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Text von Thomas ist gruen

Text von Katrin ist schwarz

Ort [Keetmanshoop - Opuwo] Datum [28.01.07-31.01.07] Reisetag [266 - 269] Temp. [ca.30]
82. Voelkerbegegnung

Sonntags sollst du ruhen oder schnell mal 500 km fahren. Viel mehr ist heute auch nicht passiert. Wir erreichten (mal wieder) Windhoek in den Nachmittagsstunden und verplemperten ein wenig Zeit damit, uns diesmal ein anderes Guesthouse zu suchen. Als wir das endlich geschafft hatten, stuermten wir sogleich ein italienisches Restaurant, das den unschlagbaren Vorteil hatte, ueberhaupt geoeffnet zu sein. Es war halt wieder Sonntag, der Tag, an dem in Windhoek der Hund begraben ist. Wir haben kein richtiges Glueck mit der Stadt, aber uns immerhin fest vorgenommen, vor unserer Abreise sogar hier auf Entdeckungstour zu gehen. Das ist mir neu, und ich moechte das hiermit auch offiziell bezweifeln… Ich erinnere mich noch genau an diesen Satz.

Den Abend verbrachten wir mit einem deutschen, jungen Paerchen, das gerade heute erst angekommen und ganz begierig auf ein paar Reiseinfos war. Da konnten wir aus unserem inzwischen reichhaltigen Namibianaehkaestchen plaudern und hoffen, dass wir ihnen wirklich ein wenig helfen konnten. Ansonsten daemmerten wir einem weiteren ereignisreichen Tag entgegen, denn morgen hiess es mal wieder „viel und weit fahren” - das Kaokoveld wartete schon auf uns. Im Klartext: fast bis zum Etosha Nationalpark und dann Richtung Nordwesten.

Wie erwartet verlief dann der Montag. Fahren, fahren … Schon wieder 500 km, dafuer heute nicht in so bruellender Hitze und durch eine inzwischen ueberraschend gruene Landschaft. Wir erkannten die Strecke, die wir vor gut einer Woche schon einmal gefahren waren, fast nicht wieder. Selbst die felsigen Berge und sandigen Huegel hatten eine leichte gruene Patina bekommen. An einigen Stellen zogen sich grosse Pfuetzen neben den Strassen entlang. Beeindruckend, welch schnelle Wandlung das Land mit ein paar Regenfaellen nahm.

Den Rest des gestrigen Abends hatten wir in Windhoek mit Gewitterbeobachtung verbracht und es regnete tatsaechlich auch recht ergiebig. So liefen wir den ganzen Morgen mit stolz geschwellter Brust herum und erzaehlten allen, die es nicht wissen wollten, dass wir wohl die „Regenbringer” sein muessen, denn ueberall, wo wir die letzten Tage verbrachten, kam der abendliche Regen. Sei es, wie es ist - die Leute freuten sich ueber das lang ersehnte Nass. Komischerweise klappte unser Regentrick auch heute wieder. Abends begann es in Kamajab fuer eine Weile zu regnen, und in die Nacht begleitete uns das Wetterleuchten und ein entferntes Grollen. Wenn die Nummer noch laenger so gut funktioniert, koennen wir anfangen, damit Geld zu verdienen!

Unser Nachtlager fanden wir auf einem Campingplatz, der auch drei Bungalows vermietete. Da der Ort Kamajab eine erstaunlich grosse Auswahl an Uebernachtungsmoeglichkeiten bot, wunderten wir uns nicht sehr, dass wir die einzigen Gaeste waren. Immerhin brachte uns das eine interessante Unterhaltung mit Tina, der Freundin des Eigentuemers, ein. Tina ist so Mitte 50 und sie war vor 25 Jahren als Grundschullehrerin an die deutsche Schule in Windhoek gekommen. Dort hat sie 5 Jahre unterrichtet, danach noch 3 weitere Jahre in irgendeinem kleinen Ort. Und irgendwie ist sie in Namibia haengen geblieben. Heute betreibt sie mit ihrem Freund Rolf, einem alten Suedwester (ein echt schraeger Typ, der die Gegend und die Natur wie seine Westentasche kennt), den Campingplatz. Hoert sich nicht so speziell an, ist es aber, denn der Campingplatz steht im Nichts und in 3 km Entfernung gibt es nur eine Minikleinstadt mit ca. 300 Weissen, davon die meisten Afrikaaner (Buren), die mit den Deutschen nicht so wollen. Die richtige Zivilisation ist mehrere hundert Kilometer entfernt.

