Text von Thomas ist gruen
Text von Katrin ist schwarz
Donnerstag. Kemus detektivischer Scharfsinn und vor allem seine gute Kenntnis der gesamten naeheren und weiteren Umgebung hat uns tatsaechlich auf die Spur des Lehrers gebracht, den wir vor ein paar Wochen im Shuttlebus vom Flughafen nach Windhoek kennengelernt hatten! Und das aus den spaerlichen Informationen, die wir hatten: weisser Amerikaner aus Chicago, der als Freiwilliger fuer zwei Jahre in einer Schule als Englischlehrer arbeitet, die etwa 30 km vom naechsten groesseren Ort im Nordwesten Namibias entfernt liegt. Am Wochenende faehrt er mitunter in eine sehr neue Lodge, die ueber einen Swimmingpool verfuegt. Und einige seiner Schueler der Klasse 10, die er gerade zum Schulabschluss fuehrt, sind Himbas.
Wir waren gespannt, ob die Person, die Kemu gefunden hatte, tatsaechlich „unser” Lehrer war. So machten wir uns zusammen mit ihm auf den Weg nach Oamaranu - erst 15 km entlang der Hauptstrasse und dann 15 km auf einer Nebenstrasse bis zum naechsten etwas groesseren Ort. Wir holperten ueber die nicht existierende Dorfstrasse und standen ploetzlich vor einer unerwartet grossen Schule. Auf dem Schulhof liefen einige erstaunlich erwachsene Schueler und Schuelerinnen herum, die alle Schuluniformen trugen. Unsere neugierigen Blicke trafen auf mindestens genauso neugierige Blicke der Schueler. Was wir hier wohl wollten? Wir sprachen mit dem Direktor, einem ziemlich jungen Mann, der mit feinem Hemd und ordentlicher Krawatte in seinem Buero sass. Ueber das laut schnarrende Radio hinweg, das scheinbar permanent in seinem Buero lief, bestaetigte er uns, dass hier ein Louis aus Chicago arbeitet. Das Pech war nur, das der gerade fuer eine medizinische Routineuntersuchung in Windhoek sei. Aber morgen sollte er wieder unterrichten, muesste also heute gegen Abend wieder hier ankommen.
Unser Entschluss war schnell gefasst. Wir verlaengerten unseren Aufenthalt in Opuwo um einen Tag und wuerden Louis morgen in der Schule besuchen. Bis zum Nachmittag verbrachten wir die Zeit mit Kemu, der uns von einer BBC Dokumentation ueber die Himbas berichtete, bei deren Erstellung er vor 2 Jahren mitgewirkt hatte. Ob wir einen DVD Spieler im Notebook haetten, dann koennten wir uns das doch einmal anschauen und vielleicht sogar fuer ihn ein paar Kopien von der DVD ziehen?
So sassen wir drei dann in der Lobby unseres Hotels und schauten BBC auf dem Notebook. Wir hatten eine schoene Reportage erwartet, allerdings stellte sich der Film als typische Endemol-Produktion mit hohem Aufregeranteil heraus. Man hatte eine (ziemlich bescheuerte) englische Familie zu den Himba geschickt, damit die dort eine Woche leben. Die Mutter war voll hysterisch und hat die ganze Zeit geheult, weil alles so eklig war. Kemu, der alles fuer das Filmteam organisiert hatte, erzaehlte uns, dass er damals gar nicht mehr wusste, was er machen sollte. Der Haeuptling war absolut beleidigt durch das Verhalten der Familie, die meistens nur rumgeschrien hat. Naja, bisschen schade, dass so viel Schwachsinn dabei ist, aber wir wollten uns trotzdem eine Kopie machen, damit wir eine filmische Erinnerung an die Himba und auch an Kemu haben.
