Text von Thomas ist gruen
Text von Katrin ist schwarz
Leider schafften wir es nicht, mit Lili und Peter am Mittwoch nach Robben Island zu fahren. Die Faehren waren bis zum Wochenende ausgebucht, denn dieses Wochenende war Kapstadt durch zahllose Kongresse und Messebesucher bevoelkert und der touristische Ansturm dementsprechend. Aber ein „Ersatzprogramm” war schnell gefunden. Lili, Peter und Katrin zogen los zu einer Townshiptour. Zusammen mit einem Fuehrer besucht man eine der Armensiedlungen, die wie Pilze rund um Kapstadt aus dem Boden gewachsen sind.
Armensiedlung ist wohl der Eindruck, den man unweigerlich erhaelt, wenn man an diesen teilweise wirklichen Slums an der Autobahn vorbeifaehrt. Mama wollte sich dieses Elend erst auch gar nicht naeher anschauen, da sie es sich zu deprimierend vorstellte. Aber dank meiner Ueberzeugungskraft und vor allem auch als Ersatz fuer das ausgebuchte Robben Island ging es los. Mit uns kam noch eine junge Amerikanerin. Unser Fuehrer Taba hatte jahrelang selbst in einem Township gelebt, und es lag ihm viel daran, uns diese Lebensform nahezubringen. Es waere jetzt wirklich zu viel, all die Informationen wiederzugeben, die wir ueber das Township an sich erhalten haben. Fakt ist, dass im Township ausschliesslich Schwarze bzw. sogenannte Farbige (Kapp-Mischlinge) wohnen und dass es dort ganz unterschiedliche Niveaus der Behausung gibt.
Meist startet ein Township mit irgendwelchen Bretterbuden, die sich illegale Zuzuegler bauen. Spaeter erhalten diese dann ein Stueck Land zugewiesen, auf dem sie sich bei Erlangung der finanziellen Mittel ein kleines Haeuschen errichten, manchmal erhalten sie diese Haeuser auch von Spendenorganisationen. Es gibt verschiedene Grade der infrastrukturellen Anbindung (Strom, Wasser, Post usw.), je nach Entwicklungsstufe. Die Townships wachsen unaufhaltsam in alle Richtungen, da die Stadt Arbeit verspricht (wenn auch nicht haelt, denn ca. 50% der Townshipbewohner sind arbeitslos). Neben den Wellblechhuetten haben wir aber auch relativ huebsche Wohngebiete gesehen mit kleinen Haeusern, wie es sie auch bei uns geben koennte.
Wir besuchten eine Kirche, in dem ein schwarzer Jesus am Kreuz hing, was wir sehr interessant fanden (warum eigentlich nicht?), und in dem sich auch ein Kindergarten befand. Das war natuerlich etwas fuer uns! Die kleinen Schreihaelse quetschten sich an uns die Treppe hinunter, und wir wollten am liebsten alle knuddeln. Die waren so niedlich! Wir bekamen ein paar Lieder vorgesungen und revanchierten uns mit „Bummi Bummi”, was gleich nachgesungen wurde und hinter uns herschallte. Die lustlose Kindergaertnerin haetten wir am liebsten gleich abgeloest, wenigstens zeigte sie uns einen Tagesplan, der von Fachfrau Lili ein OK bekam.
Gegenueber von der Kirche verkauften Frauen ihre selbstgefertigten Schmuckstuecke, und wir kauften ein paar fuer den guten Zweck. Anschliessend wurden wir in ein sogenanntes Mandela- Haus hineingelassen (das bekommen Familien, die eine bestimmte Einkommensgrenze unterschreiten). Eine Familie mit vier Kindern lebte dort, die Mutter war zu Hause, allerdings war das ganze Haus total verdreckt und wir ziemlich geschockt. Wir besuchten einen Tante Emma Laden, eine Kneipe und ein „Shebeen”, das ist eine informelle Kneipe sozusagen im Wohnzimmer, wo selbstgebrautes Bier getrunken wird. Wir durften verkosten, ich bekam als erste die grosse Blechdose hingehalten. Ich konnte die eklige Bruehe nur mit Muehe hinunterschlucken und musste mich total zusammenreissen, um nicht angewidert das Gesicht zu verziehen. Papa trank auch, danach ging die Buechse an einen inzwischen hinzugekommenen Gast aus dem Wohngebiet. Alle aus einer Blechbuechse! Mama konnte verzichten, beneidenswert!