Rundherum gibt es noch ein paar versprengte deutsche Farmer, aber das wars. Tinas Verbindung zur deutschen Welt besteht aus gelegentlichen Nachrichten auf Deutsche Welle TV, und alle zwei Jahre besucht sie ihre Familienangehoerigen in Deutschland. Was sie den ganzen Tag dort in der Wildnis machen? Keine Ahnung. Rolf wird bestimmt immer wissen, was er machen kann, und wenn er auf Naturstreifzuege geht. Aber was macht eine Exlehrerin in so einer Gegend? Zumal sie fuer den Platz noch mehrere schwarze Angestellte haben, die die eigentliche Arbeit erledigen. Tinas Tageshoehepunkte schienen aus Vogelbeobachtung und dem Einsammeln von Stachelschweinstacheln zu bestehen. Wir hatten jedenfalls eine nette Begegnung mit Leuten, die wirklich ganz anders leben!

Dienstag. In der Nacht hatte es tatsaechlich auch geregnet, insgesamt waren 9 mm Regen gefallen. Das wird hier immer ganz genau registriert und die Daten werden (neidvoll) ausgetauscht. Es haette natuerlich gerne etwas mehr sein koennen, aber unser Vermieter Rolf schien ganz zufrieden, zumal am Vortag bereits 34 mm gefallen waren. In so einem trockenen Land ist der Regen eben ein grosses Thema. Fuer die Termiten uebrigens auch, denn nach dem ersten Regenfall beginnt die Paarungszeit und damit verbunden die Suche der Koenigin nach einem neuen Siedlungsort. So waren in den fruehen Morgenstunden abertausende der fast 1 cm grossen maennlichen Tiere ausgeschwaermt auf der Suche nach einer neuen Koenigin. Dazu bilden die Termiten kurz vorher ziemlich grosse Fluegel, die von der Form und Groesse fast an kleine, laengliche Blaetter erinnern. Bei diesem Ausschwaermen werden sie jedoch scheinbar sehr leicht von Lichtquellen abgelenkt. Deshalb lagen vor der Haupthuette, vor der die ganze Nacht ein paar Lampen brannten, nun Unmengen von sterbenden Termiten herum, denn nach dem Kurz-„ausflug” sind deren Stunden gezaehlt.

Als wir zum Fruehstueck zogen, war man gerade dabei, die ganzen Ueberreste beiseite zu fegen. Dazu gab es gleich eine kleine Buschmannlehrstunde. Die Enden der Termiten wuerden geroestet ganz toll schmecken! Zum Glueck blieb uns diese Delikatesse erspart. Danach gleich noch eine weitere Episode. Ueber den Weg kroch ein ca. 30 cm langer, schwarzer, ungefaehr fingerdicker Tausendfuesser. Dieser ergibt getrocknet und zu feinem Pulver zerrieben wunderbare Barrieren gegen alle moeglichen Kleintiere, vor allem aber Skorpione und Schlangen. Die Buschleute kennen diesen Trick natuerlich und streuen dieses Wunderpulver um ihre Schlafstaetten. So haette es bestimmt noch einiges nuetzliches zu erfahren gegeben, aber wir verabschiedeten uns mit Haendedruck und liessen unsere beiden Vermieter hier im Nirgendwo zurueck.