Wir assen mit Kemu Mittag in der Lodge, und danach fuhr ich mit ihm in die Stadt, um DVD Rohlinge zu erwerben. Tom hatte keine Lust mitzukommen, und so kam ich mir ein bisschen komisch vor, mit Kemu allein im Auto durch die Gegend zu fahren, ein bisschen wie die weisse Massai mit ihrem neuen schwarzen Freund, den sie frisch eingekauft hat… Wir bekamen die DVDs und riefen auch noch den Lehrer auf dem Handy an, um rauszubekommen, ob er morgen wirklich wieder zurueck sein wuerde. Der wusste gar nicht, wer da denn am Telefon ist, denn schliesslich hatten wir nur eine knappe Stunde in einem Bus geschwatzt und wir kannten nicht einmal unsere Namen. Dann fand er es aber echt witzig, dass wir ihn gefunden hatten, und wir verabredeten uns fuer den naechsten Vormittag.
Am Freitag frueh erschienen wir also wieder in der Schule. Die Schueler wunderten sich bestimmt, was die beiden Blonden schon wieder hier machten. Wir fanden Louis, und es gab ein grosses Hallo. Er hatte noch einen anderen Volontaer, der weiter im Norden arbeitete und der mit ihm in Windhuk beim Arzt war, zu Besuch. Vier Weisse in einer Klasse, das gab es wohl noch nie dort. Tom und ich bekamen eine Schulbank in die Ecke gestellt und durften in der naechsten (letzten) Stunde hospitieren. Louis fand, wir sassen da wir Charles und Diana auf Afrikatour. Ein bisschen so fuehlten wir uns auch. Wir durften uns vorstellen, und nachdem Tom den geografischen Teil geklaert hatte, hielt ich eine kurze Rede, wie wichtig es ist, dass alle gut englisch lernen, denn sonst koennten wir uns nicht verstehen. Ja, ja…
Das Stundenthema war ziemlich kompliziert, es ging um Gedichte. Nicht nur sprachlich haben die Schueler wohl die Haelfte nicht verstanden, es ist fuer die Menschen dort auch ziemlich schwer, sich vom Ist-Zustand wegzubewegen und eine eigene Kreativitaet zu entwickeln. Da war wohl noch ein Berg zu ueberwinden… Nach der Stunde verursachten wir einen mittleren Auflauf, als wir Schueler fotografierten, welche sich die Bilder anschliessend auf dem Display anschauen durften. Jeder wollte aufs Bild, es war ziemlich turbulent und sehr lustig.
Wir durften Louis Haus, das ihm von der Hilfsorganisation gestellt worden war, besichtigen. Also ich sage nur Hilfe! Es war zwar schoen gross fuer eine Person, das wars aber auch schon. Es gibt nur dreimal die Woche Wasser, das er dann in alle moeglichen Behaelter fuellen muss. Strom ist meistens da, ausser wenn es gewittert. Louis lachte ueber unsere erstaunten Gesichter und erzaehlte, dass er in den ersten Wochen auch die Tage gezaehlt hat, bis die zwei Jahre herum sein wuerden, niemals ohne Moskitonetz geschlafen hat und alles ziemlich furchtbar fand. Inzwischen hat er sich so an sein Leben dort gewoehnt, dass er gar nicht ans Ende denken mag. Das Moskitonetz ist seit langem verstaut, und die Kaefer laufen froehlich durchs Haus, solange sie nicht giftig sind.
Wir besichtigten auch noch die Speisesaele und die Schlafraeume der Kinder. Es war ziemlich beklemmend, alles hatte eine gewisse Knastatmosphaere. Matratzen gab es nur fuer die, die sie sich erkaempfen koennen, der Rest schlaeft auf dem Bettgitter mit nur einer einzigen Wolldecke. Wir zogen eine ganze Horde Kinder hinter uns her, am liebsten haette ich die alle ganz doll geknuddelt. So kleine Jungs, weit weg von den Familien und dann in so einer Umgebung! Eine kleine Rotznase hatte sich an meine Hand gehaengt und zog mit mir herum. Wir ueberlegten, was wir den Kindern nur gutes tun koennten. Unsere Idee waren Fussbaelle!