Wir besichtigten noch ein Bed und Breakfast, das mitten im Township stand (fuer die ganz Harten, die es besonders authentisch brauchen), fuhren kreuz und quer durch die unterschiedlichsten Siedlungen und besuchten dann noch einen Kraeuterheiler. Der war allerdings so schmierig, dass wir auf saemtliche Wunder verzichteten. Zum Ende der Tour wurde uns das Museum des District Six gezeigt, allerdings beschloss ich sofort, dass ich hier noch mal mit mehr Zeit herkommen wuerde.
Ja, die Townshiptour war wirklich ein spannender Einblick in das typische Leben der Mehrzahl der schwarzen Bevoelkerung. Es ist sehr schwer, mit unserem Lebensniveau so etwas zu bewerten, ich denke, wenn man sich in einer so grossen Gemeinschaft befindet, wird man dieses Leben ganz normal finden. Gut war die Erkenntnis, dass es nicht fuer immer bei der Wellblechhuette bleiben muss. Anderseits ist es natuerlich extrem ungerecht, dass die eigentlichen Ureinwiohner dieses Landes in solche Lebensformen abgedraengt und damit aus dem Innenstadtbild vertrieben sind. Und nur die wenigsten haben die Moeglichkeit zu einer hoeheren Schulbildung und damit zu einem wirklich anderen Lebensstandard. Unser Fuehrer allerdings war stolz auf das Leben und die Dynamik in den Townships, und ich finde, das darf man einfach nicht vergessen.
Waehrendessen froehnte ich der Wanderleidenschaft, die durch den Tafelberg, den Lions Head und den Signal Hill reichlich Futter bekam. Die Wahl fiel auf den Lions Head, denn am Nachmittag wollten Peter und ich noch den Aufstieg auf den Tafelberg bewerkstelligen. Der Weg zum Lions Head begann nur 5 Autominuten von unserer Unterkunft und nach allen Beschreibungen, war dieser Weg auch kein wirklich strapazioeser, dafuer aber wegen seiner Ausblicke auf Kapstadt und die Umgebung echt lohnend. Die Beschreibungen bewahrheiteten sich komplett. Nach 40 min. stand ich auf der ca. 660 m hohen Spitze des Felsens, den der Weg beim Anstieg spiralfoermig umrundete. Kurz vor der Spitze konnte man zwischen zwei alternativen Routen waehlen, eine davon „durch die Ketten” genannt, die andere ein treppenfoermiger Weg. Bei dem vielversprechenden Namen hielt es mich natuerlich nicht auf dem normalen Weg, die kleine Kletterpartie war ganz putzig, ohne ernsthaft gefaehrlich zu sein.
Die Ausblicke auf Kapstadt mit seinen Vororten samt Badestraenden, auf den Tafelberg und die weiteren Gipfel, die sich Richtung Sueden am Kap entlang ziehen und der Blick bis Robben Island, das trotz 5 km Entfernung in der Bucht zum Greifen nah erschien, beeindruckten mich tief. Seltsamerweise ging mir durch den Kopf, dass dies, obwohl vom Anspruch eigentlich eher gemuetlich, eine der schoensten Touren der ganzen Reise war. Diese wunderschoenen Anblicke setzten sich wirklich tief in meinem Gedaechtnis fest, und Kapstadt wuchs mir gleich ein Stueckchen mehr ans Herz.