Heute mussten wir nicht gar so weit. Bis Opuwo waren es etwa 270 km, davon allerdings der ueberwiegende Teil Schotterpiste. Die Strasse entlang an der Westseite der Etoshapfanne wird gerade erneuert und bekommt wohl anlaesslich des 100- jaehrigen Geburtstags des Nationalparks endlich eine Teerschicht. So wurde gerade sehr eifrig und mit echtem Einsatz an der Strasse gebaut. Wir mussten uns auf 100 km Laenge mit einer Notpiste begnuegen, die teilweise neben der schon fertigen neuen Strasse entlangfuehrte. Das war gemein, die schoene Strasse im Blick polterten wir ueber die durch den Regen wenigstens nicht ganz so staubige Piste. Diese neue Strasse wird den Tourismus hier mit Sicherheit weiter voranbringen, denn Opuwu bietet das zivilisierte „Eingangstor” in das Gebiet der Volksgruppe der Himbas.

Das dem wirklich so ist, merkten wir gleich am Ortseingang. Neben der Strasse liefen die ersten halbnackten Himbafrauen mit ihrer charakteristischen braunroten Hautfaerbung. Manche der Frauen trugen ihre Babys in einem typischen Tragegurt auf dem Ruecken. Wir trauten jedenfalls unseren Augen nicht und Katrin waere am liebsten gleich aus dem Auto gesprungen. Ueberhaupt war unsere erste Fahrt durch die Hauptstrasse Opuwus ein ganezlich neuer Eindruck - scheinbar waren wir jetzt wirklich in Afrika angekommen. Ueberall brodelte das Leben, viele Menschen waren zu Fuss auf der Strasse unterwegs, die Autodichte hatte deutlich abgenommen und als Weisser war man nun offensichtlich ein Exot. Die Gefuehlslage schwankte mehrmals zwischen „wie sicher ist das hier wohl” und „blanker Faszination”, wobei die letztere doch schnell die Oberhand gewann.

Erst einmal ging es auf die Suche nach einer Bleibe. Das ist hier recht einfach, denn allzuviel Auswahl gibt es nicht. Nachdem wir uns eine „Notloesung” mitten im Ort angeschaut hatten, brachen wir auf zur einzigen und ganz neuen Luxuslodge des Ortes. Wir waren scheinbar fast die einzigen Gaeste, und nachdem wir die Zimmer inspiziert hatten, wussten wir, das wir hier bleiben wollten - Reisebudget hin oder her. Das arme Budget war besonders durch die zusaetzlichen Fluege nach Namibia strapaziert worden, welche leider nicht im Round the World Ticket enthalten waren, da angeblich nicht buchbar. Nun hatten wir uns zum Ende des Monats gerade noch halbwegs erholt, und nun diese teure Lodge. Aber in solchen Krisen sind wir uns immer schnell einig: Sch… drauf! Unsere Entscheidung war uns wohl recht deutlich anzusehen, und so blieb es beim Preispoker mit der Dame an der Rezeption bei einem 20 prozentigen Discount (immerhin!), weil wir drei Naechte bleiben wollten. Und es gab als Zugabe die Luxussuite (Zimmer 1), der einzige Bungalow mit einem grossen Doppelbett. So sind wir also fast als einzige Gaeste der Anlage im VIP Room gelandet. Nach einer kurzen Pause am Pool mussten wir unbedingt noch einmal in den Ort fahren. Mit einem sicheren „Luxus” Rueckzugspunkt waren wir schon viel gelassener. Allerdings ist gerade dieser Luxus moralisch so eine Sache, wenn man bedenkt, dass wir pro Nacht locker das hiesige Familieneinkommen fuer einen Monat ausgeben... Andererseits arbeiten in der Lodge nur Einheimische, das beruhigt das Gewissen ein wenig. Und ausserdem fuehlt man sich als reicher Europaer eher ausgenommen, denn so teuer muesste es wirklich nicht sein.

Wir steuerten eine Art Infocenter an und entschieden uns fuer eine Tour in ein Himbadorf mit einem oertlichen Fuehrer. Morgen wuerde es losgehen, und wir waren bereits sehr gespannt. In einem der reichlich vorhandenen Supermaerkte, der uns schon wegen seines reichhaltigen Angebotes ueberraschte, fielen wir dann vollends vom Glauben ab. Zwischen den Regalen liefen ganz selbstverstaendlich einige Himbafrauen herum (natuerlich halbnackt) und machten ihre Einkaeufe. An der Kasse stellten wir uns auf Katrins Wunsch extra hinter sie, obwohl alle anderen Kassen gerade frei waren, und es war ueberraschend, aus welchen Teilen der spaerlichen Bekleidung (aus dem Fussschmuck - nicht was ihr denkt!) das Geld vorgekramt wurde. Eine junge Himba hatte sogar in passender erdiger Farbe ein kleine Lederhandtasche mit supertrendy New York- Aufdruck. Welten prallen hier aufeinander und vermischen sich zu was auch immer.