Da Louis von seiner Ruecktour aus Windhuk ziemlich K.O. war, verschwanden wir erst einmal und verabredeten uns fuer den naechsten Morgen. Auf der Fahrt nach Opuwo nahmen wir noch zwei Lehrer mit, die natuerlich per Anhalter fuhren. Unglaublich, mit welchem Optimismus auf die Reise gegangen wird, wo dort eigentlich kaum Autos fahren! Der Physiklehrer erzaehlte uns waehrend der Fahrt, wie schwierig es ist, einem Himba- oder Hererokind physikalische Zusammenhaenge zu erklaeren, weil es mit vielen der beschriebenen Situationen gar nichts anfangen kann. Ich meinte daraufhin, dass es mir als deutschem Kind auch nicht viel besser ging, und dass es einfach Faecher gibt, die der normale Mensch nicht so leicht verstehen kann… Immerhin faellt auch hier alles nach unten - damit ist doch schon ein Anfang geschafft! Allerdings kommen dann gleiche die Gravitationskraefte ins Spiel, au weia.
In Opuwo suchten wir in saemtlichen Geschaeften nach Fussbaellen, aber es gab generell unglaublich wenig Spielzeug und schon gar keine Baelle. Ich kaufte erst einmal ein paar Beutel Luftballons und wusste nicht, was wir jetzt tun sollten, verlagerte das Problem aber auf den naechsten Tag. Wir fuhren noch schnell bei Kemu vorbei und gaben ihm seine DVD-Kopien. Wir schenkten ihm unser Spiegel Magazin, welches ihn sehr interessiert hatte, denn auf einer Art Jubilaeumsausgabe waren diverse Persoenlichkeiten der letzten 60 Jahre abgebildet. Besonders faszinierend fand er die Bilder von Saddam Hussein und Osama Bin Laden, die er zwar kannte, aber noch nie gesehen hatte. Ersteren bezeichnete er als Loewen und zeigte jedem, der vorbeikam, sofort das Foto… Wir waren sowieso erstaunt, was Kemu alles wusste. Ohne Fernseher und noch nie aus seiner Gegend herausgekommen, hat er seine gesamte Weisheit aus irgendwelchen Buechern entnommen! Wir verabschiedeten uns von diesem netten Himba und wuenschten ihm, dass sein Geschaeft immer gut laufen moege.
Am Samstag fand ein Sportturnier in der Schule statt. Wir wollten uns das ganze anschauen und im Anschluss nach Ruacana an der angolanischen Grenze weiterfahren. Zuvor wurde in Opuwo noch weiter nach einem Mitbringsel fuer die Schueler gesucht. Das war nicht so einfach, denn was will man 450 Schuelern mitbringen? Kugelschreiber in dieser Menge haetten ein kleines (namibianisches) Vermoegen gekostet und waeren in dieser Anzahl auch nicht auf Anhieb zu bekommen gewesen. So entschieden wir uns letztlich fuer eine Art Zuckerstange, die es in 50er Beuteln gab. Katrins Kommentar: „Davon hat man beim Lutschen etwas laenger was!”. So ausgeruestet machten wir uns auf den Weg. Leider war das Sportevent gerade vorbei, als wir ankamen. Jetzt wurde erst einmal fuer alle Kinder eine Mittagspause gemacht, und erst am Nachmittag wuerde es mit einem kleinen Fussballturnier weitergehen.
Katrin begann mit der Verteilung ihrer Luftballons. Einen kurzen Augenblick sah es sogar so aus, als koennte man eine halbwegs gerechte Verteilung bei den kleinen Kindern hinbekommen, und auf Kommando bildete sich so etwas wie eine Schlange vor Katrin. Mit erhobener Stimme und ebensolchen Zeigefinger erklaerte Katrin die Regeln „Jedes Kind nur einen Luftballon!”. Das funktionierte ungefaehr fuer die ersten vier Kinder, danach bildete sich eine Traube und Katrin war umgeben von einer hundertarmigen Krake aus Kinderhaenden, die sie langsam gegen die Wand eines Gebaeudes drueckte. Der naechste Versuch war die Verteilung durch den Zaun des Lehrergrundstuecks hindurch, was ziemlich bald damit endete, dass der Torriegel, ein relativ dicker Holzstock, abknickte. Zum Glueck waren bald alle Tueten mit den Luftballons leer. Die besten Draengler hatten um die fuenf Ballons abgegriffen und baten mit wehleidigem Gesicht und leeren Haenden um mehr, nur um Sekunden spaeter ueber sich selber grinsen zu muessen.