So nach Wochen der wanderlosen Zeit wieder „eingelaufen” wartete ich ganz ungeduldig auf die Rueckkehr der Restfamilie aus dem Township. Nach dem Mittagessen, das eigentlich etwas zu ueppig ausfiel, brachte Katrin Peter und mich bis an den Beginn eines der moeglichen Anstiege auf den Tafelberg. Der Weg startete bei ca. 360 Hoehenmetern, und die als „einfach” eingestufte Wanderung besteht aus dem Ueberwinden der 700 m auf einem serpentinfoermigen Weg, der einem aber eigentlich eher wie eine endlos lange Treppe vorkommt. So sind es bis zur Gipfelstation der Seilbahn insgesamt nur ca. 2,5 km Weg. Peter schlug sich wacker, vollkommen untrainiert mit 63 einen solchen Anstieg durchzulaufen, ist keine einfache Nummer. Zudem hatte er mit dem Nachteil der kuerzeren Beine zu kaempfen, die bei dieser Art des Anstieges und der teilweise hohen Tritte ein echtes Handicap sind. Zwischendurch bereute Peter seinen Beschluss zwar ein paarmal, aber der Ehrgeiz und meine (manchmal zur Motivierung leicht nach oben getuerkt) Ansagen zu der bereits erreichten Hoehe (vom mitgenommenen GPS abgelesen) brachten uns dann doch mit stolz geschwellter Brust nach oben. Die letzten 200 Hoehenmeter liefen wir dabei in den ueber die Kante des Tafelberges „fliessenden” Wolken.
Die erhoffte schoene Aussicht entfiel also zunaechst, stattdessen fegte uns in der Klamm, in der man fast die halbe Strecke hochstapft, ein strammer Wind entgegen. So waren wir froh, als wir die Bergstation der Seilbahn erreichten und uns im Restaurant einen Café goennen konnten. Ich versuchte derweil, Katrin per Handy zu erreichen, sie sollte uns naemlich von der Talstation abholen. Wir hatten bereits vor dem Anstieg beschlossen, dass wir den steilen Weg nicht wieder herunterlaufen wollten, das waere dann doch ein zu doller Muskelkiller und fuer die Kniegelenke bei den hohen Absaetzen auch kein Spass. Ich konnte Katrin nicht erreichen, doch ploetzlich tauchten Lili und Katrin ganz von alleine im Restaurant auf. Wir erzaehlten unsere Wandergeschichten und waehrenddessen tat uns das Wetter einen grossen Gefallen: die Wolkendecke riss auf.
Wir drehten eine Runde um die Bergstation, von der aus man einen prima Blick auf Kapstadt und die Umgebung hat. Wir freuten uns ueber unser Glueck, machten ein paar Fotos, bis beide Kameras ploetzlich gleichzeitig keinen Strom mehr hatten, und fuhren am Spaetnachmittag wieder nach unten. Abends versuchten wir uns in das Nachtleben Kapstadts zu stuerzen. Uns war eine Kneipenstrasse in Zentrumsnaehe empfohlen worden, die uns dann aber doch nicht richtig vom Hocker riss. Stattdessen machten wir einen Inder unsicher, der vor allem durch die Schaerfe des Essens und das eher duestere Ambiente herausragte. Der Versuch einer abendlichen Doppelkopfrunde blieb ziemlich bald in der allgemeinen Muedigkeit stecken, wobei ich mich zugegebenermasen besonders hervortat.
Donnerstag, der letzte Tag vor der Abreise von Lili und Peter. Heute wollten wir eine Rundfahrt bis zum Kap der guten Hoffnung machen. Das ist insgesamt eine Strecke von ca. 160 km. Ich war schon frueh wach, und als ich sah, wie der Tafelberg vollkommen wolkenlos aus der Nacht auftauchte, zog ich mir die Wanderstiefel wieder an. Katrin nahms gelassen Was soll man denn mit so einem Kerl machen, der einen um 6 Uhr wachkuesst und sagt „Tschuess, meine Kleine, ich gehe noch mal schnell den Tafelberg hoch!” und so schnell verschwindet, dass man sich fragt, ob man das jetzt getraeumt hatte? Fuer den zweiten Anstieg auf den Tafelberg waehlte ich eine andere Route, die insgesamt fast doppelt solang war wie am gestrigen Tag. Ohne vernuenftige Wegbeschreibung fand ich mich dann aber 200 Hoehenmeter vor der Bergstation vor einer Art Kletterwand wieder. Ich konnte zwar ueber mir noch die aufgemalten Fussabdruecke als Wegmarkierung erkennen, das ganze war mir aber ohne die entsprechende Erfahrung und vor allem alleine doch zu suspekt.