Mittwoch, wir machten uns frueh auf, um unseren Tourguide Kemu in Opuwo abzuholen. Wir waren sehr gespannt. Katrin hatte gestern auf die Schnelle einen Bildband ueber die Himbas und ihre Kultur durchgearbeitet, und so waren wir randvoll mit theoretischen Informationen ueber Kultur und Lebensweise dieser Menschen. Wie das wohl alles in Realitaet aussehen wuerde?

Mit Kemu ging es in Opuwo zunaechst in den Supermarkt, wo wir fuer etwa 180 NAD (ca. 20 Euro) Geschenke fuer das Dorf, das wir besuchen wollten, einkauften. Himbas wissen traditionell mit Geld nichts anzufangen, das heisst, es ist wertlos. Stattdessen lebt man ueber den Tauschhandel. (Auch dieser Punkt ist im Wandel.) Wir kauften einen 20 kg Sack Maismehl, 2 kg Zucker, Tee, Tabak und Schnupftabak, ein paar kleine Doppelpacken Aspirin fuer die Kinder, 3 Packungen Bonbons und Vaseline, das mit dem roten Sand vermischt die Grundlage fuer die Naturfarbe bildet, mit denen sich die Himbas einreiben. Ausserdem unterstuetzten wir noch die Bildung, indem wir 10 Schulhefte nebst Kugelschreibern kauften. Dann ging es los ueber eine Piste Richtung Westen, von der wir nach 20 km ins Buschland abbogen. Unterwegs erzaehlte uns Kemu ueber den Ursprung des Nomadenvolkes der Himba, die urspruenglich aus Zentralafrika stammen.

Kemu selbst bezeichnete sich als „modernen Himba”, da er zur Schule gegangen ist, jetzt die meiste Zeit in der Stadt lebt und zudem nun schon seit 7 Jahren sein Tourgeschaeft betreibt. Sein eigenes Herkunftsdorf liegt ca. 80 km von hier entfernt, und seine Eltern halten ihn inzwischen fuer vollkommen verrueckt, aber das fing ja schon an, als er zur Schule wollte. Er ist in seiner Familie bisher der einzige mit einer Schulbildung. Ob er seine Kinder zur Schule senden will, weiss er selbst nicht so richtig: „Was nutzt dir die Schule, wenn du nachher gebildest bist und trotzdem keinen Job findest? Als Hirte in dein Dorf zurueck willst du dann auch nicht mehr und schon sitzt du eingeklemmt zwischen zwei Welten.” Seine Kinder sollen selber entscheiden, ob sie zur Schule gehen wollen, er wird sie nicht draengen.

Die Himbas und ihre Ansicht ueber die Zeit. Das folgende Zitat ist einem Buch ueber die Himbas entnommen, geschrieben von einer Soziologin, die sich zwei Jahre sehr intensiv mit der Himba- Kultur und Lebensweise auseinandergesetzt hat: „… Fuer sie [die Himbas] ist die Zeit ein Fluss, der an ihnen vorbeifliesst. Die Zukunft, die sich noch ereignen muss, liegt unsichtbar hinter ihnen, doch haben sie einen klaren Blick auf das Vergangene, vor ihnen Liegende. Die westliche Vorstellung der abgelaufenen Vergangenheit und des Blicks auf die Zukunft erscheint den Himba daher voellig sinnlos. .. Wenn die Vergangenheit hinter einem liegt, kann man sie nicht sehen und daher leicht vergessen. Das kann nicht gut sein. Und wie kann morgen vor einem liegen? Wenn es dort waere, koennte man es doch sehen!” Es ist eben alles nur eine Frage der Sichtweise!