Puh, was fuer ein Wahnsinn! Das musste mit den Zuckerstangen aber echt besser organisiert werden, sonst wuerde ich wohl durchdrehen. Wir ueberlegten, dass das Mittag der richtige Zeitpunkt sein wuerde, zu jedem Teller eine Stange. Also auf in die Kueche, wo man bereits begonnen hatte, Reis, Kartoffelbrei, Sauce und einen halben Hering auf Teller zu verteilen. Das (erwachsene) Kuechenpersonal war vor allem besorgt, ob denn auch jeder von ihnen eine Zuckerstange bekommen wuerde. Da die Teller schon auf den Tischen standen, waere es nicht schlau, die Suessigkeit daneben zu legen, denn dann wuerden die ersten Schueler schnell was wegklauen. Wir hielten eine ca. 30-minuetige Beratung mit den Schuelern der Oberstufe, welche eine Art Aufsicht hatten und uns nun bei der Verteilung helfen wollten. Ich kaute die Prozedur wohl zehnmal mit ihnen durch, fragte nach, wie es gemacht werden sollte, und sie schauten mich wieder komisch an. Das konnte ja heiter werden!
Aber Ende gut - alles gut: Schliesslich wurde alles ganz einfach, denn die Wohnheimerzieherin hatte die Kids absolut im Griff und ganz gesittet erhielt jeder seine Leckerei, die in den kleinen Faeusten waehrend des gesamten Mittagessens eisern festgehalten wurde. Fuer uns wurde es Zeit aufzubrechen. Wir liessen uns von Louis die Adresse der Schule geben, wielleicht koennte man ja fuer diese Kindern noch mal etwas tun. Niemand dort hat Spielzeug, das ist echt traurig. Das Projekt Fussbaelle ist jedenfalls noch nicht vom Tisch.
Wir fuhren Louis von der Schule die 30 km nach Opuwo, was ihn sehr gluecklich machte, denn auf der Strasse vor der Schule kommen am Tag im Durchschnitt etwa fuenf Autos vorbei. Da ist ein direkter Lift schon ein grosser Luxus. Nach einer herzlichen Verabschiedung brausten wir weiter nach Ruacana, die voraussichtlich letzten 100 km Piste unserer Namibiareise lagen vor uns. Bis auf ein bis zwei versteckte Schlagloecher kamen wir auch hier wieder mit unserem Golf gut durch. Und selbst das Durchschlagen der Stossdaempfer nahm uns das gute Stueck nicht weiter uebel. Ich weiss schon, warum ich an den Golf II immer so schoene Erinnerungen habe - es ist einfach ein zuverlaessiger Weggefaehrte! (Ob ich dafuer mal Geld von Volkswagen abstauben kann?)
Die Landschaft um uns herum wurde mit jedem Kilometer noch gruener und kurz vor Ruacana begannen sogar die ersten Waldgebiete. Gleichzeitig stieg auch die Temperatur wieder auf ein laehmendes Niveau. In Ruacana landeten wir in der einzigen Lodge der Gegend, die zwar ganz OK ist, aber leider ihr Alleinstellungsmerkmal bei der Preisgestaltung etwas zu doll durchscheinen laesst. Sei's drum, wir huepften erst in den Pool und hielten dann in dem mit Klimaanlage ausgeruesteten Zimmer ausgiebig Siesta. Fast haetten wir es nicht mehr geschafft, uns aufzuraffen und die ca. 25 km bis zu den Ruacana Falls zu fahren. Meist ist da eh nicht viel zu sehen, denn der Fluss wird vorher gestaut. Nur in der Regenzeit tut sich hier manchmal ueberhaupt etwas.
