosszaehne knallten aufeinander und wir wurden in eine ordentliche Staubwolke eingehuellt. Meine groesste Freude jedoch war ein Elefantenbaby, das im Wasserloch fast unterging und gar nicht wusste, was es mit diesem komischen Ruessel nun anfangen sollte, so dass es ihn lustig herumbaumeln liess. Trapper-Sandy zaehlte 33 Tiere in der Herde, wir waren gluecklich!
Inzwischen waren wir hungrig geworden und besuchten das FDGB-Buffet, ausser Bewie, welche sich auch nach dem Abgang der Elefanten nicht von ihrem Beobachtungsposten wegbewegen wollte. Und waehrend wir also etwas fuer unsere Figur taten, bewunderte sie eine zweite Elefantenherde und noch zwei Nashoerner. Wir waren natuerlich ein bisschen neidisch, aber in der kommenden Stunde kam nur noch die „uebliche” Tierschar ans Wasserloch, worauf einer nach dem anderen abtrat. Ich blieb noch als letzte zurueck, denn auch wenn Springboecke und Co. etwas haeufiger zu sehen waren: eine Mischung von Gnus, Zebras, Springboecken und Giraffen am Wasserloch ist immer beeindruckend!
Freitag, der Abschied von Bewi und Sandra nahte. Schon waren fast zwei Wochen vergangen, und das neue Jahr war auch schon lange keins mehr. Was fuer ein Feuerwerk von Eindruecken und Erlebnissen lag hier in Namibia schon hinter uns. Katrin und mir brummte bereits der Schaedel, wir sind diese Erlebnisfuelle nicht mehr gewohnt und alleine mit uns haetten wir uns an der einen oder anderen Stelle wohl mehr Zeit gelassen. Heute jedenfalls galt es erst einmal wieder, Kilometer fressen. Bis Windhoek waren es etwa 450 km, die gluecklicherweise durchgehend asphaltiert sind. So kaempften wir nur mit der Hitze. Die langen Kilometer gaben uns Gelegenheit, die ueberwaeltigenden Eindruecke der letzten Tage nochmals Revue passieren zu lassen.
Highlight unterwegs war der Ort Okahandja, der beruehmt fuer seine Kunstmaerkte und hier ganz besonders fuer die Schnitzereien ist. Nach einer Erholungspause in einer deutschen Baeckerei, die Spezialitaeten wie Broetchen mit Fleischsalat oder mit Gehacktem anbietet, brachen die Damen zu einem Bummel ueber den Schnitzermarkt auf. Ich hatte keine Lust auf Basar und blieb einfach im Auto unter einem schattenspendenden Baum stehen. Lesend wartete ich gespannt darauf, inwieweit die Mittagshitze den weiblichen Kaufrausch positiv oder negativ beeinflussen wuerde.
Die Hitze schien der Vernunft zutraeglich zu sein, vielleicht bewirkte aber auch nur die Gewichtsbegrenzung beim Fluggepaeck einen uebersichtlichen Einkauf. Die erstandenen Holzfiguren und Tiere waren tatsaechlich sehr schoen und fuer unsere Verhaeltnisse natuerlich spottbillig. Weiter ging es die letzten 80 km nach Windhoek, und wir waren gluecklich, dass wir wieder in unserem Gaestehaus vom Reiseanfang unterkamen. Hier wartete der Pool schon auf uns. Ehrensache, dass wir uns vom diesen bis zum Abend nicht mehr entfernten.
Zum Abendessen ging es in ein uns empfohlenes Restaurant, und beim Essen im Freien liessen wir die gemeinsame Reise an uns vorbeiziehen. Es ging halt alles nur viel zu schnell, und eine leichte Traurigkeit machte sich bei allen breit. Schoen, wenn wir jetzt noch ein paar gemeinsame Tage gehabt haetten. Und fuer alle, die mir im Vorfeld ihr Mitgefuehl fuer die vermutlich harte Zeit als Einzelkaempfer zwischen drei Frauen ausgesprochen haben: Es war wirklich ein grosser Spass!