Doch nun zurueck zu unserem Besuch. Als wir im Dorf ankamen, mussten wir beide zunaechst im Auto sitzen bleiben, denn Kemu wollte erst den Chief um die Erlaubnis fuer unseren Besuch bitten. Der Chief war ein 89-jaehriger, ziemlich klapperiger alter Mann, der aber wichtig mit einem Jacket herumlief, waehrend der Rest des Dorfes die typische Himba-Kleidung trug. Die Frauen haben einen Lederlendenschurz, sehr schweren, schoenen Schmuck, und sie sind am ganzen Koerper mit einer Mischung aus Fett und rotbraunem Lehm eingerieben, was ihnen ihre typische, roetliche Farbe verleiht und sehr beeindruckend aussieht. Auch die Haare sind kunstvoll in einzelne, lehmbepackte Zoepfe geflochten. Die Frisur sagt genau aus, ob eine Frau noch in der Pubertaet ist, verheiratet ist, usw. Es waren nur Frauen und Kinder anwesend, die Maenner ziehen zur Zeit mit dem Vieh dem Regen hinterher, denn die oertlichen Wasserreserven sollen fuer die Trockenzeit geschont werden. Die Himbas sind Halbnomaden, d.h. sie haben ein Hauptdorf, wandern aber bei Bedarf (wasserabhaengig) weiter.

Kemu machte eine Runde durch das gesamte Dorf und begruesste alle mit Handschlag sowie einem kleinen Schwaetzchen. Inzwischen kam eine neugierige Schar Kinder zu uns, sie hatten schon von weitem unser Toennchen entdeckt und wollten ihn natuerlich haben! Das ging ja nun nicht, und wir versteckten ihn ganz schnell. Nach gut 10 Minuten wurden wir ins Dorf gebeten. Inzwischen versammelten sich immer mehr Frauen um den Haeuptling herum und setzten sich im Kreis auf den Boden. Theoretisch sollten wir dort wohl auch sitzen, aber da der gesamte Dorfboden mit einer ueppigen Schicht Schafkoettel bedeckt war, hockten wir uns nur hin (unsere armen Knie). Der Haeuptling fragte uns mit Uebersetzungshilfe durch Kemu erst mal eine Runde aus und begutachtete dann unsere Mitbringsel. Als Mann war ich bei ihm ganz schnell unten durch, als ich zugeben musste, dass ich nur eine Frau habe. Auch die Nachricht, dass wir aus dem ueber 8000 km entfernten Deutschland kaemen, beeindruckte ihn nicht sonderlich, denn bereits die angolanische Grenze war fuer ihn nahe am Ende der Welt. Ich hatte eine Tuete Pfefferminzbonbons in der Hand und wurde von allen Seiten angerufen, diese zu verteilen. Das ganze Dorf sass bonbonlutschend um uns herum!

Es war natuerlich schwer, mit den Frauen zu kommunizieren, denn sie sprechen kein Englisch. Es war auch sehr seltsam, dass sie immer wegschauten, wenn sie mit einem sprachen. Wir kamen uns ein bisschen komisch vor, wie wir dort hockten und uns ziemlich schleppend verstaendigten. Nach einer Weile machten wir uns auf zu einem Rundgang durch das Dorf. Wir schauten einer Frau beim Herstellen der roten Paste zu, ich probierte mich am Walken einer Kuhhaut, was mir eine wunderbare Schleimschicht auf die Haende zauberte, und wir durften die brodelnden, gusseisernen Toepfe inspizieren (die Hauptnahrung besteht aus einem Maisbrei, manchmal gibt es Fleisch).

Vorbei ging es am heiligen Feuer, das immer brennen muss. Dort finden alle wichtigen Handlungen statt wie z.B. Kinderweihe, Geisteraustreibung oder die Kontakaufnahme zu den Ahnen. Ein spezielles Ritual der Himbas ist es, den ca. 12-jaehrigen Kindern die vier unteren Schneidezaehne auszuschlagen, ein radikaler Vorgang. Bei vollem Bewusstsein werden mit einem Meissel die Zaehne rausgedroschen, anschliessend wird die Wunde mit einem gluehenden Stueck Eisen versiegelt. Nichts mit popeliger Jugendweihe oder dem Nachplappern ein paar religioeser Sprueche bei der Konfirmation. Trotzdem seltsam sinnlos. Unser Guide Kemu hatte sich als Kind geweigert, deshalb finden ihn die Himbas heute ziemlich haesslich mit seinem vollstaendigen Gebiss!