Schon die Fahrt zu den Wasserfaellen war dann ein ueberraschendes Erlebnis. Man kann bis weit nach Angola schauen, und die Landschaft wirkt wie ein gruenes Meer. Baeume und tiefes Gruen, soweit das Auge reicht. Die spaerliche Ausschilderung zu den Wasserfaellen hatte auch sein gutes. Vollkommen unvorbereitet bogen wir von einer Nebenstrasse auf einen kleinen Parkplatz ab und standen urploetzlich vor den Wasserfaellen. Was fuer ein Anblick, uns blieb fast das Herz stehen vor Erstaunen! Von wegen kein Wasser da… Es toste entlang dem gesamten V-foermigen Einschnitt ca. 100 m in die Tiefe, der ganze Canyon brodelte und die Gischt fuellte fast das ganze Tal. Wir waren sehr beeindruckt und konnten unser Glueck kaum fassen. Selbst jetzt kurz vor dem Sonnenuntergang herrschte hier eine Affenhitze. Die durch die Gischt extrem hohe Luftfeuchtigkeit trieb einem den Schweiss sofort aus allen Poren, mit durchgeschwitzten T-Shirts und Schweissperlen auf der Stirn erkundeten wir die Gegend.
Irgendwie muessten wir noch naeher an die Faelle herankommen. Wir fanden eine Nebenstrasse, bogen ab und standen ploetzlich vor der Grenze anch Angola! Mist, wir hatten keine Paesse dabei. Kurz ueberlegt, dann fragten wir einfach nach, und siehe da: fragen hilft. Zu den Faellen ging es naemlich nur durch den namibischen Grenzposten hindurch und anstelle rechts abzubiegen und nach Angola einzureisen, fuhr man einfach weiter geradeaus. Ich fuehlte mich als waeren wir auf dem Todesstreifen der deutschen Grenze auf Sightseeingtour. Ja, und dann standen wir direkt an den Ruacanafaellen, und es war fast so spektakulaer wie die Niagarafaelle! Nur dass wir dieses Erlebnis nicht mit hunderten Touristen sondern mit einem einzigen Paearchen teilten. Genial! Zurueck gings vorbei an Angola, aus dem gerade ein Schwein (das Tier, kein Mensch) auswanderte, und dessen Grenzposten aus einem extrem verfallenen Betonhuettchen bestand (sehr einladend). Gluecklicherweise wurden wir wieder nach Namibia hereingelassen.
Sonntag und schon wieder kein Ruhetag. Staendig auf Achse sein ist auch nicht einfach. Die Nacht und der Morgen waren etwas besonderes, denn seit Wochen das erste Mal begann der Tag mit grauem Himmel, und es regnete in kurzen Schauern fast die ganze Nacht. Immerhin brachte der Regen leichte Abkuehlung auf nur 24°, doch die hohe Luftfeuchte trieb uns trotzdem bald wieder den Schweiss auf die Stirn. Von Ruacana fuhren wir die naechsten 80 km nach Outapi, denn hier sollte es das ehemalige Postamt in einem Baobab Baum (auch Affenbrotbaum genannt) zu besichtigen geben. An der Hauptstrasse sahen wir noch ein Hinweisschild, aber im Ort gab es zwar eine ganze Menge sehr grosser Baobab Baeume, doch keiner barg das versprochene Ereignis.