Zudem war ich in der Zwischenzeit behindert, denn beim Anstieg hatte ein starke Windboe mir einfach die Brille von der Nase geweht! Nun bin ich ohne Brille ein ziemlich blinder Fisch, und ich war schon heilfroh, dass ich nach 15 min. Suche wenigstens das Gestell mit ganzen Brillenglaesern und einen der zwei Buegel der Brille wiedergefunden hatte. Der zweite Buegel war wohl irgendwo den Abhang runtergesegelt. Es war echt keine gute Woche fuer meine Brillen! Provisorisch konnte ich mir die Brille mit nur einem Buegel vor die Nase klemmen und bei jedem Luftzug sauste mein Hand nun an das demolierte Gestell, um einen nochmaligen Verlust zu verhindern. Der Abstieg war so nicht geplant, denn ich wollte eigentlich die erste Seilbahn um 8:30 Uhr nach unten nehmen. So musste ich alles wieder zuruecklaufen und kam erst um 9:30 Uhr zum Fruehstueck zurueck. Das war aber nicht so tragisch, denn Katrin hatte sich auch gerade erst aus dem Bett geschaelt. Ich hatte es tatsaechlich verschlafen, meine armen Eltern sassen seit 8:30 am Fruehstueckstisch und fragten sich, wohin wir denn nun verschwunden waren, denn schliesslich war ja auch das Auto weg. Und wie ich mich so verwirrt ob der spaeten Stunde aus dem Bett bewege, kommt so ein Typ mit einer halbzerbrochenen Brille auf der Nase ins Zimmer… Das gab es echt nicht, Samstag die Brille am Strand verschwunden und Donnerstag die Ersatzbrille zerbrochen!
Vor unserer Kaptour verlaengerten wir noch die Leihfrist fuer unser Auto bis uebers Wochenende. Das war die einzige Moeglichkeit, mobil zu bleiben, denn erst ab Montag war es ueberhaupt erst moeglich einen kleineren Wagen fuer die naechsten Wochen zu mieten. Waehrend das Wochenendes waren saemtliche Autoverleiher total ausgebucht. Auf der Fahrt entlang der Kuestenstrasse gab ich mich recht wortkarg, die anderen glaubten ich sei schlecht drauf, aber eigentlich war ich nur recht muede von dem anstrengenden morgendlichen Wandertrip. Erst am Nachmittag begannen meine Lebensgeister wieder zurueckzukehren. Dazu halfen besonders die mehrfachen und ausgiebigen Stopps an Souvenirmaerkten entlang der Strasse, ein Thema, das mich selbst unter normalen Umstaenden kaum vom Sockel reisst. Ich nutzte die Zeit, fuer das eine oder andere Kurznickerchen.
Die Halbinsel suedlich von Kapstadt ist ein absoluter landschaftlicher Knueller. Wir hatten auch noch einen besonders windigen Tag erwischt, und so krachten die Wellen wild an die Steilkueste. Am Cape Point, dem suedlichsten Punkt (nicht jedoch der suedlichste Punkt Afrikas), wehte uns ein wilder Wind um die Nase. Wir wanderten inmitten vom Menschenmassen zum Leuchtturm hinaus und genossen den Ausblick. Auf dem Rueckweg in Richtung Norden stoppten wir in Simonstown, wo sich eine grosse Pinguinkolonie angesiedelt hat. Ich war voellig fertig, wie einfach man hier hunderte von Pinguinen ganz dicht vor die Nase bekam, was hatten wir fuer einen Aufstand in Neuseeland hinter uns, mit Fluestern durften die Tiere dort im Sicherheitsabstanhd betrachtet werden, und hier wuselten sie einem am hellerlichten Tage vor der Nase herum (und paarten sich ganz heftig, eine echte Pinguin- Peepshow).