In eine der runden Huetten, deren Waende aus mit Kuhdung verschmierten Stoecken bestehen, wurden wir hineingebeten. Dort sass eine der Frauen des Chiefs und praesentierte uns ihr 2 Wochen altes Baby. Die sehr freundliche Frau war 23 Jahre alt, und das Baby war ihr fuenftes Kind von ihrem 89-jaehrigen Ehemann!!! Wir bekamen die gesamte Inneneinrichtung erklaert (hauptsaechlich aus Lederhaeuten bestehend), waehrenddessen pullerte das nackte Baby mal froehlich auf das „Bett” der Mama, welche nicht zuckte. Und dann kam das Universalgesetz der Menschheit zum Zuge: Die Schwiegermutter betrat die Huette und sofort schlug die Stimmung leicht um. Aus dem fast lockeren Gespraech wurde jetzt eine sehr rituelle Handlung, und Kemu erlaeuterte uns, dass die Schwiegermutter das Chiefs hier doch eigentlich heimlich die Zuegel in der Hand haelt. Die Welt folgt also doch ein paar ganz einfachen Grundregeln!

Anschliessend besuchten wir die sogenannte „mobile school”, welche aus einem Zelt bestand. Die Lehrerin kommt immer aus der Stadt herbei und wohnt die Woche ueber im Dorf. 9 Kindern bildeten die Klasse, es wurde gleichzeitig Klasse 1 bis 3 unterrichtet. Die Kids waren sehr schuechtern und schrieben gerade einen Text ab, der von Thomas und Peter handelte. Alle fanden natuerlich sehr lustig, dass Thomas nun auch noch zu Besuch kam. Uns wurden zwei Lieder vorgesungen, woraufhin ich dachte, warum sollen immer nur die anderen etwas vorfuehren, und so sang auch ich ein Lied, das ich bei meiner Gesangslehrerin in Neuseeland gelernt hatte. Die Kinder fanden das Lied ganz toll, ich sang es insgesamt viermal vor, und sie versuchten mitzusingen. Ich musste den Text dann aufschreiben, damit sie es spaeter ordentlich lernen koennen. Das war echt schoen!

Der inzwischen riesige Frauenkreis hatte sich waehrend unserer Abwesenheit in einen grossen Marktplatz verwandelt und wir sollten Schmuck kaufen. Ich war ziemlich scharf auf eine der schoenen Halsketten, aber die Verkaeuferin war genauso stur wie ich, und wir konnten uns nicht einigen. So kaufte ich nur eine Kalebasse, einen Kuerbis, der von den Himbas als Flasche verwendet wird. Wir verabschiedeten uns vom Haeuptling mit Handschlag und fuhren absolut beeindruckt von dannen.

Auf dem Rueckweg fragten wir Kemu noch jede Menge Loecher in den Bauch ueber das Leben der Himbas. Sehr speziell fand ich die Waschgewohnheiten. Diese gibt es naemlich nicht. Die Maenner nehmen gelegentlich ein Bad, wenn sie an die Wasserstellen gelangen, aber die Frauen waschen sich nie!! Das Wasser ist viel zu kostbar, um es zum Waschen zu vergeuden. Sie verwenden nur ihre Lehm-Fetteinreibung, oft mehrmals am Tag und stellen sich ueber getrocknete Zweige des sogenannten Parfuembaumes, welche sie anzuenden und damit den Koerper beduften. Das wars... Und echt seltsam: sie haben nicht schlecht gerochen! Durch ihre Ockerfarbe sehen sie supersauber aus, auch die Kinder sind so eingerieben. Unglaublich!

Bei unserem Besuch haben wir geniale Fotos geschossen, leider sind die Internetleitungen hier eine mittlere Katastrophe, also habt noch etwas Geduld!

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