So kurvten wir durch den erstaunlich modern wirkenden Ort. Ueberall waren offensichtlich relativ neue Einfamilienhaeuser gebaut worden oder gerade im Entstehen. Aus irgendeiner Ecke scheint hier reichlich Geld zu fliessen. Nach dreimal Nachfragen fanden wir endlich den richtigen Baum, der Ombalantu Baobab Tree genannt wird. Der Baum wird von einer grossen Mauer umschlossen und wer will, kann auf dem Campingplatz, dessen Stellplaetze direkt um den Baobab herum angeordnet sind, eine Bleibe finden. Die touristische Betreuung liegt in den Haenden einer staatlichen Organisation, die diese Attraktion und andere, die wir bereits in den letzten Wochen gesehen hatten, in die Obhut der jeweils ansaessigen Bevoelkerungsgruppe gibt. So trafen wir auch hier auf eine sehr engagierte junge Frau, die uns zunaechst das Eintrittsgeld abnahm und uns dann den Baum und voller Stolz den ziemlich neuen Zeltplatz zeigte.
Der Baobab Baum mit einem Durchmesser von bestimmt 5 m war im Inneren von den frueheren Buschkriegern ausgehoelt worden. Man hatte in etwa 5 m Hoehe einen Einstieg in den Baum geschaffen und sich von dort langsam nach unten durchgearbeitet. So hatten die Bewohner des Dorfes im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung eine Rueckzugsfestung. Waehrend der Kolonialisierung wurde auf Bodenhoehe ein normaler Zugang in den Stamm gebrochen, und der Baum diente tatsaechlich als Poststation. Heute hat man hier so etwas wie eine kleine Kapelle eingerichtet, in der man sich auf Wunsch sogar trauen lassen kann.
Vom Baobab Baum ging es weiter in den Ort Tsandi, der das Tsandi Royal Homestead als Attraktion bietet. Hier wohnt tatsaechlich heute noch der Koenig einer Ovambovolksgruppe. Er herrscht ueber fast 30.000 Menschen und das in Teilen in seiner urspruenglichen Form erhaltene Dorf bildet sozusagen die Hauptstadt mit zugehoerigem Koenigssitz. Ein Teil des Ortes ist vom restlichen Ort abgetrennt und fuer Touristen zugaenglich. Wir hatten Glueck, am Sonntag hier jemanden anzutreffen, denn am Sonntag ist in Namibia gerne richtig der Hund begraben. Eine junge Ovambofrau, die als Fuehrerin angestellt ist, zeigte uns die wesentlichen Bestandteile des Dorfes. Der derzeitige Koenig regiert seit 1960 und zog es als moderner Mensch vor, in ein festes Haus einzuziehen. So ist der fruehere koenigliche Empfangsbereich und die Huette der Koenigin zur Besichtigung freigegeben.
Das Ovambodorf war ganz anders als das Dorf der Himbas. Es gab sehr viele Abschnitte, welche voneinander durch hohe Holzzaeune abgegrenzt waren. Das ganze Dorf war praktisch ein Labyrinth aus Holzzaeunen. Es gab Sektionen, in denen die Jungs (ab 10 Jahren) wohnten, sich ihr Essen allein kochten und schliefen, dasselbe fuer die Maedchen. Ueber diverse Empfangsbereiche naeherte man sich dem Koenig. Wir betrachteten Kochstellen, Feierstellen, Koeniginnenhaeuser usw. Alles sah eigentlich ziemlich gleich aus, runde Huetten mit Strohdaechern, Lehmwaenden und blanken Fussboeden. Interessant war die Lagerabteilung. In riesigen, uebermannshohen, geflochtenen Koerben wird eine Art Hirse gelagert. Die Koerbe werden nach der Befuellung mit Lehm zubetoniert, um Ungeziefer fernzuhalten. Das einzige Problem ist nur, wie man die Koerner wieder herausbekommt aus den hohen Teilen! Ganz einfach: wenn man nicht mehr mit einer Art Kelle von oben herankommt, wird ein kleines Kind hineingehoben, das die Koerner hinausreicht. Wie das Kind da wieder rauskommt? Das wird ein Geheimnis bleiben!