Unterwegs machten wir mehrere Zwischenstopps an den reichlich vorhandenen Souvenirstaenden und erledigten alle Mitbringwuensche meiner Eltern, auch wenn das Schwierigste am Verhandeln war, meine Eltern von zu fruehen Preiszugestaendnissen abzuhalten… Am Abend besuchten wir das letzte Mal die Waterfront und nahmen unsere Henkersmahlzeit zur Wiedereingewoehnung in einem deutschen Restaurant, dem bayrischen Hofbraeuhaus, ein. Papa und ich verzehrten standesgemaess eine dicke Schweinsgrillhaxe. Puhh!
Freitag, 5 Uhr morgens. Der „Henkerskaffee” wurde getrunken und die Koffer von Lili und Peter ins Auto gewuchtet. Wir hatten jeden freien mm in den Koffern mit Souvenirs und Utensilien aus unserem Gepaeck vollgestopft, die wir fuer die letzten paar Wochen nicht mehr benoetigen. Entsprechend bleischwer waren die Koffer, doch am Uebergepaeck schlitterten wir haarscharf vorbei. Die Stimmung auf der Fahrt war gedrueckt, doch gegenseitig versicherten wir uns alle, dass es ja solange nicht mehr hin sei, bis wir selbst nach Hause kaemen. Dennoch kullerten dann ein paar Traenen bei der Verabschiedung und waehrend wir vom Flugplatz durch die morgendliche Rushhour ins Zentrum zurueckschlichen.
Wir fruehstueckten erst einmal und machten uns dann auf die Internetsuche nach einer neuen Bleibe. Leider war Kapstadt gerade voll von Touristen. Das hatten wir ja schon bei den Autoverleihern gemerkt, und bei der Zimmersuche zeigte sich, das auch saemtliche Hotels und Herbergen bis zum Montag ausgebucht waren. Wir wechselten zu Plan B und Katrin schaffte es tatsaechlich, in der Touristeninfo eine Unterkunft fuer das Wochenende zu ergattern. Leider konnten wir die drei Naechte nicht zusammenhaengend buchen und zogen fuer eine Nacht ganz in die Naehe unserer bisherigen Unterkunft.
Das Guesthouse war prima, das Zimmer mit einer kaum abgegrenzten Toilette etwas exotisch und in dieser Form nur fuer gefestigte Paarbeziehungen geeignet. Aber das sind wir ja, und wir widmeten uns lieber unserer Tagesaufgabe: meine Brille musste repariert werden. So marschierten wir los, um einen Optiker zu suchen. Die Gegend, in der wir uns befanden, machte einen sehr interessanten Eindruck. Scheinbar lebten hier die verschiedensten Bevoelkerungsgruppen in bunter Mischung zusammen. Es gab zahlreiche Kneipen und Restaurants fuer alle Geschmaecker (ihr koennt gerne raten, wo wir abends zum Essen landeten ...) und das ganze wirkte nicht so aalglatt und stylish wie die Touristenhochburg an der Waterfront.
Einen Optiker fanden wir auch. Reparieren sei nicht drin, aber schnell fanden wir ein neues Brillengestell, in das die Brillenglaeser ohne viel Aufwand eingepasst werden konnten. Ich musste nur ein paar Stunden warten, und als Halbblinden fuehrte mich Katrin zurueck in unser Heim. Die neue Brille war ein echter Treffer, und mit neuem Durchblick machten wir uns am Abend in das quirlige Nachtleben des Bezirks auf um, wie koennte es anders sein, in einer Sushibar zu landen. Am Freitag gab es eine „Buy one, get one free” Aktion. Es kam, wie es kommen musste: Wir assen uns schachmatt und hatten dann keine grosse Lust mehr, durch das Nachtleben zu stromern. Katrin erreichte Peter, der mit Lili bereits auf der Autobahn Richtung Rostock unterwegs war, und sie berichteten uns, dass der Flug zwar wieder anstrengend, aber doch alles in allem ganz OK war.