Mit unserer Fuehrerin Elisabeth probierte ich mich im rhythmischen Kornstampfen und in der Trennung der Spreu vom Korn (ganz schoen schwierig). Wenn auch die Haeuser heute meistens aus Stein bestehen, die Lagerung in diesen Koerben und die Prozedur der Mehlherstellung ist immer noch ganz normal, so dass Elisabeth das natuerlich ganz cool beherrschte. Elisabeth war ueberhaupt eine sehr bemuehte Fuehrerin, die sich immer freute, wenn man Fragen stellte, so dass wir dies reichlich taten. Irgendjemand hatte ihr beigebracht, bei jedem bisschen „I'm so sorry!” zu sagen, auch wenn sie gar nichts getan hat... Nicht immer leicht mit dem Englisch. Aber ich bewundere die Leute dort sowieso, denn schliesslich sprechen sie ihre Stammessprache, oft noch ein bis zwei Dialekte benachbarter Staemme, dazu fast immer Afrikaans, und dann sollen sie auch noch englisch koennen!
Es gab noch ein wichtiges Tor aus dem Dorf hinaus, eine einfache Blechtuer. Diese hatte die Besonderheit, dass hier nur der Koenig und seine Frau hindurchgehen duerfen, und das wird sehr ernst genommen! Wer erwischt wird, hier unbefugt hindurchzugehen, muss entweder mit einem Stueck Vieh Strafe zahlen, oder er erhaelt Stockhiebe! Was man alles so falsch machen kann, die Blechtuer hinaus aufs Feld sah jedenfalls extrem unbedeutend aus. Sehr hinterlistig... Schade, dass wir den Koenig nicht getroffen haben, im Reisefuehrer stand, dass er gerne ein Schwaetzchen mit den Touris haelt, wenn er anwesend ist.
Als wir uns mit vielen Worten von Elisabeth verabschiedeten, wartete eine Ueberraschung auf uns: Hinten links hatten wir einen Platten! Um das Auto herum sassen bereits sechs Kinder, die interessiert zuschauten, was jetzt wohl passieren wuerde. Ich glaube, wir waren dann doch eher unspektakulaer, als wir das Ersatzrad hervorkramten und das Rad in 5 Minuten gewechselt hatten. Das hatten alle hier vermutlich schon ein paarmal erlebt. Lieber Gott, Reifenwechsel! Spaetestens jetzt bereute ich es nicht, mit Tom auf die Reise gegangen zu sein, denn allein waere ich verloren gewesen. Tom dagegen war ein cooler (und sehr gutaussehender) Reifenwechsler! Im Reifen steckte ein richtig dicker Nagel - jetzt wussten wir auch, was bei unserem Rumkurven in Outapi immer so geklackert hatte... Mal sehen, ob man hier so einen Reifen noch mit dem Einziehen eines Schlauches repariert oder lieber gleich einen neuen nimmt! Auf alle Faelle koennen wir den Spass bezahlen, denn neben Windschutzscheibe und Unterboden sind auch die Raeder von der Versicherung ausgeschlossen.
In Oshakati, der Bezirkshauptstadt, fanden wir eine ganz gute Lodge am Rande der Stadt und der Preis stimmte auch. Inzwischen knallte auch die Sonne wieder vom Himmel, und es bildete sich eine prima Waschkuechenluft. Das ist kein Wunder, denn auf der gesamten heutigen Strecke waren wir an zahlreichen kleinen und groesseren Wasserflaechen und Pfuetzen vorbeigefahren. Ein Segen fuer die Menschen hier, aber eben auch die Grundlage fuer die feuchte Hitze. Das ganze Gebiet, indem wir zur Zeit reisen, ist die land- und viehwirtschaftliche Seele Namibias. Aufgrund der guenstigen Bedingungen leben in dieser Gegend noerdlich der Etoshapfanne die Haelfte der Namibier (ca. 1 Mio.). So musste man beim Fahren immer auf der Hut sein, alle paar Kilometer zog eine Kuh- oder Ziegenherde ueber die Strasse, und manchmal hatten sich die Tiere die Strasse auch als Ruheplaetzchen ausgesucht. Zudem bevoelkerten reichlich Esel die weiten Gruenflaechen und mitunter auch die Strassen.