Sie hatten einen Tagesflug (morgens um 8 Uhr Abflug) erwischt, eine viel schoenere Reisezeit als der nervige Nachtflug. Da kommt wenigstens zu den vielen Stunden Flug nicht noch die Muedigkeit des verlorenen Nachtschlafes hinzu. Ich glaube, nach dem strammen Programm der letzten 12 Tage brauchen wir alle ein bisschen Zeit, die Erlebnisse sacken zu lassen. Wir hatten natuerlich auch dieses Mal ein viel strafferes Programm durchgezogen als normalerweise bei uns ueblich, aber wenn man nur 12 Tage zur Verfuegung hat, will man ja soviel wie moeglich mitnehmen. Ich glaube, den beiden hat es richtig gut gefallen, und nun haben sie ordentlich was zu verdauen.
Wir freuten uns, dass die Eltern heil angekommen waren und waren trotzdem etwas verwundert, als die Rede auf Blitzeis kam. Wieso Blitzeis? - Wir sind dem deutschen Winter wohl auch im Kopf inzwischen vollkommen entrueckt. Wir wuerden uns freuen, wenn es morgen nicht wieder gar so heiss werden wuerde wie heute!
Samstag mussten wir also schon wieder in Kapstadt umziehen. Unser neues Domizil fuer die naechsten zwei Tage lag ca. 20 km noerdlich des Stadtzentrums. Wir fanden uns in einem der Vororte Kapstadts wieder, die sich an der grossen Bay entlangziehen und deren Hauptattraktion die Naehe zu dem langgezogenen Sandstrand der Bucht ist. Unser Zimmer war eigentlich eine kleine reedgedeckte Huette im Hof des Hauses, und wir freuten uns ueber Katrins gute Wahl. Die Zeit hier wuerde wohl ganz gemuetlich werden.
Direkt nach unseren Einzug machten wir uns schon wieder auf die Socken. Wir fuhren zum District Six Museum direkt im Stadtzentrum Kapstadts. Na na, hier wird gerade verschwiegen, dass wir noch mal ganz zurueck zum vorherigen Guesthouse mussten, weil Herr Tom versehentlich den Schluessel mitgenommen hatte! (Das lag eh fast auf dem Weg!) Dieses Museum beleuchtet die Geschichte einer der offensichtlichen Wunden, die die Zeit der Apartheit in das Leben Suedafrikas geschlagen hat. Der District Six war ein historisch gewachsener Stadtteil Kapstadts mit einer gemischten Bevoelkerung aus Weissen, Farbigen, Schwarzen und Asiaten. 1966 beschloss die Regierung, diesen Stadteil zu einem Bezirk zu machen, der nur den Weissen vorbehalten sein sollte. Den Bewohnern wurde befohlen, ihre Haeuser und Wohnungen aufzugeben und um den ganzen Nachdruck zu verleihen, wurde damit begonnen, die ersten alten Haeuser in diesem Stadtteil abzureissen. Dieser ganze Prozess, zum Teil von Enteignungen und Zwangsdeportationen begleitet, zog sich ueber 15 Jahre hin, und 1981 hatte man inmitten Kapstadts eine riesige Brachflaeche geschaffen. Der Stadt fehlte jedoch die Kraft, hier auch nur etwas annaehernd sinnvolles neues zu schaffen und sei es auch nur fuer die weisse Bevoelkerung.
So bleibt dieses Gebiet vor allem ein Symbol und trotz bester Citylage und damit im Visier der Investoren scheint man sich dazu durchgerungen zu haben, diese Ausgeburt des Apartheitssystems als nationales Denkmal zu erhalten. Im Museum des District Six wird die Geschichte dieser „Saeuberung” erzaehlt und mit der Schilderung vieler Einzelschicksale ergaenzt. So verbrachten wir hier fast zwei Stunden, und am Ende brummte uns der Schaedel von all dem Text. Zeit, um unser neues Feriendomizil fuer eine Siesta zu nutzen. Wir fielen in ein komatoesen Nachmittagsschlaf und waren selbst erstaunt, inwieweit uns das straffe Programm, das wir mit Lili und Peter durchgezogen hatten, scheinbar selbst ganz schoen geschlaucht hatte.